Cherubinischer Wandersmann (German Text)

Below is the full text of Angelus Silesius’s Cherubinischer Wandersmann (1657 printing), reproduced in German from the classic Reclam edition by Louise Gnädinger (1984). This site is one of the few places on the web to find the full text in html.

The text reproduced here is in the public domain and may be cited, copied, and shared.

I’m in the process of noting which epigrams I’ve translated, and once the translations are published I hope to hyperlink to the relevant texts. Current samples include the sorcerers’ stone, riddles and paradoxes, and killing the dragon. For updates, subscribe to my occasional newsletter.

<< Preface to the Reader

1:1. Was fein ist das besteht.
Rein wie das feinste Gold / steiff wie ein Felsenstein /
Gantz lauter wie Cristall / sol dein Gemüthe seyn.

1:2. Die Ewige Ruhestadt.
Es mag ein andrer sich umb sein Begräbniß kränken /
Und seinen Madensak mit stoltzem Bau bedänken.
Jch Sorge nicht dafür: Mein Grab / mein Felß und schrein
Jn dem ich ewig Ruh / sol’s Hertze JEsu seyn.

1:3. GOtt kan allein vergnügen.
Weg weg ihr Seraphim ihr könt mich nicht erquikken:
Weg weg ihr Engel all; und was an euch thut blikken:
Jch wil nun eurer nicht; ich werffe mich allein /
Jns ungeschaffne Meer der blossen GOttheit ein.

1:4. Man muß gantz Göttlich seyn.
HErr es genügt mir nicht / daß ich dir Englisch diene /
Und in Vollkommenheit der Götter für dir Grüne:
Es ist mir vil zu schlecht / und meinem Geist zu klein:
Wer Dir recht dienen wil muß mehr als Göttlich seyn.

1:5. Man weiß nicht was man ist.
Jch weiß nicht was ich bin / Jch bin nicht was ich weiß:
Ein ding und nit ein ding: Ein stüpffchin und ein kreiß.

1:6. Du must was GOtt ist seyn.
Sol ich mein letztes End / und ersten Anfang finden /
So muß ich mich in GOtt / und GOtt in mir ergründen.
Und werden das was Er: Jch muß ein Schein im Schein /
Jch muß ein Wort im Wort / [Fußnote] ein GOtt in GOtte seyn.

1:7. Man muß noch über GOtt.
Wo ist mein Auffenthalt? Wo ich und du nicht stehen:
Wo ist mein letztes End in welches ich sol gehen?
Da wo man keines findt. Wo sol ich dann nun hin?
Jch muß noch [Fußnote] über GOtt in eine wüste ziehn.

1:8. GOtt lebt nicht ohne mich.
Jch weiß daß ohne mich GOtt nicht ein Nun kan leben /
Werd’ ich zu nicht Er muß von Noth den Geist auffgeben.
[Fußnote]

1:9. Jch habs von Gott / und Gott von mir.
Daß GOtt so seelig ist und Lebet ohn Verlangen /
Hat Er so wol von mir / als ich von jhm empfangen.

1:10. Jch bin wie Gott / und Gott wie ich.
Jch bin so groß als GOtt / Er ist als ich so klein:
Er kan nicht über mich / ich unter Jhm nicht seyn.

1:11. Gott ist in mir / und ich in jhm.
GOtt ist in mir das Feur / und ich in Jhm der schein:
Sind wir einander nicht gantz jnniglich gemein?

1:12. Man muß sich überschwenken.
Mensch wo du deinen Geist schwingst über Ort und Zeit /
So kanstu jeden blik seyn in der Ewigkeit.

1:13. Der Mensch ist Ewigkeit.
Jch selbst bin Ewigkeit / wann ich die Zeit Verlasse /
Und mich in GOtt / und GOtt in mich zusammen fasse.

1:14. Ein Christ so Reich als Gott.
Jch bin so Reich als GOtt / es kan kein stäublein seyn /
Das ich (Mensch glaube mir) mit Jhm nicht hab gemein.

1:15. Die über-GOttheit.
Was man von GOtt gesagt / das gnüget mir noch nicht:
Die über-GOttheit ist mein Leben und mein Liecht.

1:16. Die Liebe zwinget GOtt.
[Fußnote]
Wo GOtt mich über GOtt nicht solte wollen bringen /
So will ich Jhn dazu mit blosser Liebe zwingen.

1:17. Ein Christ ist GOttes Sohn.
Jch auch bin GOttes Sohn / ich sitz an seiner Hand:
Sein Geist / sein Fleisch und Blut / ist Jhm an mir bekandt.

1:18. Jch thue es GOtte gleich.
GOtt liebt mich über sich. Lieb ich Jhn über mich;
So geb ich Jhm sovil / als Er mir gibt auß sich.

1:19. Das seelige Stilleschweigen.
Wie seelig ist der Mensch / der weder wil noch weiß!
Der GOtt (versteh mich recht) nicht gibet Lob noch Preiß.
[Fußnote]

1:20. Die Seeligkeit steht bey dir.
Mensch deine Seeligkeit kanstu dir selber nemen:
So du dich nur dazu wilt schiken und bequemen.

1:21. GOtt last sich wie man wil.
GOtt gibet niemand nichts / Er stehet allen frey;
Daß Er / wo du nur Jhn so wilt / gantz deine sey.

1:22. Die Gelassenheit.
So vil du GOtt geläst / so vil mag Er dir werden /
Nicht minder und nicht mehr hilfft Er dir auß beschwerden.

1:23. Die Geistliche Maria.
Jch muß MARIA seyn / und GOtt auß mir gebähren /
Sol Er mich Ewiglich der Seeligkeit gewehren.

1:24. Du must nichts seyn / nichts wollen.
Mensch / wo du noch was bist / was weist / was liebst und hast;
So bistu / glaube mir / nicht ledig deiner Last.

1:25. GOtt ergreifft man nicht.
GOtt ist ein lauter nichts / Jhn rührt kein Nun noch Hier: [Fußnote]
Je mehr du nach Jhm greiffst / je mehr entwird Er dir.

1:26. Der geheime Tod.
Tod ist ein seelig ding: je kräfftiger er ist:
Je herrlicher darauß das Leben wird erkist.

1:27. Das Sterben machet Leben.
Jn dem der weise Mann zu tausendmalen stirbt /
Er durch die Warheit selbst umb tausend Leben wirbt.

1:28. Der allerseeligste Tod.
Kein Tod ist seeliger / als in dem Herren sterben /
Und umb das Ewge Gutt mit Leib und Seel verderben. [Fußnote]

1:29. Der Ewige Tod.
Der Tod / auß welchem nicht ein Neues Leben blühet /
Der ists den meine Seel auß allen Töden fliehet.

1:30. Es ist kein Tod.
Jch glaube keinen Tod: Sterb ich gleich alle Stunden /
So hab ich jedesmahl ein besser Leben funden.

1:31. D as jmmerwehrende Sterben.
Jch sterb’ und lebe GOtt: wil ich jhm ewig Leben /
So muß ich ewig auch für Jhm den Geist aufgeben. [Fußnote]

1:32. GOtt stirbt und lebt in uns.
Jch sterb’ und leb’ auch nicht: [Fußnote] GOTT selber stirbt in mir:
Und was ich leben sol / [Fußnote] lebt Er auch für und für.

1:33. Nichts lebet ohne Sterben.
GOtt selber / wenn Er dir wil leben / muß er sterben:
Wie dänckstu ohne Tod sein Leben zuererben?

1:34. Der Tod vergöttet dich.
Wenn du gestorben bist / und GOtt dein Leben worden /
So trittstu erst recht in der Hohen Götter Orden.

1:35. Der Tod ists beste Ding.
Jch sage / weil der Tod allein mich machet frey;
Daß er das beste Ding auß allen Dingen sey.

1:36. Kein Tod ist ohn ein Leben.
Jch sag es stirbet nichts; nur daß ein ander Leben /
Auch selbst das Peinliche / wird durch den Tod gegeben.

1:37. Die Unruh kombt von dir.
Nichts ist das dich bewegt / du selber bist das Rad /
Das auß sich selbsten laufft / und keine Ruhe hat.

1:38. Gleichschätzung machet Ruh.
Wenn du die Dinge nimbst ohn allen unterscheid;
So bleibstu still und gleich in Lieb und auch in Leyd.

1:39. Die Unvollkommne Gelassenheit.
Wer in der Hölle nicht kan ohne Hölle leben /
Der hat sich noch nicht gantz dem Höchsten übergeben.

1:40. GOtt ist das was Er wil.
GOtt ist ein Wunderding; Er ist das was Er wil /
Und wil das was Er ist ohn alle maß und Ziehl.

1:41. GOtt weiß jhm selbst kein Ende.
GOTT ist unendlich Hoch / (Mensch glaube diß behände /
Er selbst findt Ewiglich nicht seiner GOttheit Ende.

1:42. Wie gründt sich GOtt?
GOtt gründt sich ohne grund / und mist sich ohne maß:
Bistu ein Geist mit ihm / Mensch so verstehstu das.

1:43. Man liebt auch ohn erkennen.
Jch Lieb ein eintzig Ding / und weiß nicht was es ist:
Und weil ich es nicht weiß / drumb hab ich es erkist.

1:44. Das etwas muß man lassen.
Mensch so du etwas liebst / so liebstu nichts fürwahr:
GOtt ist nicht diß und das / drumb laß das Etwas gar.

1:45. Das Vermögende Unvermögen.
Wer nichts begehrt / nichts hat / nichts weiß / nichts liebt / nichts wil;
Der hat / der weiß / begehrt / und liebt noch immer vil.

1:46. Das seelige Unding.
Jch bin ein seeligs Ding / mag ich ein Unding seyn /
Das allem was da ist / nicht kundt wird / noch gemein.

1:47. Die Zeit ist Ewigkeit.
Zeit ist wie Ewigkeit / und Ewigkeit wie Zeit /
So du nur selber nicht machst einen unterscheid.

1:48. GOttes Tempel und Altar.
GOtt opffert sich jhm selbst; Jch bin in jedem nu:
Sein Tempel / sein Altar / sein Bethstul so ich ruh.

1:49. Die Ruh ists höchste Gutt.
Ruh ist das höchste Gutt: und wäre GOtt nicht ruh /
Jch schliesse für Jhm selbst mein’ Augen beide zu.

1:50. Der Thron GOttes.
Fragstu mein Christ wo GOtt gesetzt hat seinen Thron?
Da / wo Er dich in dir gebiehret seinen Sohn.

1:51. Die Gleichheit GOttes.
Wer unbeweglich bleibt in Freud / in Leid / in Pein;
Der kan nunmehr nit weit von GOttes Gleichheit seyn.

1:52. Das Geistliche Senffkorn.
Ein Senffkorn ist mein Geist / durch scheint jhn seine Sonne /
So wächst er GOtte gleich mit freudenreicher Wonne.

1:53. Die Tugend sitzt in Ruh.
Mensch wo du Tugend wilst mit Arbeit und mit Müh /
So hastu sie noch nicht / du kriegest noch umb sie.

1:54. Die wesentliche Tugend.
Jch selbst muß Tugend seyn / und keinen Zufall wissen:
Wo Tugenden auß mir in Warheit sollen fliessen.

1:55. Der Brunquell ist in uns.
Du darffst zu GOtt nicht schreyn / der Brunnquell ist in dir:
Stopffstu den Außgang nicht / er flüsse für und für.

1:56. Das mißtraun schmähet GOtt.
So du auß Mißvertraun zu deinem GOtte flehest /
Und jhn nicht sorgen läst: schau daß du Jhn nicht schmähest.

1:57. Jn Schwachheit wird Gott funden.
Wer an den Füssen lahm / und am Gesicht ist blind /
Der thue sich dann umb / ob er GOtt jrgends find.

1:58. Der Eigen gesuch.
Mensch suchstu Gott umb Ruh / so ist dir noch nicht recht /
Du suchest dich / nicht Jhn? bist noch nicht Kind / nur Knecht.

1:59. Wie Gott wil sol man wollen.
Wär’ ich ein Seraphin / so wolt ich lieber seyn /
Dem Höchsten zugefalln / das schnödste Würmelein.

1:60. Leib / Seele / und Gottheit.
Die Seel ist ein Kristall / die GOttheit ist ihr schein:
Der Leib / in dem du Lebst / ist ihrer beider schreyn.

1:61. Jn dir muß GOtt gebohren werden.
Wird Christus tausendmahl zu Bethlehem gebohrn /
Und nicht in dir; du bleibst noch Ewiglich verlohrn.

1:62. Das äussre hilfft dich nicht.
Das Kreutz zu Golgatha kan dich nicht von dem bösen /
Wo es nicht auch in dir wird auffgericht / erlösen.

1:63. Steh selbst von Todten auff.
Jch sag / es hilfft dich nicht / daß Christus aufferstanden /
Wo du noch ligen bleibst in Sünd und todesbanden.

1:64. Die geistliche Säung.
GOtt ist ein Ackersmann / das Korn sein ewges Wort /
Die Pflugschar ist sein Geist / mein Hertz der säungsort.

1:65. Armut ist Göttlich.
GOtt ist das ärmste ding / Er steht gantz bloß und frey:
Drumb sag ich recht und wol / daß armut Göttlich sey.

1:66. Das Hertz ist GOttes Herd.
Wo GOtt ein Fewer ist / so ist mein Hertz der Herd /
Auf welchem Er das Holtz der Eittelkeit verzehrt.

1:67. Das Kind schreyt nach der Mutter.
Wie ein entmilchtes Kind nach seiner Mutter weint:
So schreyt die Seel nach GOtt / die Jhn alleine meint.

1:68. Ein Abgrund rufft dem andern.
Der Abgrund meines Geists rufft immer mit Geschrey
Den Abgrund GOttes an: Sag welcher tieffer sey?

1:69. Milch mit Wein stärcket fein.
Die Menschheit ist die Milch / die GOttheit ist der Wein:
Trink Milch mit Wein vermischt / wiltu gestärket seyn.

1:70. Die Liebe.
Die Lieb’ ist unser GOtt / es lebet alls durch Liebe:
Wie seelig wär’ ein Mensch der stäts in jhr verbliebe!

1:71. Man muß das Wesen seyn.
Lieb’ üben hat viel Müh: wir sollen nicht allein
Nur Lieben; sondern selbst / wie GOtt die Liebe seyn.

1:72. Wie sieht man GOtt?
GOtt wohnt in einem Licht / zu dem die bahn gebricht:
Wer es nicht selber wird / der siht jhn Ewig nicht.

1:73. Der Mensch war GOttes Leben.
Eh ich noch etwas ward / da war ich GOttes Leben: [Fußnote]
Drumb hat er auch für mich sich gantz und gar gegeben.

1:74. Man sol zum anfang kommen.
Der Geist den GOtt mir hat im Schöpffen eingehaucht /
Sol wider [Fußnote] Wesentlich in Jhm stehn eingetaucht.

1:75. Dein Abgott / dein begehren.
Begehrstu was mit GOtt / ich sage klar und frey /
(Wie Heylig du auch bist) daß es dein Abgott sey.

1:76. Nichts wollen macht GOtte gleich.
GOtt ist die Ewge Ruh / weil Er nichts sucht noch wil:
Wiltu ingleichem nichts / so bistu eben vil.

1:77. Die dinge sind geringe.
Wie klein ist doch der Mensch / der etwas groß thut schätzen/
Und sich nicht über sich in GOttes Thron einsetzen!

1:78. Das Geschöpff ist nur ein stüpffchin.
Schau alles was GOtt schuf / ist meinem Geist so klein /
Daß es jhm scheint in jhm ein eintzig Stüpfchen seyn.

1:79. GOtt trägt volkommne Früchte
Wer mir Vollkommenheit wie Gott hat ab-wil-sprechen /
Der müste mich zuvor von seinem Weinstok brechen.

1:80. Ein jedes in dem seinigen.
Der Vogel in der Lufft / der Stein ruht auff dem Land /
Jm Wasser lebt der Fisch / mein Geist in GOttes Hand.

1:81. Gott blüht auß seinen Zweigen
Bistu auß GOtt gebohrn / so blühet GOtt in dir:
Und seine GOttheit ist dein Safft und deine Zier.

1:82. Der Himmel ist in dir.
Halt an wo lauffstu hin / der Himmel ist in dir:
Suchstu GOtt anders wo / du fehlst Jhn für und für.

1:83. Wie kan man GOttes genissen.
GOtt ist ein Einges Ein / wer seiner wil geniessen /
Muß sich nicht weniger als Er / in Jhn einschlissen.

1:84. Wie wird man GOtte gleich?
Wer GOtt wil gleiche seyn / muß allem ungleich werden.
Muß ledig seiner selbst / und loß seyn von beschwerden.

1:85. Wie hört man GOttes Wort?
So du das Ewge Wort in dir wilt hören sprechen:
So mustu dich zuvor vom hören gantz entbrechen.

1:86. Jch bin so breit als GOtt.
Jch bin so breit alß GOtt / nichts ist in aller Welt /
Das mich (O Wunder ding!) in sich umbschlossenhält.

1:87. Jm Ekstein liegt der Schatz.
Was marterstu das ärtzt: der Ekstein ists allein /
Jn dem Gesundheit / Gold / und / alle Künste seyn.

1:88. Es ligt alls im Menschen.
Wie mag dich doch O Mensch nach etwas thun Verlangen /
Weil du in dir hälst GOtt und alle Ding’ umbfangen?

1:89. Die Seel ist GOtte gleich.
Weil meine Seel in GOtt steht ausser Zeit und Ort /
So muß sie gleiche seyn dem Ort und Ewgen Wort.

1:90. Die Gottheit ist das grüne.
Die GOttheit ist mein Safft: was auß mir grünt und blüht /
Das ist sein Heilger Geist / durch den der trib geschiht.

1:91. Man sol für alles danken.
Mensch so du GOtt noch pflegst umb diß und das zudanken /
Bistu noch nicht versetzt auß deiner schwachheit schranken.

1:92. Wer gantz Vergöttet ist.
Wer ist als wär’ er nicht / und wär’ er nie geworden:
Der ist (O seeligkeit!) zu lauter GOtte worden.

1:93. Jn sich hört man daß Wort.
Wer in sich selber sitzt / der höret GOttes Wort /
(Vernein es wie du wilt) auch ohne Zeit und Ort.

1:94. Die Demut.
Die Demut ist der Grund / der Dekkel / und der schreyn /
Jn dem die Tugenden stehn und beschlossen seyn.

1:95. Die Lauterkeit.
Wann ich die Lauterkeit durch GOtt geworden bin /
So wend’ ich mich umb GOtt zufinden nirgends hin.

1:96. GOtt mag nichts ohne mich.
GOtt mag nicht ohne mich ein eintzigs Würmlein machen:
Erhalt’ ichs nicht mit Jhm / so muß es straks zukrachen.

1:97. Mit GOtt vereinigt seyn / ist gut für Ewge Pein.
Wer GOtt vereinigt ist / den kan Er nicht verdammen:
Er stürtze sich dann selbst mit jhm in Tod und Flammen.

1:98. Der todte Wille herscht.
Dafern mein Will’ ist todt / so muß GOtt waß ich wil:
Jch schreib Jhm selber für das Muster und das Zil.

1:99. Der Gelassenheit gilts gleiche.
Jch lasse mich GOtt gantz / wil Er mir Leyden machen /
So wil ich Jhm so wol / als ob den Freuden lachen.

1:100. Eins halt das ander.
GOtt ist so vil an mir / als mir an Jhm gelegen /
Sein wesen helff ich Jhm / wie Er das meine hegen.

1:101. Christus.
Hört wunder! Christus ist das Lamb und auch der Hirt /
Wenn Gott in meiner Seel ein Mensch gebohren wird.

1:102. Die geistliche Goldmachung.
Dann wird das Bley zu Gold / dann fällt der Zufall hin /
Wann ich mit GOtt durch GOtt in GOtt verwandelt bin.

1:103. Auch von derselben.
Jch selbst bin das Metall / der Geist ist Feur und Herd /
Messias die Tinctur, die Leib und Seel verklärt.

1:104. Noch von jhr.
So bald durch Gottes Feur ich mag geschmeltzet seyn /
So drukt mir GOtt alßbald sein eigen Wesen ein.

1:105. Das Bildnuß Gottes.
Jch trage GOttesbild: wenn Er sich wil besehn /
So kan es nur in mir / und wer mir gleicht / geschehn.

1:106. Das ein’ ist in dem Andern.
Jch bin nicht ausser GOtt / und GOtt nicht ausser mir /
Jch bin sein Glantz und Liecht / und Er ist meine Zihr.

1:107. Es ist noch alls in GOtt.
Jsts / daß die Creatur auß GOtt ist außgeflossen:
wie hält Er sie dannoch in seiner Schoß beschlossen?

1:108. Die Rose.
Die Rose / welche hier dein äußres Auge siht /
Die hat von Ewigkeit in GOtt also geblüht. [Fußnote]

1:109. Die Geschöpffe.
Weil die Geschöpffe gar in GOttes Wort bestehn:
Wie können sie dann je zerwerden und vergehn?

1:110. Das Gesuche deß Geschöpffes.
Vom Ersten Anbegin / und noch biß heute zu /
Sucht das Geschöpffe nichts als seines Schöpffers Ruh.

1:111. Die GOttheit ist ein nichts.
Die zarte GOttheit ist ein nichts und übernichts:
Wer nichts in allem sicht / Mensch glaube / dieser sichts.

1:112. Jn der Sonnen ists gut seyn.
Wer in der Sonnen ist / dem mangelt nicht das Licht /
Das dem / der ausser jhr verirret geht / gebricht.

1:113. Die Seelen Sonne.
Nimb hin der Sonnen Liecht: mein Jesus ist die Sonne /
Die meine Seel erleucht / und macht sie voller Wonne.

1:114. Die Sonn ist schon genug.
Wem seine Sonne scheint / derselbe darf nicht güken /
Ob irgent wo der Mon / und andre Sterne bliken.

1:115. Du selbst must Sonne seyn.
Jch selbst muß Sonne seyn / ich muß mit meinen Strahlen
Das farbenlose Meer der gantzen GOttheit mahlen.

1:116. Der Thau.
Der Thau erquikt das Feld: Sol er mein Hertze laben /
So muß er seinen fall vom Hertzen JEsu haben.

1:117. Nichts süsses in der Welt.
Wer etwas in der Welt mag süß’ und Lieblich nennen:
Der muß die Süssigkeit / die GOtt ist / noch nicht kennen.

1:118. Der Geist bleibt allzeit frey.
Schleuß mich so streng du wilt in tausend Eisen ein /
Jch werde doch gantz frey / und ungefässelt seyn.

1:119. Zum Ursprung mustu gehn.
Mensch in dem Ursprung ist das Wasser rein und klar /
Trinkstu nicht auß dem Quäl / so stehstu in Gefahr.

1:120. Die Perle wird vom Thau.
Die Schneke lekt den Thau / und ich HERR CHrist dein Blut:
Jn beiden wird gebohrn ein kostbarliches Gut.

1:121. Durch die Menschheit zu der GOttheit.
Wiltu den Perlethau der edlen GOttheit fangen /
So mustu unverrukt an seiner Menschheit hangen.

1:122. Die Sinligkeit bringt Leyd.
Ein Auge das sich nie der Lust deß sehns entbricht:
Wird endlich gar Verblendt / und siht sich selbsten nicht.

1:123. GOtt klagt umb seine Braut.
Die Turtel Daube klagt / daß sie den Mann verlohren /
Und GOtt / daß du den Tod / für Jhn dir hast erkohren.

1:124. Du musts hinwider seyn.
Gott ist dir worden Mensch / wirstu nicht wieder Gott /
So schmähstu die Geburt / und hönest seinen Tod.

1:125. Die Gleichheit hat nicht Pein.
Wem alles Gleiche gilt / den rühret keine Pein /
Und solt’ er auch im Pful der tieffsten Höllen seyn.

1:126. Begehrn erwartt gewehrn.
Mensch wann du noch nach GOtt begihr hast und verlangen /
So bistu noch von Jhm nicht gantz und gar umfangen.

1:127. Es gilt GOtt alles gleich.
Gott hat nicht Unterscheid / es ist Jhm alles ein:
Er machet sich so viel der Flieg’ als dir gemein.

1:128. Alles liegt an der Empfänglichkeit.
Vermöcht’ ich GOtts so viel als Christus zu empfangen /
Er liesse mich darzu im Augenblik gelangen.

1:129. Das böß’ entsteht auß dir.
Gott ist ja nichts als gut: Verdamnüß / Tod / und Pein /
Und was man böse nennt / muß Mensch in dir nur seyn.

1:130. Die bloßheit ruht in Gott.
Wie seelig ruht der Geist in deß Geliebten schoß!
Der Gotts / und aller ding’ / und seiner selbst steht bloß.

1:131. Das Paradeyß in Pein.
Mensch bistu Gott getreu / und meinest Jhn allein:
So wird die gröste Noth ein Paradeiß dir seyn.

1:132. Bewehret muß man seyn.
Mensch in das Paradeyß komt man nicht unbewehrt /
Wiltu hinein / du must durch Feuer und durch Schwerdt.

1:133. Gott ist ein Ewges Nun.
Jst GOtt ein Ewges Nun / was fället dann darein /
Daß Er nicht schon in mir kan alls in allem seyn?

1:134. Unvollkomne gestorbenheit.
Wo dich noch diß und das bekümmert und bewegt /
So bistu noch nicht gantz mit GOtt ins Grab gelegt.

1:135. Bey Gott ist nur sein Sohn.
Mensch werd’ auß Gott gebohrn: bey seiner GOttheit Thron /
Steht niemand anders als der eingebohrne Sohn.

1:136. Wie ruhet GOtt in mir?
Du must gantz lauter seyn / und stehn in einem Nun /
Sol GOtt in dir sich schaun / und sänfftiglichen ruhn.

1:137. GOtt verdammt niemand.
Was klagstu über GOtt? Du selbst verdammst dich:
Er möcht’ es ja nicht thun / das glaube sicherlich.

1:138. Je mehr du auß / je mehr GOtt ein.
Je mehr du dich auß dir kanst außthun und entgiessen:
Je mehr muß GOtt in dich mit seiner GOttheit fliessen.

1:139. Es trägt und wirt getragen.
Das Wort / das dich und mich / und alle dinge trägt /
Wird widerumb von mir getragen und gehagt.

1:140. Der Mensch ist alle Dinge.
Der Mensch ist alle ding’: Jsts daß ihm eins gebricht /
So kennet er fürwar sein Reichthumb selber nicht.

1:141. Es sind viel tausend Sonnen.
Du sprichst im Firmament sey eine Sonn’ allein.
Jch aber sage / daß vil tausend Sonnen seyn.

1:142. Je mehr man sich ergiebt / je mehr wird man geliebt.
Warumb wird Seraphin von GOtte mehr geliebt
Als eine Mük? Es ist / daß er sich mehr ergiebt.

1:143. Die Selbheit die verdambt.
Dafern der Teufel könt’ auß seiner seinheit gehn /
So sehestu jhn straks in GOttes Throne stehn.

1:144. Der Schöpffer kans alleine.
Was bildestu dir ein zu zehln der Sternenschaar?
Der schöpffer ists allein / der sie kan zehlen gar.

1:145. Jn dir ist was du wilt.
Der Himmel ist in dir / und auch der Höllen Qual:
Was du erkiest und wilst / das hastu überall.

1:146. GOtt liebt nichts ausser Christo.
So lieb GOtt eine Seel in Christi glantz und Licht.
So unlieb ist sie Jhm / im fall’ er jhr gebricht.

1:147. Die Jungfern Erde.
Das feinest’ auff der Welt ist reine Jungfern Erde:
Man saget daß auß jhr das Kind der weisen werde.

1:148. Das gleichnüß der Dreyeinigkeit.
Der Sinn / der Geist / das Wort / die lehren klar und frey
(So du es fassen kanst) wie GOtt Drey Einig sey.

1:149. Es läst sich nicht bezirken.
So wenig als dir ist die Weite GOttes kund:
So wenig ist die Welt / wie du sprichst Zirkelrund.

1:150. Eins in dem Andern.
Jst meine Seel im Leib / und gleich durch alle Glieder:
So sag ich recht und wol / der Leib ist in jhr wieder.

1:151. Der Mensch ist GOttes kindbett.
Da GOtt das erstemahl hat seinen Sohn gebohrn /
Da hat er mich und dich zum Kindbett außerkohrn.

1:152. Du selbst must GOttes Lämlein seyn.
Daß GOtt ein Lämmlein ist / das hilfft dich nicht mein Christ:
Wo du nicht selber auch ein Lämmlein GOttes bist.

1:153. Du must zum Kinde werden.
Mensch wirstu nicht ein kind / so gehstu nimmer ein /
Wo GOttes Kinder seynd: die Thür ist gar zu klein.

1:154. Die geheime Jungfrauschafft.
Wer lauter wie das Licht / Rein wie der Ursprung ist /
Derselbe wird von GOtt für Jungfrau außerkist.

1:155. Hier muß der Anfang seyn.
Mensch wiltu ewiglich beym Lämlein GOttes stehn /
So mustu schon allhier in seinen tritten gehn.

1:156. GOtt selbst ist unßre Weide.
Schaut doch das Wunder an! Gott macht sich so gemein /
Daß Er auch selber wil der Lämmer Weide seyn.

1:157. Die Wunderliche verwandnuß Gottes.
Sag an O grosser GOtt / wie bin ich dir verwandt?
Daß du mich Mutter / Braut / Gemahl / und Kind genandt.

1:158. Wer trinkt den Lebensbrunn?
Wer dorte bey dem Brunn deß Lebens denkt zusitzen:
Der muß zuvor allhier den eignen Durst außschwitzen.

1:159. Die ledigkeit ist wie GOtt.
Mensch wo du ledig bist / das Wasser quillt auß dir /
So wol als auß dem Brunn der Ewigkeit herfür.

1:160. Gott dürstet / tränk Jhn doch.
GOtt selber klaget durst: Ach daß du Jhn so Kränkest!
Und nicht wie jenes Weib die Samaritin Tränkest.

1:161. Das Ewge Licht.
Jch bin ein Ewig Licht / Jch brenn ohn unterlaß:
Mein tocht und öl ist Gott / Mein Geist der ist das Faß.

1:162. Du must die Kindschafft haben.
So du den höchsten Gott wilt deinen Vatter nennen /
So mustu dich zuvor sein Kind zu seyn / bekennen.

1:163. Die Menschheit sol man lieben.
Daß du nicht Menschen liebst / das thustu recht und wol /
Die Menschheit ists die man im Menschen lieben sol.

1:164. GOtt schaut man mit Gelassenheit.
Der Engel schauet GOtt mit heitern Augen an:
Jch aber noch vil mehr / so ich GOtt lassen kan.

1:165. Wo die Weißheit gerne ist.
Die Weißheit findt sich gern wo jhre Kinder sind /
Warumb? (O wunder ding!) sie selber ist ein Kind.

1:166. Der Spiegel der Weißheit.
Die Weißheit schauet sich in jhrem Spiegel an.
Wer ists? sie selber / und wer Weißheit werden kan.

1:167. So viel du in GOtt / so viel Er in dir.
So viel die Seel in GOtt / so viel ruht GOtt in ihr:
Nichts minder oder mehr / Mensch glaub es / wird er dir.

1:168. Christus ist alles.
O Wunder! Christus ist die Warheit und das Wort /
Licht / Leben / Speiß / und Tranck / Pfad / Pilgram / Thür und Ort.

1:169. Nichts verlangen ist Seeligkeit.
Die Heilgen sind darumb mit GOttes ruh umbfangen /
Und haben Seeligkeit / weil sie nach nichts verlangen.

1:170. GOtt ist nicht hoch noch tieff.
GOtt ist nicht hoch / nicht tieff: wer endlich anderst spricht /
Der hat der Wahrheit noch gar schlechten Unterricht.

1:171. GOtt findet man mit nicht-suchen.
GOtt ist nicht hier noch da: wer jhn begehrt zufinden
Der laß’ jhm Händ’ und Füß’ / und Leib und Seele binden.

1:172. GOtt siehet ehe du gedenkst.
Wo GOtt von Ewigkeit nicht sihet die Gedanken /
So bistu eh’ als Er: Er stüpffchen / und du schranken.

1:173. Der Mensch lebt nicht vom Brodt allein.
Das Brodt ernährt dich nicht: was dich im Brodte speist /
Jst GOttes Ewigs Wort / ist Leben / und ist Geist.

1:174. Die gaben sind nicht GOtt.
Wer GOtt umb gaben Bitt / der ist gar übel dran:
Er bettet das Geschöpff / und nicht den Schöpffer an.

1:175. Sohn seyn ist schon genung.
Sohn ist das liebste Wort / das Gott zu mir mag sprechen.
Spricht Ers: so mag mir Welt und GOtt auch selbst gebrechen.

1:176. Eins wie das ander.
Die Höll wird Himmelreich / noch hier auf diser Erden /
(Und diß scheint wunderlich) wann Himmel Höll kan werden.

1:177. Jm Grund ist alles eins.
Man redt von Zeit und Ort / von Nun und Ewigkeit:
Was ist dann Zeit und Ort / und Nun und Ewigkeit?

1:178. Die Schuld ist deine.
Daß dir im Sonne sehn vergehet das Gesicht /
Sind deine Augen schuld / und nicht das grosse Licht.

1:179. Der Brunquell GOttes.
Dieweil der Gottheit Ström’ auß mir sich solln ergiessen;
Muß ich ein Brunquell seyn: sonst würden sie verfliessen.

1:180. Ein Christ ist Kirch’ und alles.
Was bin ich endlich doch? Jch sol die Kirch’ und Stein /
Jch sol der Prister GOtts und auch das Opffer seyn.

1:181. Man muß Gewalt anthun.
Wer sich nicht drängt zu seyn deß höchsten liebes Kind /
Der bleibet in dem Stall wo Vieh und Knechte sind.

1:182. Der Löhner ist nicht Sohn.
Mensch dienstu Gott umb gutt / umb seeligkeit / umb Lohn;
So dienstu jhm noch nicht auß liebe wie ein Sohn.

1:183. Die geheimbe Vermählung.
Was Freude muß doch seyn! wenn GOtt Jhm seine Braut /
Jn seinem Ewgen Wort durch seinen Geist vertraut.

1:184. GOtt ist mir was ich wil.
GOtt ist mein Stab / mein Licht / mein Pfad / mein Zil / mein Spiel /
Mein Vatter / Bruder / Kind / und alles was ich wil.

1:185. Der Orth ist selbst in dir.
Nicht du bist in dem Orth / der Orth der ist in dir!
Wirfstu jhn auß / so steht die Ewigkeit schon hier.

1:186. Der ewigen Weißheit Hauß.
Die Ewge Weißheit baut: Jch werde der Pallast:
Wann sie in mir / und ich in jhr gefunden rast.

1:187. Die weite der Seelen.
Die Welt ist mir zu äng / der Himmel ist zu klein:
Wo wird doch noch ein Raum für meine Seele seyn?

1:188. Die Zeit und Ewigkeit.
Du sprichst: Versetze dich auß Zeit in Ewigkeit.
Jst dann an Ewigkeit und Zeit ein unterscheid?

1:189. Der Mensch der macht die Zeit.
Du selber machst die Zeit: das Uhrwerk sind die sinnen:
Hemstu die Unruh nur / so ist die Zeit von hinnen.

1:190. Die Gleichheit.
Jch weiß nicht was ich sol! Es ist mir alles Ein /
Orth / Unorth / Ewigkeit / Zeit / Nacht / Tag / Freud / und Pein.

1:191. Wer GOtt sol schaun / muß alles seyn.
Wer selbst nicht alles ist / der ist noch zugeringe /
Daß er dich sehen sol Mein GOtt und alle Dinge.

1:192. Wer recht Vergöttet ist.
Mensch allererst wenn du bist alle Dinge worden /
So stehstu in dem Wort / und in der Götter Orden.

1:193. Die Creatur ist recht in GOtt.
Die Creatur ist mehr in GOtte dann in Jhr.
Zerwird sie / bleibt sie doch in Jhme für und für.

1:194. Was bistu gegen GOtt.
Mensch dünke dich nur nicht für GOtt mit werken viel /
Denn Aller Heilgen thun ist gegen GOtt ein spil.

1:195. Das Licht besteht im Feuer.
Das Licht gibt allem krafft: GOtt selber lebt im Lichte:
Doch / wär’ Er nicht das Feur / so würd es bald zu nichte.

1:196. Die geistliche Arch und’s Manna-Krüglein
Mensch ist dein Hertze Gold / und deine Seele rein /
So kanst auch du die Arch / und’s Mannakrüglein seyn.

1:197. GOtt macht Vollkommen seyn.
Daß GOtt Allmächtig sey / das glaubet jener nicht /
Der mir Vollkommenheit / wie GOtt begehrt / abspricht.

1:198. Das Wort ist wie das Feuer.
Das Feur rügt alle Ding’ und wird doch nicht bewegt:
So ist das ewge Wort das alles hebt und regt.

1:199. GOtt ausser Creatur.
Geh hin / wo du nicht kanst: sih / wo du sihest nicht:
Hör wo nichts schallt und klingt / so bistu wo Gott spricht.

1:200. GOtt ist nichts (Creatürlichs).
GOtt ist warhafftig nichts: und so er etwas ist:
So ist Ers nur in mir / wie er mich Jhm erkist.

1:201. Warumb wird GOtt gebohrn?
O Unbegreifflichkeit! GOtt hat sich selbst verlohrn /
Drumb wil er widerumb in mir seyn Neugebohrn.

1:202. Die hohe Würdigkeit.
O hohe Würdigung! GOtt springt von seinem Thron /
Und setzet mich darauf in seinem lieben Sohn.

1:203. Jmmer dasselbige.
Jch ward das was ich war / und bin was ich gewesen /
Und werd’ es ewig seyn / wenn Leib und Seel genesen.

1:204. Der Mensch ists höchste Ding.
Nichts dünkt mich hoch zu seyn: Jch bin das höchste Ding /
Weil auch GOtt ohne mich Jhm selber ist gering.

1:205. Der Ort ist das Wort.
Der ort und’s Wort ist Eins / und wäre nicht der ort /
(Bey Ewger Ewigkeit!) es wäre nicht das Wort.

1:206. Wie heist der Neue Mensch?
Wiltu den Neuen Mensch und seinen Namen kennen /
So frage GOtt zuvor wie er pflegt sich zunennen.

1:207. Die schönste Gasterey.
O süsse Gasterey! GOtt selber wird der Wein /
Die Speise / Tisch / Musik / und der bediener seyn!

1:208. Die seelige Völlerey.
Zu viel ist niemals gutt / ich hasse Völlerey!
Doch wünsch’ ich daß ich GOtts so Voll als Jesus sey!

1:209. Wie der Mund so der Trank.
Die Hure Babylon trinkt Blutt / und trinkt den Tod:
O grosser unterscheid! Jch trinke Blutt und GOtt.

1:210. Je auffgegebner je Göttlicher.
Die Heilgen sind so viel von Gottes Gottheit trunken /
So viel sie sind in jhm verlohren und versunken.

1:211. Das Himmelreich ist der Gewaltsamen.
Nicht GOtt gibts Himmelreich: du selbst musts zu dir ziehn /
Und dich mit gantzer macht und Eyfer drumb bemühn.

1:212. Jch wie GOtt / GOtt wie ich.
GOtt ist das was Er ist: Jch was ich durch ihn bin:
Doch kennstu einen wol / so kenstu mich und Jhn.

1:213. Die Sünde.
Der durst ist nicht ein Ding / und doch kan er dich plagen:
Wie sol dann nicht die Sünd den bösen Ewig Nagen?

1:214. Die Sanfftmuth.
Die Sanfftmut ist ein sammt auf dem GOtt ruht und liegt:
Er dankt dir / bistu sie / daß er sein Polster kriegt.

1:215. Die Gerechtigkeit.
Was ist Gerechtigkeit? das / welches allen gleich
Sich gibt / entbeutht / geläst / hier und im Himmelreich.

1:216. Die Vergöttung.
GOtt ist mein Geist / mein Blutt / mein Fleisch / und mein Gebein:
Wie sol ich dann mit jhm nicht gantz durchgöttet seyn?

1:217. Würken und Ruhn ist recht Göttlich.
Fragstu was Gott mehr liebt / jhm würken oder ruhn?
Jch sage daß der Mensch / wie GOtt / sol beides thun.

1:218. Das Göttliche Sehen.
Wer in dem Nächsten nichts als Gott und Christum siht:
Der sihet mit dem Licht das auß der Gottheit blüht.

1:219. Die Einfalt.
Die Einfalt ist so wehrt / daß wann sie GOtt gebricht /
So ist er weder GOtt noch Weißheit / noch ein Licht.

1:220. Jch auch zur rechten GOttes.
Weil mein Erlöser hat die Menschheit aufgenommen /
So bin auch Jch in Jhm zur rechten GOttes kommen.

1:221. Der Glaube.
Der Glaube Senffkorns groß versetzt den Berg ins Meer:
Dänkt was Er könte thun / wann er ein kürbis wär!

1:222. Die Hoffnung.
Die Hoffnung ist ein Seil: könt’ ein Verdambter hoffen:
GOtt züg jhn auß dem Pful in dem er ist ersoffen.

1:223. Die Zuversicht.
Die Zuversicht ist gut / und das Vertrauen fein:
Doch / bistu nicht gerecht / so bringt es dich in Pein.

1:224. Was GOtt mir / bin ich Jhm.
GOtt ist mir GOtt und Mensch: ich bin Jhm Mensch und GOtt.
Jch lösche seinen Durst / und er hilfft mir auß Noth.

1:225. Der Anti-Christ.
Was gaffstu vil mein Mensch? der Anti-Christ unds Thier
(Jm Fall du nicht in GOtt) sind alle zwey in dir.

1:226. Die Babel.
Du bist die Babel selbst: gehst du nicht auß dir auß /
So bleibstu ewiglich deß Teuffels Polter-Hauß.

1:227. Die Rachgiehr.
Die Rachgiehr ist ein Rad das nimmer stille steht:
Je mehr es aber laufft / je mehr es sich vergeht.

1:228. Die Abscheuligkeit der Boßheit.
Mensch soltestu in dir das Ungeziefer schauen /
Es würde dir für dir als für dem Teufel grauen.

1:229. Der Zorn.
Der Zorn ist höllisch Feur / wann er in dir entbrennt /
So wird dem heilgen Geist sein Ruhbettlein geschändt.

1:230. Die seeligkeit ist leichter zuerlangen als die Verdamnüß.
Es dunkt mich leichter seyn in Himmel sich zuschwingen;
Als mit der Sünden müh in Abgrund ein zu dringen.

1:231. Der Weltliebende Reiche.
Christ wenn ein Schiffseil wird durchs Nadelöhr gezogen /
So sprich / der Reiche sey ins Himmelreich geflogen.

1:232. HErr dein Wille geschehe.
Das Wort das GOtt von dir am allerliebsten hört /
Jst wann du hertzlich sprichst: Sein Wille sey geehrt.

1:233. GOttes Nachgeklinge.
Mein Lieb und alle Ding’ ist GOttes nachgeklinge /
Wann Er mich höret schreyn / Mein GOtt und alle Dinge.

1:234. GOtt umb GOtt.
Herr liebstu meine Seel / so laß sie dich umbfassen:
Sie wird dich nimmermehr umb tausend GOtte lassen.

1:235. Alles mit GOtt.
Jch bethe GOtt mit GOtt auß Jhm / und in Jhm an:
Er ist mein Geist / mein Wort / mein Psalm / und was ich kan.

1:236. Der Geist vertrit uns.
GOtt liebt und lobt sich selbst / so viel er immer kan:
Er kniet und neiget sich / Er betht sich selber an.

1:237. Jm jnnern bethet man recht.
Mensch so du wissen wilt was redlich bethen heist:
So geh in dich hinein / und frage GOttes Geist.

1:238. Das Wesentliche Gebethe.
Wer lauters Hertzens lebt / und geht auff Christi Bahn /
Der bethet wesentlich GOtt in sich selber an.

1:239. GOtt lobt man in der stille.
Meinstu O armer Mensch / daß deines Munds geschrey
Der rechte Lobgesang der stillen GOttheit sey?

1:240. Das stillschweigende Gebeth.
GOtt ist so überalls daß man nichts sprechen kan:
Drumb bettestu Jhn auch mit schweigen besser an.

1:241. GOttes Leibgedinge.
Mein Leib (O Herligkeit!) ist GOttes Leib-gedinge /
Drumb schätzt er Jhn darinn zuwohnen nicht geringe.

1:242. Die Thür muß offen seyn.
Eröffene die Thür / so komt der heilge Geist /
Der Vater / und der Sohn / Dreyeinig eingereist.

1:243. Das Wohnhauß GOttes.
Christ / so du JEsum liebst und seine Sanfftmutt hast /
So findet GOtt in dir sein Wohnhauß / Ruh / und rast.

1:244. Die Liebe ist der weisen Stein.
Lieb’ ist der weisen Stein: sie scheidet Gold auß koth /
Sie machet nichts zu jchts / und wandelt mich in GOtt.

1:245. Es muß vereinigt werden.
Jm fall die Liebe dich versetzen sol auß Peyn /
Muß deine Menschheit vor mit GOttes Eines seyn.

1:246. Die Tingierung.
Der heilge Geist der schmeltzt / der Vater der verzehrt /
Der Sohn ist die Tinctur, die Gold macht und verklärt.

1:247. Das alte ist hinweg.
So wenig du das Gold kanst schwartz und Eisen nennen:
So wenig wirstu dort den Mensch am Menschen kennen.

1:248. Die genaue Vereinigung.
Schau doch wie hoch Vereint die Goldheit mit dem Bley /
Und der Vergöttete mit Gottes wesen sey!

1:249. Die Goldheit und GOttheit.
Die Goldheit machet Gold / die Gottheit machet GOtt:
Wirstu nicht eins mit ihr / so bleibstu Bley und Koth.

1:250. Wie die Goldheit also die Gottheit.
Schau wie die Goldheit ist deß Golds fluß / schwer’ und schein:
So wird die Gottheit auch im seelgen alles seyn.

1:251. Das liebste Kind GOttes.
Sag wie ich möge seyn deß Vaters liebstes Kind?
Wann Er sich selbst und alls / und Gottheit in dir findt.

1:252. Die Göttliche Kindtschafft.
Jst GOttes GOttheit mir nicht jnniglich gemein /
Wie kan ich dann sein Kind / und Er mein Vater seyn?

1:253. Der Kinder ists Himmelreich.
Christ so du kanst ein Kind von gantzem Hertzen werden /
So ist das Himmelreich schon deine hier auf Erden.

1:254. Die Kindheit und GOttheit.
Weil sich die GOttheit hat in Kindheit mir erzeigt /
Bin ich der Kindheit und der Gottheit gleich geneigt.

1:255. Kind und GOtt.
Kind oder GOtt gilt gleich: hastu mich Kind genennt /
So hastu GOtt in mir / und mich in GOtt bekennt.

1:256. Die widergiltliche Kind- und Vatterschafft.
Jch bin GOtts Kind und Sohn / Er wider ist mein Kind:
Wie gehet es doch zu daß beide beides sind!

1:257. Die Dreyeinigkeit in der Natur.
Daß GOtt Dreyeinig ist / zeigt dir ein jedes Kraut /
Da Schwefel / Saltz / Mercur / in einem wird geschaut.

1:258. Das Tingiren.
Betrachte das Tingirn / so sihstu schön und frey /
Wie dein’ Erlösung / und wie die Vergöttung sey.

1:259. Die GOttheit und Menschheit.
Die Ewge GOttheit ist der Menschheit so verpflicht!
Daß Jhr auch ohne sie Hertz / Muth und Sinn gebricht.

1:260. Heut ist der Tag des Heyls.
Braut auf der Bräutgam komt! Man geht nicht mit jhm ein /
Wo man deß Augenbliks nicht kan bereitet seyn.

1:261. Die Hochzeit deß Lammes.
Die Mahlzeit ist bereitt / das Lamm zeigt seine Wunden:
Weh dir / hastu noch nicht GOtt deinen Bräutgam funden.

1:262. Das Hochzeitliche Kleid.
Das Hochzeitkleid ist GOtt und seines Geistes liebe:
Zeuchs an / so weicht von dir was deinen Geist macht trübe.

1:263. GOtt forscht sich niemals auß.
Die Ewge GOttheit ist so reich an Rath und That /
Daß sie sich selbst noch nie gantz außgeforschet hat.

1:264. Die Creaturen sind GOttes Widerhall.
Nichts weset ohne Stimm: Gott höret überall /
Jn allen Creaturn / sein Lob und Widerhall.

1:265. Die Einigkeit.
Ach daß wir Menschen nicht wie die Waldvögelein /
Ein jeder seinen thon mit lust zusammen schreyn!

1:266. Dem Spötter tauget nichts.
Jch weiß die Nachtigal strafft nicht des GukGuks thon:
Du aber / sing ich nicht wie du / sprichst meinem Hohn.

1:267. Ein ding behagt nicht immer.
Freund / solln wir allesambt / nur jmmer Eines schreyn /
Was wird diß für ein Lied / und für Gesinge seyn?

1:268. Veränderung steht fein.
Je mehr man Unterscheid der Stimmen vor kan bringen:
Je wunderbahrlicher pflegt auch das Lied zuklingen.

1:269. Bey GOtt ist alles gleiche.
Gott giebet so genau auf das koaxen acht /
Als auf das direlirn / das ihm die Lerche macht.

1:270. Die Stimme GOttes.
Die Creaturen sind deß Ewgen Wortes Stimme:
Es singt und klingt sich selbst in Anmuth und im Grimme.

1:271. An GOtt ist nichts Creatürlichs.
Liebstu noch was an Gott / so sprichstu gleich dabey /
Daß Gott dir noch nicht Gott und alle dinge sey.

1:272. Der Mensch ist Gottes gleichnüß.
Was Gott in Ewigkeit begehrn und wünschen kan /
Das schauet Er in mir als seinem gleichnüß an.

1:273. Steig über die Heiligkeit.
Die Heiligkeit ist gutt: wer drüber kommen kan /
Der ist mit Gott und Mensch am allerbesten dran.

1:274. Der Zufall muß hinweg.
Der Zufall muß hinweg / und aller falscher schein:
Du must gantz wesentlich und Ungefärbet seyn.

1:275. Der Mensch bringt alles in GOtt.
Mensch alles liebet dich; umb dich ists sehr gedrange:
Es lauffet alls zu dir / daß es zu Gott gelange.

1:276. Eins des andern Anfang und Ende.
Gott ist mein letztes End: Wenn ich sein Anfang bin /
So weset er auß mir / und ich vergeh in Jhn.

1:277. Das Ende GOttes.
Daß Gott kein ende hat / gesteh ich dir nicht zu:
Denn schau / Er sucht ja mich / daß er in mir beruh.

1:278. GOttes ander-Er.
Jch bin Gotts ander-Er / in mir findt Er allein
Was Jhm in Ewigkeit wird gleich und ähnlich seyn.

1:279. Die Jchheit schaffet nichts.
Mit Jchheit suchestu bald die bald jene sachen:
Ach lissest du’s doch Gott nach seinem willen machen!

1:280. Der wahre weisen Stein.
Dein stein Chymist ist nichts: der Ekstein den ich mein /
Jst meine Gold Tinctur, und aller weisen Stein.

1:281. GOttes Gebotte sind nicht schwer.
Mensch lebestu in Gott / und stirbest deinem willen /
So ist dir nichts so leicht / als sein Gebott erfüllen.

1:282. Jn GOtt der beste Stand.
Was hilfft michs daß den Herrn die Morgensterne Loben /
So ich nicht über sie in Jhn bin aufgehoben.

1:283. GOtt ist über Heilig.
Schreyt hin Jhr Seraphin / das was man von euch list:
Jch weiß daß Gott mein Gott noch mehr als Heilig ist.

1:284. Uber alle erkändtnüß sol man kommen.
Was Cherubin erkennt / das mag mir nicht genügen /
Jch wil noch über Jhn / wo nichts erkandt wird / fliegen.

1:285. Das erkennende muß das erkannte werden.
Jn GOtt wird nichts erkandt: Er ist ein Einig Ein.
Was man in Jhm erkennt / das muß man selber seyn.

1:286. Jmmer weiter.
Maria ist hochwehrt: doch kan ich höher kommen /
Als sie und alle Schaar der Heiligen geklommen. [Fußnote]

1:287. Die Schönheit.
Die Schönheit ist ein Licht: je mehr dir Licht gebrist /
Je greulicher du auch an Leib und Seele bist.

1:288. Die gelassene Schönheit.
Jhr Menschen lernet doch vonn Wisenblümelein /
Wie jhr könt Gott gefalln / und gleichwol schöne seyn. [Fußnote]

1:289. Ohne warumb.
Die Ros’ ist ohn warumb / sie blühet weil sie blühet /
Sie achtt nicht jhrer selbst / fragt nicht ob man sie sihet.

1:290. Laß GOtt sorgen.
Wer schmückt die Lilien? Wer speiset die Narcissen?
Was bist dann du mein Christ auf dich so sehr beflissen?

1:291. Der Gerechte.
Daß der gerechte Mensch wächst wie ein Palmenbaum
Verwundet ich mich nicht; nur daß er noch findt raum!

1:292. Der Seeligen Lohn.
Was ist der Seelgen Lohn? Was wird mir nach dem Streit?
Es ist die Lilie der lautern Göttligkeit.

1:293. Wenn man Vergöttet ist.
Mensch / wann dich weder Lieb berührt / noch Leid verletzt /
So bistu recht in GOtt / und GOtt in dich versetzt

1:294. GOtt ist ohne Willen.
Wir bethen es gescheh mein Herr und Gott dein wille:
Und sih / Er hat nicht will’: Er ist ein Ewge stille.
[Fußnote]

1:295. Es mus in dir vor seyn.
Mensch wird das Paradiß in dir nicht erstlich seyn /
So glaube mir gewiß / du kommest nimmer drein.

1:296. Die Nächsten GOttes gespielen.
Gott’ ist nicht alles nah: die Jungfraw und das Kind /
Die zwey die sinds allein die Gottsgespielen sind.

1:297. Nicht Nakt und doch unbekleidt.
Nakt darf ich nicht für Gott; und muß doch unbekleidt
Jns Himmelreich eingehn / weil es nichts fremdes leidt.

1:298. Das Himmelreich ist innwendig in uns.
Christ mein wo lauffstu hin? der Himmel ist in dir.
Was suchstu jhn dann erst bey eines andern Thür?

1:299. Mit schweigen höret man.
Das Wort schallt mehr in dir / als in deß andern Munde:
So du jhm schweigen kanst / so hörstu es zur Stunde.

1:300. Trink auß deinem eignen Bronnen.
Wie thöricht thut der Mann der auß der Pfütze trinkt /
Und die Fonteine läst / die Jhm im Hauß entspringt.

1:301. Die Kinder GOttes.
Weil Gotteskinder nicht das eigne Lauffen lieben /
So werden sie von jhm und seinem Geist getrieben.

1:302. Stehn ist zurükke gehn.
Wer in den Wegen GOtts gedächte still zustehn /
Der werde hintersich und ins Verderben gehn.

Andertes Buch
Geistreicher Sinn- und Schluß-reimen.

2:1. Die Lieb ist aber Furcht.
GOtt fürchten ist sehr gutt: doch ist es besser lieben:
Noch besser über lieb’ in Jhn seyn aufgetrieben.

2:2. Die Lieb’ ist ein Magnet.
Die Lieb ist ein Magnet / sie ziehet mich in GOtt:
Unnd was noch grösser ist / sie reisset GOtt inn Tod.

2:3. Mensch in GOtt / GOtt im Menschen.
Wenn ich bin Gottes Sohn / wer es dann sehen kan /
Der schauet Mensch in GOtt und Gott im Menschen an.

2:4. Das Ewge Ja und Nein.
GOtt spricht nur jmmer Ja; [Fußnote] der Teufel saget nein:
Drumb kan er auch mit GOtt nicht Ja und eines seyn.

2:5. Das Licht ist nicht GOtt selbst.
Licht ist deß HErren Kleid: gebricht dir gleich das Licht /
So wisse daß dir doch GOtt noch nicht selbst gebricht.

2:6. Nichts ist der beste Trost.
Nichts ist der beste Trost: Entzeucht GOtt seinen Schein /
So muß das blosse Nichts dein Trost im Untrost seyn.

2:7. Das wahre Licht.
GOtt ist das wahre Licht / du hast sonst nichts als glast /
Jm falle du nicht Jhn das Licht der Lichter hast.

2:8. Mit Schweigen lernet man.
Schweig allerliebster schweig: kanstu nur gäntzlich schweigen:
So wird dir Gott mehr guts / als du begehrst / erzeigen.

2:9. Das Weib auf dem Monden in Apoc.
Was sinnestu so tieff? das Weib im Sonneschein
Das auf dem Monden steht / muß deine Seele seyn.

2:10. Die Braut ist doch das liebste.
Sag was du wilt / die Braut ist doch das liebste kind /
Das man in GOttes schoß und seinen armen findt.

2:11. Die beste Sicherheit.
Schlaf meine Seele schlaf: Dann in deß Liebsten Wunden
Hastu die sicherheit und volle Ruh gefunden.

2:12. Die Jungfrauschafft.
Was ist die Jungfrauschafft? frag was die Gottheit sey:
Doch kenstu Lauterkeit / so kennstu alle zwey.

2:13. Die GOttheit und Jungfrauschafft.
Die GOttheit ist so nah der Jungfrauschafft verwandt /
Daß sie auch ohne die nicht GOttheit wird erkandt.

2:14. Wer eins nur liebt ist Braut.
Die Seele / die nichts weiß / nichts wil / nichts liebt / danns Ein /
Muß heute noch die Braut deß Ewgen Bräutgams seyn.

2:15. Die geheime Armutt.
Wer ist ein armer Mensch? der ohne Hülff und Rath
Noch Creatur / noch GOtt / noch Leib / noch Seele hat.

2:16. Wie weit GOttes Sitz seyn muß.
Mensch bistu nicht so weit als GOttes GOttheit ist /
So wirstu nimmermehr zu seinem Sitz erkiest.

2:17. GOtt wäigert sich niemand.
Nimm / Trink / soviel du wilt und kanst / es steht dir frey:
Die gantze GOttheit selbst ist deine Gasterey.

2:18. Die Weißheit Salomons.
Wie? schätzstu Salomon den weisesten Allein?
Du auch kanst Salomon und seine Weißheit seyn.

2:19. Das höchste ist Stille seyn.
Geschäfftig seyn ist gutt; Viel besser aber Bethen:
Noch besser Stumm und still für Gott den Herren trethen.

2:20. Das Lebens Buch.
GOtt ist deß Lebens Buch / ich steh in ihm geschrieben
Mit seines Lammes Blutt: wie solt er mich nicht lieben?

2:21. Du solt das Höchste seyn.
Die Welt ist Eitel nichts / die Engel sind gemein:
Drumb soll ich Gott und Mensch in Christo Jesu seyn.

2:22. Erheb dich über dich.
Der Mensch der seinen Geist nicht über sich erhebt /
Der ist nicht wehrt daß er im Menschenstande lebt.

2:23. Jn Christo komt man hoch.
Weil mein Erlöser hat die Engel überstiegen:
So kan (wo ich nur wil) auch ich sie überfliegen.

2:24. Jm Mittelpunct sicht man alles.
Wer jhm den Mittelpunct zum wohnhauß hat erkiest /
Der siht mit einem Blik was in dem Umbschweif ist.

2:25. Dein’ Unruh machstu selbst.
Noch Creatur noch GOtt kan dich in Unruh bringen /
Du selbst Verunruhst dich (O Thorheit!) mit den Dingen.

2:26. Die Freyheit.
Du edle Freyheit du / wer sich nicht dir ergiebt /
Der weiß nicht / was ein Mensch / der Freyheit liebet / liebt.

2:27. Auch von jhr.
Wer Freyheit liebt / liebt Gott: wer sich in Gott versenkt /
Und alles von sich stöst / der ists / dem GOtt sie schenkt.

2:28. Die Gleichheit.
Die Gleichheit ist ein Schatz: hastu sie in der Zeit /
So hastu Himmelreich und Volle Seeligkeit.

2:29. Tod und GOtt.
Tod ist der Sünden Sold; Gott ist der Tugend Lohn:
Erwürbstu diesen nicht / so trägstu den darvon.

2:30. Zufall und Wesen.
Mensch werde wesentlich: denn wann die Welt vergeht /
So fällt der Zufall weg / das wesen das besteht.

2:31. Göttliche genissung.
Wer GOtts geniessen wil / und Jhm sich einverleiben /
Sol wie ein Morgenstern bey seiner Sonne bleiben.

2:32. Schweigen übertrifft der Engel gethöne.
Die Engel singen schön: Jch weiß daß dein Gesinge /
So du nur gäntzlich Schwiegst / dem höchsten besser klinge.

2:33. Wer älter ist als GOtt.
Wer in der Ewigkeit mehr lebt als einen Tag /
Derselbe wird so Alt / als GOtt nicht werden mag.

2:34. Rechter gebrauch bringt nicht Schaden.
Mensch sprichstu daß dich jchts von Gottes Lieb’ abhält.
So brauchstu noch nicht recht wie sichs gebürt der Welt.

2:35. GOtt wil was köstlich ist.
Sey lauter / Licht’ und steif / gleich wie ein Demantstein /
Daß du inn Augen Gotts magst wehrt geschätzet seyn.

2:36. Das Buch deß Gewissens.
Daß ich GOtt fürchten sol / und über alles lieben /
Jst mir von Anbegin in mein Gemütt geschrieben.

2:37. An einem Wort liegt alles.
Ein eintzigs Wort hilfft mir: schreibts GOtt mir einmal Ein /
So werd’ ich stätts ein Lamb mit Gott gezeichnet seyn.

2:38. Der Bräutigam ist noch süsser.
Du magst GOtt wie du wilt für deinen Herrn erkenen:
Jch wil jhn anderst nicht als meinen Bräutgam nennen.

2:39. Der anbether im Geist und in der Warheit.
Wer in sich übersich in GOtt verreisen kan /
Der bethet GOtt im Geist und in der Wahrheit an.

2:40. GOtt ist das kleinst’ und gröste.
Mein GOtt wie groß ist GOtt! Mein GOtt wie klein ist GOtt!
Klein als das kleinste ding / und groß wie alls / von noth.

2:41. Der gute Tausch.
Mensch gibstu GOtt dein Hertz / Er gibt dir seines wider:
Ach welch ein wehrter Tausch! du steigest auf / Er nieder.

2:42. Das untere schadet nicht.
Wer über Berg und Thal / und dem Gewölke sitzt /
Der achtets nicht ein Haar / wenns donnert / kracht und blitzt.

2:43. Die mittelwand muß wegg.
Wegg mit dem mittel weg / sol ich mein Licht anschauen /
So muß man keine Wand für mein Gesichte bauen.

2:44. Was Menschheit ist.
Fragstu was Menschheit sey? Jch sage dir bereit.
Es ist / mit einem Wort / die über Engelheit.

2:45. GOtt liebet sich allein.
Es ist gewißlich wahr / GOtt liebet sich allein /
Und wer sein ander-Er in seinem Sohn kan seyn.

2:46. Wer GOtt ist / siehet GOtt.
Weil ich das wahre Licht / so wie es ist / sol sehn;
So muß ichs selber seyn: sonst kan es nicht geschehn.

2:47. Die Liebe sucht nicht Lohn.
Mensch liebstu GOtt den HErrn / und suchest Lohn dabey /
So schmäkestu noch nicht was Lieb’ und lieben sey.

2:48. GOtt kennt man am Geschöpffe.
GOtt der verborgne GOtt wird kundbahr und gemein /
Durch seine Creaturn / die sein’ entwerffung seyn.

2:49. GOtt liebet die Jungfrauschafft.
GOtt trinkt der Jungfraun milch / zeugt durch diß hell und frey /
Daß wahre Jungfrauschafft sein Trank und Labsal sey.

2:50. GOtt wird ein kleines Kind.
GOtt schleust sich unerhört in Kindes Kleinheit ein:
Ach möcht ich doch ein Kind in diesem Kinde seyn!

2:51. Das unaussprechliche.
Dänkstu den Namen GOtts zu sprechen in der Zeit?
Man spricht ihn auch nicht auß in einer Ewigkeit.

2:52. Das Neu Jerusalem.
Das Neu Jerusalem bistu für GOtt mein Christ /
Wenn du auß GOttes Geist gantz Neugebohren bist.

2:53. Es mangelt nur an dir.
Ach könte nur dein Hertz zu einer Krippe werden /
GOtt würde noch einmal ein Kind auf dieser Erden.

2:54. Entbildet mustu seyn.
Entbilde dich mein Kind / so wirstu GOtte gleich:
Und bist in stiller Ruh dir selbst dein Himmelreich.

2:55. GOtt ist / Er lebet nicht.
GOTT ist nur Eigendlich: Er lebt und Liebet nicht /
Wie man von mir und dir und andren Dingen spricht.

2:56. Armut und Reichthumb.
Der / was er hat / nicht hat / und alles schätzet gleich /
Der ist im Reichthum arm / in Armuth ist er reich.

2:57. Man muß Jhm selbst entwachsen.
Entwächsestu dir selbst und aller Creatur /
So wird dir eingeimpfft die Göttliche Natur.

58. GOtt sterben und GOtt leben.
Stirb oder leb in GOtt; du thust an beiden wol:
Weil man GOtt sterben muß / und Gott auch leben sol.

59. Wer ist mehr GOtt als Mensch.
Wer ohn empfinden liebt / und ohn erkennen kennt:
Der wird mit guttem recht mehr Gott als Mensch genennt.

60. Vom lieben.
Mensch wilst- und liebstu nichts / so wilst und Liebstu wol.
Wer gleich liebt was er wil / liebt doch nicht was er sol.

61. Wer sich verläst / findt GOtt.
Wer sich verlohren hat / und von sich selbst entbunden /
Der hat GOtt seinen Trost / und seinen Heyland funden.

62. Jn beiden muß man seyn.
Mein Gott wie kalt bin ich! Ach laß mich doch erwarmen
Jn deiner Menschheit Schoß / und deiner GOttheit armen!

63. Der taube hört das Wort.
Freund glaub es oder nicht; ich hör’ in jedem nu /
Wann ich bin taub und Stumm dem Ewgen Worte zu.

64. Ein seufftzer saget alles.
Wenn meine Seel erseuftzt / [Fußnote] und / Ach und O schreyt hin:
So ruffet sie in sich jhr End und Anbegin.

65. Die Ewigkeit wird nicht gemessen.
Die Ewigkeit weiß nichts von Jahren / Tagen / Stunden.
Ach daß ich doch noch nicht den Mittelpunct gefunden!

66. Eins hülfft dem andern fort.
Mein Heyland der ist GOtt / und ich der andern dinge:
Jm fall sie sich in mich / und ich in Jhn mich schwinge.

67. Die Abgeschiedenheit.
Weil Abgeschiedenheit sich niemand macht gemein:
So muß sie ohne sucht und eine Jungfrau seyn.

68. Mit Schweigen wirds gesprochen.
Mensch so du wilt das seyn der Ewigkeit aussprechen /
So mustu dich zuvor deß Redens gantz entbrechen.

69. Die Geistliche Schiffart.
Die Welt ist meine See / der Schifmann Gottes Geist /
Das Schif mein Leib / die Seel ists die nach Hause reist.

70. Die Lauterkeit.
Vollkomne Lauterkeit ist Bild-Form-Liebe-loß:
Steht aller Eigenschafft / wie GOttes wesen bloß.

71. Der wesentliche Mensch.
Ein wesentlicher Mensch ist wie die Ewigkeit /
Die unverändert bleibt von aller äusserheit.

72. Wer mit den Engeln singen kan.
Wer sich nur einen blik kan übersich erschwingen /
Der kan das Gloria mit GOttes Engeln singen.

73. An den Sünder.
Ach Sünder wend dich umb / und lerne GOtt erkennen:
Jch weiß du wirst Jhn bald den lieben Vatter nennen.

74. Du must Vergöttet werden.
Christ / es ist nicht genug daß ich in GOtt nur bin:
Jch muß auch GOttessafft zum wachsen in mich ziehn.

75. Du must auch Früchte tragen.
Trinkstu deß HErren Blut / und bringest keine Frucht /
So wirstu kräfftiger als jener Baum verflucht.

76. Auch dir ist nichts versagt.
O Edler Geist entreiß / laß dich doch nicht so binden:
Du kanst GOtt herrlicher / als alle Heilgen finden.

77. A B ist schon genug.
Die Heyde plappern vil: wer Geistlich weiß zubetten /
[Fußnote] Der kan mit A und B getrost für Gott hintretten.

78. Ein Lieb verzukt das andre.
Wenn meine Seele GOtt im Geist begegnen kan /
So start (O JEsu Christ!) ein Lieb das Ander an.

79. Der geistliche Tempel GOttes.
Die Pforten deiner Stadt / Mein GOtt / sind Perlefein:
Was muß doch für ein Blitz mein Geist dein Tempel seyn?

80. Das geistliche Zion.
Führ auf HErr deinen Bau / hier ist die Friedens-Stadt /
Hier ist wo Salomon dein Sohn sein Zion hat.

81. Der Oelberg.
Sol dich deß Herren Angst erlösen von beschwerden /
So muß dein Hertze vor zu einem Oelberg werden.

82. Das Hertze.
Mein Hertz ist unten eng’ und obenher so weit /
Daß es GOtt offen sey / verspert der Jrrdigkeit.

83. Der geistliche Berg.
Jch bin ein Berg in GOtt / und muß mich selber steigen /
Daferne GOtt mir sol sein liebes Antlitz zeigen.

84. Jn der höhe wird GOtt geschaut.
Hin auf / Wo dich der Blitz mit Christo sol umbgeben /
Mustu wie seine drey auf Thabors höhe leben.

85. Dein Kärker bistu selbst.
Die Welt die hält dich nicht / du selber bist die Welt /
Die dich in dir mit dir so stark gefangen hält.

86. Du musts auch selbst gewinnen.
GOtt hat wol gnug gethan: doch du trägst nichts davon /
Wo auch nicht du in Jhm erkriegest deine Kron.

87. Das geistliche Käuchelein.
Mein Leib ist eine Schal’ in dem ein Keuchelein
Vom Geist der Ewigkeit wil außgebrüttet seyn.

88. Eben vom selbigen.
Das arme Käuchelein kluchst und pikt für und für:
Wird es dann nicht bald sehn deß Ewgen Lichtes Zihr!

89. Gegen Aufgang mustu sehn.
Freund wiltu an Jhm selbst das Licht der Sonnen sehn /
So mustu dein Gesicht hin zu dem Aufgang drehn.

90. Die Unterwirfflichkeit.
Der Blitz deß Sohnes GOtts durchleucht in einem Nun
Die Hertzen / welche sich Jhm gäntzlich unterthun.

91. Die Geduld.
Geduld ist über Gold: sie kan auch GOtt bezwingen /
Und was Er hat und ist gantz in mein Hertze bringen.

92. Die geheimste Gelassenheit.
Gelassenheit fäht GOtt: GOtt aber selbst zulassen /
Jst ein Gelassenheit / die wenig Menschen fassen.

93. Der geheime GOttes Kuß.
GOtt küst mich seinen Sohn mit seinem heilgen Geist /
Wenn Er mich liebes Kind in Christo JEsu heist.

94. Eins ist des andern Trost.
GOtt ist der Lichter Licht / Mein Heyland ist die Sonne /
Maria ist der Mon / ich Jhrer aller Wonne.

95. Das Lamm und auch der Löw.
Wer alles untertritt / und alles duldet fein /
Der muß ein Lamm und Löw in einem wesen seyn.

96. Warumb der H. Geist wie ein Daube erscheint.
Warumb daß GOttes Geist wie eine Daub’ erscheint?
Er thuts / weil Er / mein Kind dich zu erkeucheln meint.

97. Der Heilgen Dauben näst.
Wenn du ein Däublein bist / und keine Galle hast;
So findestu mein Christ im Hertzen JEsu rast.

98. Am sichersten am besten.
Fleuch meine Daube fleuch und rast’ in Christi Seelen /
Wo wiltu dich sonst hin verbergen und verhölen?

99. Die wiedergültige Däubelein.
O wunder! GOtt ist mir / ich Jhm ein Däubelein:
Schau doch wie alle zwey ein ander Eines seyn!

100. Gib Ruh / so ruhstu wieder.
Wenn GOttes Daube kan in deinem Hertzen ruhn /
Wird sie dir widerumb das Hertze GOtts aufthun.

The following is the German text of the Cherubinischer Wandersmann by Johannes Scheffler / Angelus Silesius.

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101. Die geheime Uberschattung.
Jch muß GOtts Schwanger seyn: sein Geist muß ob mir schweben /
Und GOtt in meiner Seel wahrhafftig machen leben.

102. Das äußre tröst mich nicht.
Was hilfft michs Gabriel / daß du Mariam grüst /
Wenn du nicht auch bey mir derselbe Botte bist!

103. Die geistliche Geburt.
Berührt dich GOttes Geist mit seiner Wesenheit
So wird in dir gebohrn das Kind der Ewigkeit.

104. Die geistliche Schwängerung.
Jst deine Seele Magd / und wie Maria rein /
So muß sie Augenbliks von GOtte schwanger seyn.

105. Ein Ris’ und auch ein Kind.
Wenn GOtt sich wesentlich in mir gebohren findt /
So bin ich (Wunder ding!) ein Ris’ und auch ein Kind.

106. Erweitert mustu seyn.
Erweitere dein Hertz / so gehet GOtt darein:
Du solt sein Himmelreich / Er wil dein König seyn.

107. Die Neugeburt.
Hat deine Neugeburt mit wesen nichts gemein /
Wie kan sie ein Geschöpff in Christo JEsu seyn?

108. Die Braut GOttes.
Kind werde GOttes Braut / entbeuth dich Jhm allein;
Du wirst seins Hertzens Schatz / und er dein liebster seyn.

109. Die Welt vergehet nicht.
Schau / dise Welt vergeht. Was? sie vergeht auch nicht /
Es ist nur Finsternuß was GOtt an Jhr zerbricht.

110. Die Verklärung.
Mein Leib der wird für GOtt wie ein Carfunkel stehn /
Wenn seine grobheit wird im Feuer untergehn.

111. Maria.
Du preist MARIAM hoch: ich sage noch darbey /
Daß sie die Königin der Königinnen sey.

112. Auß und ein / Gebähren und Gebohren seyn.
Wenn du in Wahrheit kanst auß GOtt gebohren seyn /
Und wider GOtt gebährn: so gehstu auß und ein.

113. Man sol vernünfftig handeln.
Freund so du trinken wilt / so setz doch deinen Mund /
Wie ein Vernünfftiger recht an deß Fasses spund.

114. Die Creaturn sind gut.
Du klagst / die Creaturn die bringen dich in Pein:
Wie? müssen sie doch mir ein Weg zu GOtte seyn.

115. Die geistliche Jagt.
Wie wol wirstu gejagt vonn Hunden lieber Christ:
So du nur williglich die Hindin GOttes bist.

116. Die beste Gesellschafft.
Gesellschafft acht’ ich nicht: Es sey dann daß das Kind /
Die Jungfrau / und die Daub’ / und’s Lamm beisammen sind.

117. Die Einsamkeit.
Die Einsamkeit ist noth / doch sey nur nicht gemein:
So kanstu überall in einer Wüsten seyn.

118. Göttlich Leben.
Jm fall dich niemand recht und gnug berichten kan
Was Göttlich Leben sey: so sprich den Henoch an. [Fußnote]

119. Göttliche gleichheit.
Ein Gott ergebner Mensch ist Gotte gleich an Ruh /
Und wandelt über Zeit und Ort in jedem Nu.

120. Man ißt und Trinket GOtt.
Wenn du Vergöttet bist / so jßt- und trinkst-du GOtt /
(Und diß ist ewig wahr) in jedem bissen Brodt.

121. Das Glied hat des Leibes wesen.
Hastu nicht Leib und Seel und Geist mit Gott gemein:
Wie kanstu dann ein Glied im Leibe JEsu seyn?

122. Die geistliche Weinrebe.
Jch bin die Reb’ im Sohn / der Vatter pflantzt und speist /
Die Frucht die auß mir wächst ist GOtt der heilge Geist.

123. Geduld hat jhr warumb.
Ein Christ trägt mit Geduld sein Leyden / Creutz und Pein /
Damit er ewig mag bey seinem JEsu seyn.

124. GOtt ist voller Sonnen.
Weil der gerechte Mensch gläntzt wie der Sonnenschein /
So wird nach dieser Zeit GOtt voller Sonnen seyn.

125. Du must das wesen haben.
GOtt selbst ists Himmelreich: wiltu in Himmel kommen /
Muß GOttes wesenheit in dir seyn angeglommen.

126. Die Gnade wird Natur.
Fragstu warumb ein Christ sey From / Gerecht und Frey?
So fragestu warumb ein Lamm kein Tiger sey.

127. Das Liebst’ auf dieser Erden.
Fragstu was meine Seel am Liebsten hat auf Erden?
So wisse daß es heist: mit nichts beflekket werden.

128. Der Himmel steht stätts offen.
Verzweifle nicht mein Christ / du kanst inn Himmel draben /
So du nur magst darzu ein Mannlich Hertze haben.

129. Eins jeden Eigenschafft.
Das Thier wird durch die Art / der Mensch durch den Verstand /
Der Engel durch das schaun / durchs wesen Gott bekandt.

130. Es muß Vergoldet seyn.
Christ alles was du thust / das überzeuch mit Gold: [Fußnote]
Sonst ist GOtt weder dir / noch deinen Werken hold.

131. Nihm also daß du hast.
Mensch nihmstu GOtt als Trost / als süssigkeit / und Licht:
Waß hastu dann wenn Trost / Licht / süssigkeit gebricht?

132. GOttes Eigenschafft.
Was ist GOtts Eigenschafft? sich ins Geschöpff ergiessen /
Allzeit derselbe seyn / nichts haben / wollen / wissen. [Fußnote]

133. Die Gelassenheit.
Freund glaub es / heist mich GOtt nicht in den Himmel gehn /
So wil ich lieber hier / auch in der Höllen stehn.

134. Die Gleichheit.
Wer nirgends ist gebohrn / und niemand wird bekandt /
Der hat auch in der Höll sein liebes Vaterland.

135. Die Gelassenheit.
Jch mag nicht Krafft / Gewalt / Kunst / Weißheit / Reichthum / Schein:
Jch wil nur als ein Kind in meinem Vater seyn.

136. Eben von derselben.
Geh auß / so geht Gott ein: Stirb dir / so lebstu GOtt:
Sey nicht / so ist es Er: thu nichts / so gschicht’s Geboth.

137. Schrifft ohne Geist ist nichts.
Die Schrifft ist Schrifft sonst nichts. Mein Trost ist Wesenheit /
Und daß GOtt in mir spricht das Wort der Ewigkeit.

138. Der Schönst’ im Himmelreich.
Die Seele / welche hier noch kleiner ist als klein /
Wird in dem Himmelreich die schönste Göttin seyn.

139. Wie kan man Englisch seyn?
Kind wiltu Englisch seyn / so kanstu es bereit:
Wie dann? sie leben stäts in unannehmlichkeit.

140. Die Selbst-vernichtigung.
Nichts bringt dich über dich als die Vernichtigkeit:
Wer mehr Vernichtigt ist / der hat mehr Göttlichkeit.

141. Der Grundgelassene.
Ein Grundgelassner Mensch ist Ewig frey und Ein:
Kan auch ein Unterscheid an jhm und GOtte seyn?

142. Du must es selber seyn.
Frag nicht was Göttlich sey: Denn so du es nicht bist /
So weistu es doch nicht / ob du’s gleich hörst mein Christ.

143. Jn GOtt ist alles GOtt.
Jn GOtt ist alles GOtt: Ein eintzigs Würmelein /
Das ist in GOtt so viel als tausend GOtte seyn.

144. Was ist Gelassenheit?
Was ist Gelassenheit? Jch sag’ ohn Heucheley:
Daß es in deiner Seel der wille JEsu sey.

145. Das wesen GOttes.
Was ist das wesen GOtts? Fragstu mein ängigkeit?
Doch wisse / daß es ist ein’ überwesenheit.

146. GOtt ist Fünsternuß und Licht.
GOtt ist ein lautrer Blitz / und auch ein Tunkles nicht /
Das keine Creatur beschaut mit jhrem Licht.

147. Die Ewge Gnadenwahl.
Ach zweifele doch nicht: sey nur auß GOtt gebohrn /
So bistu ewiglich zum Leben außerkohrn.

148. Der arme im Geist.
Ein wahrer armer Mensch steht gantz auf nichts gericht:
Gibt GOtt jhm gleich sich selbst / ich weiß er nihmt jhn nicht.

149. Du selbst bist alle Dinge.
Wie magstu was begehrn? du selber kanst allein /
Der Himmel und die Erd’ / und tausend Engel seyn.

150. Die Demut ist dir Noth.
Sieh nur fein unter dich: du fleuchst den Blitz der Zeit /
Was meinstu dann zu schaun inn Blitz der Ewigkeit?

151. Des Christen Edlestes.
Was ist das Edelste? Was ist das fein-Perlein
Des Neugebornen Christs? Jhm allzeit gleiche seyn.

152. Das Allergöttlichste.
Kein ding ist Göttlicher (im fall du es kanst fassen /)
Als jetzt und ewiglich sich nicht bewegen lassen.

153. Die Ewigkeit.
Was ist die Ewigkeit? Sie ist nicht diß / nicht das /
Nicht Nun / nicht Jchts / nicht Nichts / sie ist / ich weiß nicht was.

154. Ein Stern geht vor die Sonne.
Jch frage nicht so viel nach tausend Sonneschein /
Wenn ich nur mag ein Stern inn Augen JEsu seyn.

155. Es ligt an dir allein.
Ach Mensch versäum dich nicht: es ligt an dir allein /
Spring auf durch GOtt / du kanst der gröst’ im Himmel seyn.

156. GOtt kennt man durch die Sonne.
Die Sonn ist nur ein Glast / und alles Liecht ein schein:
Was muß doch für ein Blitz / GOtt meine Sonne seyn!

157. GOtt schauet man an sich.
Wie ist mein GOtt gestalt? Geh schau dich selber an /
Wer sich in GOtt beschaut / schaut Gott warhafftig an.

158. Die Seele kombt von GOtt.
Die Seel ist eine Flamm auß GOtt dem Blitz gegangen: [Fußnote]
Ach solte sie dann nicht in Jhn zurük gelangen.

159. Der Geist ist wie das wesen.
Mein Geist ist wie ein seyn: er ahnt dem wesen nach /
Von dem er urgestand / und Anfangs aufgebrach.

160. Der Geist stirbt nimmermehr.
Der Geist lebt in sich selbst: gebricht jhm gleich das Licht /
(Wie ein verdammter wird) so stirbet er doch nicht.

161. Jm jnnern Wohnt man wol.
Was meines Geistes Geist / meins wesens wesen ist /
Das ists / das ich für mich zur Wohnung hab erkiest.

162. Hinein kehr deine Strahlen.
Ach kehrt nur meine Seel jhr Flammen umb und ein!
So wird sie mit dem Blitz / bald Blitz und Eines seyn.

163. GOtt würket wie das Fewr.
Das Fewer schmeltzt und eint: sinckstu inn Ursprung ein /
So muß dein Geist mit GOtt in Eins geschmeltzet seyn.

164. Die Unschuld brennet nicht.
Entschulde dich durch Gott: die Unschuld bleibt bewehrt /
Und wird in Ewigkeit von keiner Glutt verzehrt.

165. Ein Tröpfflein ist genug.
Der nur ein tröpfflein Bluts auß Christo kan geniessen /
Der muß gantz seeliglich mit Jhm in GOtt zerflissen.

166. Die Boßheit hat kein wesen.
Mensch wenn du durch das Blutt deß Lammes bist genesen /
So bistu ewiglich kein böser Mensch gewesen.

167. Der Mittler ist nur JEsus.
Jch weiß kein mittel nicht als meinen JEsum Christ:
Sein Blutt das ists / in dem sich GOtt in mich ergist.

168. Eins ist so Alt als das andre.
Ein Kind / das auf der Welt nur eine Stunde bleibt /
Das wird so Alt / als man Matusalem beschreibt.

169. Die Gleichheit schauet Gott.
Wem nichts wie alles ist / und alles wie ein nichts:
Der wird gewürdiget deß Liebsten Angesichts.

170. Die scheidung muß geschehn.
Die Unschuld ist ein Gold das keine Schlakken hat:
Entzeuch dich auß dem Kiß / so bistu’s in der that.

171. Der Adler fleuget hoch.
Ja wer ein Adler ist / der kan sich wol erschwingen /
Und über Seraphim durch tausend Himmel dringen.

172. Ein Phoenix sol man seyn.
Jch wil ein Phoenix seyn / und mich in GOtt verbrennen /
Damit mich nur nichts mehr von Jhme könne trennen.

173. Die Schwachen müssen warten.
Du armes Vögelein / kanstu nicht selber fliegen /
So bleibe mit Geduld biß du mehr krafft hast ligen.

174. Es wil geübet seyn.
Versuch mein Däubelein mit übung lernt man viel:
Wer nur nicht sitzen bleibt / der kombt doch noch zum Ziel.

175. Der Geist fährt in die Wüste.
Kanstu dich auf den Geist in deinem Heyland schwingen /
So wird er dich mit sich in seine Wüste bringen.

176. Beständig muß man seyn.
Verstockt ist halb verlohrn: doch wer im gutten kan
Ein Stok und Eysen seyn / steht auf deß Lebens bahn.

177. Es wird nicht alls gerichtet.
Die Menschen die in Gott mit Christo sind verschlungen /
Sind durchs Gericht’ und Tod gantz seelig durchgedrungen.

178. Alls steht im Jch und Du / (Schöpffer und Geschöpffe).
Nichts ist als Jch und Du: und wenn wir zwey nicht seyn /
So ist GOtt nicht mehr GOtt / und fällt der Himmel ein. [Fußnote]

179. Es sol ein Einigs werden.
Ach ja! wär’ ich im Du / und du im ich ein Ein;
So möchte Tausendmahl der Himmel Himmel seyn.

180. Der Mensch ist nichts / GOtt alles.
Jch bin nicht Jch noch Du: Du bist wol Jch in mir:
Drumb geb ich dir mein GOtt allein die Ehrgebühr.

181. Der Sünder ist verblendt.
Der Sünder sihet nichts: je mehr er laufft und rennt
Jn seiner Eigenheit / je mehr er sich verblendt.

182. GOtt ist alles gegenwärtig.
Es ist kein Vor noch Nach: was Morgen sol geschehn /
Hat GOtt von Ewigkeit schon wesentlich gesehn.

183. Jn der mitten siht man alles.
Setz dich in Mittelpunct / so sihstu alls zugleich /
Was jetz und dann geschieht / hier und im Himmelreich.

184. Der Cherubin schaut nur auf GOtt.
Wer hier auf niemand siht / als nur auf GOtt allein:
Wird dort ein Cherubin bey seinem Throne seyn.

185. Der Sohn und Gnadenthron.
Weg mit dem Schattenstul: der Eingebohrne Sohn /
Jst nun in mir das selbst / und mein Versöhnungsthron.

186. Man sol GOtt nit versuchen.
Sey Züchtig / Keusch und Still: wer unbedachtsam rennt /
Wird von der Majestät gestürtzet und verbrennt.

187. Jch darf kein Fern-Gesicht.
Freund / so ich für mich selbst kan in die weite sehn:
Was darf es dann erst durch dein fernGesicht geschehn?

188. Man mißt das wesen nicht.
Es ist kein Anfang nicht / es ist auch nicht ein Ende /
Kein Mittelpunct noch kreiß / wie ich mich jmmer wende.

189. Der Anfang findt das Ende.
Wann GOtt sich mit mir Mensch vereinigt und verbindt /
So siht der Anbegin daß er sein Ende findt.

190. Von GOtt.
GOtt der geneust sich selbst / wird seiner auch nicht satt /
Weil Er an sich allein die höchste gnüge hat.

191. Verbothnes muß man meyden.
Wer sich nicht mit der Frucht die GOtt verbothen speist /
Wird auß dem Paradeiß nicht einen tritt verweist.

192. Rechtschaffen muß man seyn.
Ach Bruder werde doch: was bleibstu Dunst und Schein?
Wir messen wesentlich ein Neues worden seyn.

193. Der Sieg ist wesentlich.
Mensch weil es nicht im wolln und eygnem Lauffen ligt /
So mustu thun wie GOtt / der ohne willen Sigt.

194. Das Licht gibts zu erkennen.
Geh / ruff dem Morgenstern: denn wann der Tag anbricht /
So siehet man erst recht was Schön ist oder nicht.

195. Regiern ist Königlich.
Wer wol regieren kan im Streit / in Freud’ und Pein:
Der wird in GOttes Reich ein ewger König seyn.

196. Die Demut ist sehr gut.
Jch mag kein König seyn; und so ich es je muß /
So werf ich mich doch straks mein Gott für deinen Fuß.

197. Verläugnung seiner selbst.
HErr nihm die Krone hin; Jch weiß ja nichts vom Mein:
Wie kan sie dann mit recht mein’ und nicht deine seyn?

198. GOtt spielt mit dem Geschöpffe.
Diß alles ist ein Spiel / das Jhr die GOttheit macht:
Sie hat die Creatur umb Jhret willn erdacht.

199. Auch GOtt verläugnet sich.
Wenn Gott zum Heilgen spricht: du du hast mich erzihlt:
Sag / ob er nicht mit jhm recht der Verläugnung spielt? [Fußnote]

200. Die Aufgegebenheit.
Wer seine Seele hat verlohren und vergeben /
Der kan gantz seeliglich mit GOtt die wette leben.

The following is the German text of the Cherubinischer Wandersmann by Johannes Scheffler / Angelus Silesius.

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201. Der Mensch der andre GOtt.
Sag zwischen mir und GOtt den eingen Unterscheid?
Es ist mit einem Wort / nichts als die Anderheit.

202. Alleine seyn gleicht GOtt.
Wer stäts alleine lebt / und niemand wird gemein:
Der muß / ist er nicht GOtt / gewiß Vergöttet seyn.

203. Die Demut steigt am Höchsten.
Wer in der Demut GOtts am tiefsten ist versunken /
Der ist der höchste Glantz auß allen Himmelsfunken.

204. Der Mensch Jmmanuel
Wer stäts in sich die Schlang’ und Drachen kan ermorden /
Der ist Jmmanuel in Christo JEsu worden.

205. Das Böse scheid vom Gutten.
Jß Butter iß mein Kind / und Hönig (GOtt) dabey:
Damit du lernst wie böß’ und gutt zuscheyden sey.

206. Ein Mann und auch ein Kind.
Ein Mann ist nicht ein Kind: doch wisse daß ein Mann /
So du nur wilt in dir mein Kind / wol Leben kann.

207. GOtt ist in dir das Leben.
Nicht du bist der da lebt: denn das Geschöpff ist Tod:
Das Leben / das in dir dich leben macht ist GOtt.

208. Gelassen muß man ewig seyn.
Wer auch im Paradiß nicht noch sol untergehn /
Der Mensch muß ewiglich / auch GOttes / ledig stehn.

209. Die wahre Ledigkeit.
Die wahre Ledigkeit ist wie ein edles Faß /
Das Nectar in sich hat: Es hat / und weiß nicht waß.

210. Die Göttliche Heiligkeit.
Mensch ists dein Ernst / du kanst ohn allen falschen Schein
So heilig und gerecht / als GOtt dein Schöpffer seyn.

211. Was ist die Heiligkeit.
Rechtschaffne Heiligkeit ist wie ein guldnes Glaß
Durchauß polirt und rein. Geh / und betrachte das.

212. Sechs Dinge seynd nur Eins.
Rath / wie ein Mensch und GOtt / ein Löw / Lamm / Rieß’ und Kind /
Jn einer Creatur ein einigs wesen sind?

213. Die Wortlein Auß und Ein.
Zwey Wörtlein lieb ich sehr; sie heissen Auß und Ein:
Auß Babel / und auß mir / in GOtt und JEsum ein.

214. Die Werke gelten gleiche.
Hab keinen unterscheid: heist Gott den Mist verführen /
Der Engel thuts so gern als ruhn und Musiciren.

215. Man muß sich recht bequämen.
Wer sich zum Aufgang kehrt / und wartt auf seinen Gott /
Jn dem komt bald herfür das gnädge Morgenroth.

216. Was heisset Englisch Leben?
Rein / Lauter / g’lassen seyn / recht lieben / dienen / schauen /
Heist wol mit guttem recht ein Englisch leben bauen.

217. Der achtmal seelige.
Sey Hungrig / Arm / und Sanfft / Barmhertzig / Friedlich / Rein /
Betrübt / Verfolgt umb GOtt: so kanstu seelig seyn.

218. Die Weißheit wird gemeistert.
[Fußnote] Die Weißheit tadelt nichts; sie aber muß allein /
Von jhrer Creatur so offt getadelt seyn.

219. Die gutten Werke.
Mit Speise / Trank und Trost / Beherbrigen / Bekleyden /
Besuchen in der Noth / heist GOttes Lämmlein weiden.

220. Wachen / Fasten / Bethen.
Drey Werke muß man thun / wenn man für GOtt wil trethen /
Er fordert sonst auch nichts: als / Wachen / Fasten / Bethen.

221. GOtt sieht nur zwey Dinge.
Zwey Dinge siht nur GOtt / den Bok / und mich sein Lamm:
Vom Bokke scheydet mich Ein Einge Liebesflamm.

222. Es muß Gewuchert seyn.
Knecht wuchre daß du hast: denn wann der HErr wird kommen:
So wird von jhm allein der Wuchrer angenommen.

223. GOtt liebt die Keuschheit sehr.
Die Keuschheit ist bey GOtt / so kräfftig / wehrt und rein
Als tausend Lilien für einer Tulpe seyn.

224. Die liebreiche Busse.
Freund so du ja nicht wilt ein Junggeselle bleiben /
So wolle dich doch nur mit Magdalen beweiben.

225. Die Feuer-Tauffe.
Getauffet muß man seyn: wen Geist und Feuer taufft /
Der ists der Ewiglich in keinem Pful ersaufft.

226. Die Tauffe.
Ach Sünder trotze nicht daß du getauffet bist;
Die schönste Lilge wird im Koth zu Koth und Mist.

227. Auch darvon.
Was hilfft dichs daß du bist mit Wasser abgewaschen /
So du in dir nicht dämpffst die Lust vom Koth zunaschen?

228. Nur eins wil GOtt von uns.
Ein eintzigs Wort spricht Gott zu mir / zu dir / und allen /
Lieb; thun wir diß durch Jhn / wir müssen jhm gefallen.

229. Das Bildnuß halt inn Ehren.
Speystu die Bilder an / und bist doch selbst ein Bild?
Was meinstu dann von dir / wie du bestehen wilt?

230. Der Lebensbaum.
Sol dich deß Lebens baum befreyn von Todsbeschwerden /
So mustu selbst in GOtt ein Baum deß Lebens werden.

231. Die Sonnen wende.
Verwundre dich nicht Freund / daß ich auf nichts mag sehn /
Jch muß mich allezeit nach meiner Sonne drehn.

232. Grün und Weiß / hat den Preiß.
Zwey Farben halt’ ich hoch / und suche sie mit fleiß:
Grün in Gerechtigkeit / in Christi Unschuld Weiß.

233. Die Tugend Lebt in Liebe.
Fürwahr die Tugend lebt / ich sags ohn deuteley:
Lieb / und so sihestu / daß Lieb jhr Leben sey.

234. Erwöhle was du wilt.
Lieb’ ist die Königin / die Tugenden Jungfrawen /
Die Mägde Werk und That: wem wiltu dich vertrauen?

235. Die geheimbe Mässigkeit.
Wer keines Dings zu viel in sich Pflegt einzusauffen:
Auch Gotts [Fußnote] (versteh mich recht) den muß ich mässig tauffen.

236. Friedreich heist Gottes Sohn.
Nenn mich nicht Seraphin nicht Cherubin / nicht Thron;
Jch wil der Friedreich seyn: denn so heist Gottes Sohn.

237. GOtt wil vollkommne haben.
Entwachse dir mein Kind: wiltu zu GOtt hienein;
So mustu vor ein Mann vollkomnes Alters seyn.

238. Auß Tugend wächst der Friede.
Fried ist der Tugendlohn / jhr end und Unterhalt /
Jhr Band und Seeligkeit: ohn jhn zerstäubt sie bald.

239. Der jnnerliche Friede.
Jn sich mit GOtt und Mensch befriedigt seyn und Ein /
Das muß bey gutter Trew / Fried über Friede seyn!

240. Der Göttliche Friede.
Ach! wer in GOtt sein End und seinen Sabbat kommen /
Der ist inn Frieden selbst Verformbt und aufgenommen.

241. Die Vierfache überwindung.
Mit listigkeit / Gedult / Gehorsam / Mässigkeit /
Erhältstu wieder dich / GOtt / Welt / und Feind den Streit.

242. Jerusalem ligt mitten.
Wer in der mitten ligt / und lacht zu Spott und Hohn;
Der ist Jerusalem deß Königs Stadt und Thron.

243. Die Sanfften sind die Lämmer.
Wen weder GOtt noch Feind bringt auß der Sanfften Orden /
Der ist nu gantz ein Lamb im Lamme JEsu worden.

244. Verachtet seyn bringt Wonne.
Verlacht / Verlassen stehn / viel leyden in der Zeit /
Nichts haben / können / seyn / ist meine Herrlichkeit.

245. Die GOttheit ist meine Mutter.
Auß GOtt bin ich gebohrn: ists ohne deuteley;
So frage mich nur nicht wer meine Mutter sey.

246. Was der Teufel hört.
Der Teufel höret nichts / als Donnern / poltern / krachen:
Drumb kanstu jhn mit Lust durch Sanfftmuth thöricht machen.

247. Du kanst dem Feind vergeben.
Entbrenne doch mein Kind / und sey ein Licht in GOtt:
So bistu Belials Gifft / Finsternüß / und Tod.

248. Die Stille gleicht dem Ewgen nicht.
Nichts ist dem Nichts so gleich als Einsamkeit und Stille:
Deßwegen wil sie auch / so er was wil / mein Wille.

249. Der Teuffel sicht kein Licht.
Mensch wikle dich in GOtt / verbirg dich in sein Liecht:
Jch schwehre dir beym Jah / der Teufel sicht dich nicht.

250. Die Sanfftmuth zeigt es an.
Kan ich an deiner Thür vergoldet Oelholtz kennen.
So wil ich dich deß Bliks den Tempel Gottes nennen.

251. Es muß von GOtt herkommen.
Sol meine Lampe Licht und lautre Strahlen schissen /
So muß das Oel auß dir mein liebster JEsu fliessen.

252. Die höchste benedeiung.
Kein Mensch hat jemahls GOtt so hoch gebenedeyt /
Als der Jhm / daß er jhn zum Sohn gebiehrt / verleiht.

253. Mit meyden muß man streiten.
Hastu verworffenheit / verachten / meiden / fliehn /
So kanstu thurstiglich mit GOtt zu Felde ziehn.

254. Das Seraphinische Leben.
Auß Liebe gehn und stehn / Lieb äthmen / reden / singen:
Heist seine Lebenszeit wie Seraphim verbringen.

255. Fünff Staffeln sind in GOtt.
Fünff Staffeln sind in GOtt: Knecht / Freund / Sohn / Braut / Gemahl:
Wer weiter kombt [Fußnote] / verwird / und weiß nichts mehr von Zahl.

256. Nichts Unreins kombt für GOtt.
Ach Mensch werd’ überformt: fürwahr du must so fein
Für GOttes Angesicht / als Christi Seele seyn.

257. Du auch must für Jhn Sterben.
Deß HErren Christi Tod hilfft dich nicht eh mein Christ /
Biß auch du selbst für Jhn in Jhm gestorben bist.

258. Die Ewigkeit.
Jm fall dich länger dünkt die Ewigkeit als Zeit:
So redestu von Peyn und nicht von Seeligkeit.

The following is the German text of the Cherubinischer Wandersmann by Johannes Scheffler / Angelus Silesius.

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Drittes Buch
Geistreicher Sinn- und Schluß-Reime.

1. Auf die Krippe JEsu.
Diß Holtz ist köstlicher als Salomonis Thron;
Weil drein geleget wird der wahre GOttes Sohn.

2. Uber den Stall.
Ach Pilger kehr hier ein / der Stall zu Betthlehem
Jst besser als die Burg und Stadt Jerusalem.
Du Herbergest hier wol: weil sich das Ewge Kind /
Mit seiner Jungfrau Braut und Mutter hier befindt.

3. An die Jungfrau MARIA.
Sag an / O werhte Frau / hat dich nicht außerkohrn
Die Demut / daß du GOtt empfangen und gebohrn?
Sag / obs was anders ist? Damit auch ich auf Erden
Kan eine Magd und Braut und Mutter Gottes werden.

4. Ein Seufftzer.
Man legte GOtt aufs Stroh / als Er ein Mensch ward / hin:
Ach daß ich nicht das Heu und Stroh gewesen bin!

5. An den Gelehrten.
Du grübelst in der Schrifft / und meinst mit Klügeley
Zu finden GOttes Sohn: Ach mache dich doch frey
Von diser Sucht / und komm inn Stall jhn selbst zu küssen.
So wirstu bald der Krafft deß wehrten Kinds geniessen.

6. Die GOttes gewürdigte Einfalt.
Denkt doch / was Demut ist! seht doch was Einfalt kan!
Die Hirten schauen GOtt am allerersten an.
Der siht GOtt nimmermehr / noch dort noch hier auf Erden /
Der nicht gantz jnniglich begehrt ein Hirt zu werden.

7. Das wohlbethaute Heu.
Kein Vieh hat besser Heu / weil Graß wächst / je genossen!
Als was mein Jesulein der ärmste hat begossen
Mit seiner Aüglein thau: Jch dächte mich / allein
Durch diese Kost gerecht und Ewig satt zu seyn.

8. Die seelige Nachtstille.
Merk / in der stillen Nacht wird GOtt ein Kind gebohrn /
Und widerumb ersetzt was Adam hat verlohrn:
Jst deine Seele still und dem Geschöpffe Nacht /
So wird GOtt in dir Mensch / und alles wiederbracht.

9. An die Hirten.
Gieb Antwort liebes Volk / was hastu doch gesungen
Als du inn Stall eingingst mit den erbebten Zungen /
Und GOtt ein Kind gesehn? Daß auch mein Jesulein
Mit einem Hirten Lied von mir gepreist kan seyn.

10. Das Unerhörte Wunder.
Schaut doch jhr lieben schaut / die Jungfrau säugt ein Kind /
Von welchem ich und sie / und jhr / gesäuget sind.

11. Der eingemenschte GOtt.
GOtt trinkt der Menschheit Milch / läst seiner GOttheit Wein:
Wie solt’ er dann numehr nicht gar durchmenschet seyn?

12. Es trägt und wird getragen.
Das Wort das alles trägt / auch selbsten Gott den Alten /
Muß hier ein Jungfräulein mit ihren ärmlein halten.

13. Jch die Ursach.
Sag allerliebstes Kind / bin ichs umb den du weinst?
Ach ja du sihst mich an: ich bins wol den du meinst.

14. Küssungs Begierde.
Ach laß mich doch mein Kind mein Gott an deinen Füssen /
Nur einen Augenblik das minste Brünklein küssen.
Jch weiß werd’ ich von Dir nur bloß berühret seyn /
Daß straks verschwinden wird / mein’ / und auch deine Pein.

15. Der beste Lobgesang.
Singt singt jhr Engel singt: mit hundert tausend Zungen
Wird dieses wehrte Kind nicht würdiglich besungen.
Ach möcht’ ich ohne Zung / und ohne Stimme seyn!
Jch weiß ich säng’ ihm straks das liebste Liedelein.

16. Er mir / ich Jhm.
Wißt / GOtt wird mir ein Kind / ligt in der Jungfrau Schoß /
Daß ich jhm werde GOtt / und wachs jhm gleich und groß.

17. Am Nächsten am besten.
Mensch werde GOtt verwandt auß Wasser / Blutt und Geist /
Auf daß du GOtt in GOtt auß GOtt durch GOtte seyst.
Wer jhn Umbhalsen wil / muß jhm nicht nur allein
Befreundet / sondern gar sein Kind und Mutter seyn.

18. Die beweglichste Musica.
O seht / das liebe Kind wie es so süsse weint!
Daß alle Stösserlein Hertz-grund-beweglich seind.
Laß doch mein Ach und O in deins vermengt erschallen!
Daß es für allem thon GOtt könne Wolgefallen.

19. Die seelige Uber-formung.
Jch rathe dir Verformt ins JEsulein zu werden /
Weil du begehrst zu seyn erlöset vonn Beschwerden.
Wem JEsus helffen sol / vom Teufel / Tod und Pein:
Der muß Warhafftig auch gantz eingeJeset seyn.

20. GOTT-Mensch.
Je denkt doch GOtt wird ich / und kombt ins Elend her /
Auf daß ich komm ins Reich / und möge werden Er!

21. GOtt ist ein Kind / warumb.
Der Ewge GOttesSohn wird heut erst Kind genennt /
Da Er doch tausend Jahr den Vatter schon gekennt;
Warumb? Er war nie Kind. Die Mutter machts allein
Daß Er warhafftiglich kan Kind gegrüsset seyn.

22. Das gröste Wunder.
O Wunder GOttes Sohn ist ewiglich gewesen /
Und seine Mutter ist doch heut erst sein genesen!

23. Die Geistliche Mutter GOttes.
Marien Demut wird von GOtt so werth geschätzt /
Daß Er auch selbst jhr Kind zu seyn sich hoch ergötzt:
Bistu demüttiglich wie eine Jungfrau rein;
So wird GOtt bald dein Kind / du seine Mutter seyn.

24. An das Kindlein JEsu.
Wie sol ich Dich mein Kind die kleine Liebe Nennen /
Dieweil wir deine Macht unendlich groß erkennen?
Und gleichwol bistu klein! ich sprech dann groß und klein /
Kind / Vatter / GOtt und Mensch / O Lieb’ erbarm dich mein.

25. Ein Kind seyn ist am besten.
Weil man nunmehr GOtt selbst den grösten kleine findt /
So ist mein gröster Wuntsch zu werden wie ein Kind.

26. Der Mensch das würdigste.
GOtt weil Er wird ein Mensch / zeugt mir daß ich allein
Jhm mehr und wehrter bin als alle Geister seyn.

27. Der Nahme JEsus.
Der süsse JEsus Nahm’ ist Hönig auf der Zung;
Im Ohr ein Brautgesang / im Hertz ein Freudensprung.

28. Der Kreiß im Puncte.
Als GOtt verborgen lag in eines Mägdleins Schoß /
Da war es / da der Punct den Kreiß in sich beschloß.

29. Das Grosse im Kleinen.
Du sprichst / das Grosse kan nicht in dem Kleinen seyn /
Den Himmel schleust man nicht ins Erdenstüpffchen ein.
Komb schau der Jungfraun Kind; so sihstu in der Wiegen /
Den Himmel und die Erd’ / und hundert Welte liegen.

30. Auf die Krippe JEsu.
Hier liegt das wehrte Kind / der Jungfrau erste Blum /
Der Engel Freud und Lust / der Menschen Preiß und Ruhm.
Sol Er dein Heyland seyn / und dich zu GOtt erheben /
So mustu nicht sehr weit von seiner Krippe leben.

31. Dein Hertz wanns leer / ist besser.
Ach elend! Unser GOtt muß in dem Stalle seyn!
Räum auß mein Kind dein Hertz / und giebs Jhm eylends ein.

32. Der Himmel wird zur Erden.
Der Himmel senket sich / er kombt und wird zur Erden:
Wann steigt die Erd’ empor / und wird zum Himmel werden?

33. Wann GOtt empfangen wird.
Als dann empfähstu GOtt / wann seines Geistes gütte /
Beschattet seine Magd die Jungfrau dein Gemütte.

34. Auf das Creutz unsers Erlösers.
Gewiß ist dieser Baum vom Lebens Baum gehägt /
Weil er solch’ edle Frucht das Leben selber trägt.

35. Das allersüsseste.
Süß ist der Hönigseym / süß ist der Rebenmost /
Süß ist das Himmelbrod der Jsrelitten kost:
Süß ist was Seraphin von anbegin empfunden /
Noch süsser ist HErr Christ das süsse deiner Wunden.

36. Die übertreffliche Liebe.
Gantz unbegreiflich ist die Lieb’ auß der sich GOtt
Jn eines Mägdlein Schoß zum Bräutgam mir entboth.
Doch gleichet diesem nichts daß er auch Leib und Leben /
Am Creutze wie ein Schelm für mich hat hin gegeben.

37. Der verliebte GOtt.
GOtt liebet mich allein / nach mir ist Jhm so bange /
Daß Er auch stirbt für Angst / weil ich Jhm nicht anhange.

38. Die heylsame Wunde.
Die Wunde die mein GOtt für mich ins Hertz empfängt /
Verursacht / daß Er mir sein Blut und Wasser schenkt:
Trink ich mich dessen Voll / so haben meine Wunden /
Jhr wahres Balsamöl / und besten Heiltrank funden.

39. Der beste Stand unter dem Creutze.
Das Blutt das unserm HERRN auß seiner Wunden fleust /
Jst seiner liebe Thau damit Er unß begeust:
Wiltu befeuchtet seyn / und Unverwelklich blühen /
So mustu nicht einmal von seinem Creutze fliehen.

40. Ans Creutze Christi.
Schau deine Sünden sinds die Christum unsern Gott
So unbarmhertziglich verdammen biß inn Tod.
Jedoch verzweiffle nicht; bistu nur Magdalen /
So kanstu seeliglich bey seinem Creutze stehn.

41. An den Creutzfliehenden.
Ach Kind ists dir denn auch zur Zeit noch nicht bewust
Daß man nicht jmmer liegt an unsers HErren Brust?
Wen Er am liebsten hat / der muß in Creutz und Pein /
Jn Marter / Angst und Tod der Nächste bey ihm seyn.

42. An den Sünder.
Wach auf du todter Christ / Schau unser Pelican /
Sprengt dich mit seinem Blutt und Hertzenwasser an.
Empfängstu dieses recht mit aufgethanem Mund /
So bistu Augenbliks Lebendig und Gesund.

43. Das Oster Lamb.
Der Juden Oster Lamb war Fleisch und Blutt vonn Thieren:
Und dennoch konte sie der Würger nicht berühren:
Ess’ ich mein Oster Lamb / und zeichne mich mit Blut /
Das sein verwundter Leib für mich vergissen thut:
So ess’ ich meinen HErrn / GOtt / Bruder / Bräutgam / Bürgen:
Wer ist dann nu der mich kan schlagen und erwürgen?

44. Auf das Grab JEsu.
Hier ligt der welcher ist / und war / eh Er geworden:
Ein Held / der seinen Feind mit Leyden kan ermorden.
Wiltu ihm werden gleich / und Uberwinder seyn /
So leyd / meid / fleuch und stirb / in Wolust und in Pein.
Weistu nicht wer Er ist? so merke diese Drey /
Daß er ein Mensch und GOtt / und dein Erlöser sey.

45. Grabschrifft der H. Mechtildis.
Hier ligt die Jungfrau Gotts / die blühende Mechtild,
Mit der er offt sein Hertz gekühlt hat und gestillt.

46. Eine andere.
Hier liget GOttes Braut Mechtild das liebe Kind /
Jn welches Vater / Sohn / und Geist verlibet sind.

47. Auf den Grabstein S. Francisci.
Hier ligt ein Seraphin / mich wundert wie der Stein /
Bey solchem Flammen-Feur noch gantz kan blieben seyn!

48. Der einige Tag.
Drey Tage weiß ich nur; als gestern / heut / und morgen:
Wenn aber gestern wird ins heut und Nun verborgen /
Und morgen außgelöscht: so leb ich jenen Tag /
Den ich / noch eh ich ward / in GOtt zu leben pflag.

49. Grabschrifft deß Gerechten.
Hier ist ein Mann gelegt der stäts im Durste lebte /
Und nach Gerechtigkeit bey Tag und Nachte strebte /
Und nie gesättigt ward. Nun ist ihm Allbereit /
Sein Durst gestillt mit GOtt der süssen Ewigkeit.

50. Das Grosse im Kleinen.
Mein Gott wie mag das seyn? mein Geist die nichtigkeit /
Sehnt zuverschlingen dich den Raum der Ewigkeit!

51. Braut und Bräutigam.
Ein Bräutgam seyn ist viel: noch mehr der Braut genissen /
Und jhren süssen Mund mit Hertzer-Liebe küssen:
Jch aber liebe mehr die Hochzeit / da ich Braut
GOtt meinem Bräutigam werd’ innig eingetraut.

52. Grabschrifft der H. Jungfrauen Gertrudis.
Glaub hier in diesem Grab ligt nur ein blosser schein /
Es kan Gertrudis nicht wie man vermeinet seyn.
Wo sie nicht solt’ jhr Grab im Hertzen JEsu haben /
So muste JEsus seyn auß jhrem ausgegraben.

53. Was GOtt am liebsten ist
Nichts ist das GOtt so sehr als eine Jungfrau liebt /
Daß er auch jhr sich selbst zur Frucht und Kind ergiebt:
Wilstu sein liebstes seyn noch hier auf dieser Erden /
So darffstu anders nichts als seine Jungfrau werden.

54. Auf das Bildnuß deß kleinen Johannes mit dem JEsus Kindlein.
Die grosse Lieblichkeit / mit welcher GOttes Kind /
Johannes / und das Lamb allhier gemahlet sind /
Macht daß ich jnniglich begehre gantz zuseyn /
Johannes / oder ja ein lautres Lämmelein.

55. An den Sünder.
O Sünder wann du wol bedächst das kurtze Nun /
Und dann die Ewigkeit / du würdst nichts böses thun.

56. Von dem GOttsbegierigen.
Dem GOttsbegierigen wird dieser Punct der Zeit
Viel länger als das seyn der gantzen Ewigkeit.

57. Des Christen Kriegens-Art.
Gewöhne dich mein Kind auf Christi Art zu kriegen /
So wirstu deinen Feind gar Ritterlich besiegen:
Wie da? mit Liebe streit / mit Sanfftmut und Geduld
Weich seinen streichen auß / und sey jhm gerne Huld.

58. Es muß gestritten seyn.
Freund wer den Himmel nicht erobert und bestürmt /
Der ist nicht wehrt daß jhn sein Oberster beschirmt.

59. Die Liebe zwinget GOtt.
Das Himmelreich wird leicht erobert / und sein Leben:
Belagre GOtt mit Lieb: Er muß dirs übergeben.

60. Majestät mit Liebe.
Wärs wahr daß Majestät nicht könte stehn mit Liebe;
So sage mir wie GOtt ein Ewger König bliebe?

61. Die Demut macht bestehn.
Mensch überheb dich nicht / die Demut ist dir noth:
Ein Thurn ohn rechten Grund fällt von sich selbst inn Koth.

62. Von S. Laurentius.
Verwundere dich nicht daß mitten auff der Glutt
St. Laurentz seinen Mund so unverzagt auffthut:
Die Flamme die jhm hat in jhm sein Hertz entzündt /
Macht daß er äuserlich das Kohl-Feur nicht empfindt.

63. An die H. Clara.
Wer dich genennet hat / hat dir den Nahmen geben /
Den du mit Wahrheit hast / hier und in jenem Leben.

64. An S. Augustin.
Die weil dein Hertz nach GOtt so lodert Augustin,
Nennt man dich billicher hinführo Seraphin.

65. Von Maria Magdalena.
Die Thränen welche du bey unsers HErren Füssen
Die nasse Magdalen so heuffig sihst vergissen /
Seind jhr zerschmoltznes Hertz: diß kränket sie allein /
Daß nicht jhr Seel und Leib gantz sollen Thränen seyn.

66. Von der Allerseeligsten Jungfrauen.
Der Jungfräuliche Leib / der unser Himmelbrodt
Jn sich beschlossen hilt / ist warlich nicht mehr Todt.
Es fault kein Cederbaum: so wär’ es auch nicht fein /
Wann ausserm Tempel GOtts sein’ Arche solte seyn.

67. An Sanct Bernhard.
Bernhard weil mit dem Mund dein Hertz stimmt überein /
So kan es anders nichts als lauter JEsus seyn.

68. Die Seeligkeit.
Was ist die Seeligkeit? Ein zufluß aller Freuden;
Ein stätes anschaun Gotts; Ein lieben ohn Verdruß;
Ein Leben ohne Tod; Ein süsser JEsus-Kuß:
Nicht einen Augenblik vom Bräutigam seyn gescheiden.

69. Deß heiligen Reichthumb.
Sey arm / der Heylige hat nichts in dieser Zeit /
Als was er ungern hat / den Leib der Sterblichkeit.

70. GOtt der freygebigste.
GOtt gibt sich ohne maß: Je mehr man jhn begehrt /
Je mehr und mehr Er sich erbietet und gewehrt.

71. Jrrdischer Seraphin.
Du bist ein Seraphin noch hier auf dieser Erden:
Wo du dein Hertze läst zu lauter Liebe werden.

72. Ewiges Leben in der Zeit.
Wer GOtt in allem Thun von Hertzen Loben kan /
Der hebt schon in der Zeit das Ewge leben an.

73. Von S. Bartholomi.
Sag ob auch jemand ist / der mehr verlassen kan /
Als S. Bartholomé zur Leydenszeit gethan?
Die andern liessen zwar dem Herrn zu Ehrn jhr Leben:
Er aber hat auch noch die Haut darzu gegeben.

74. Der Frommen und Bösen Eigenthum.
Die Fromen haben gar nichts Eignes in der Welt /
Und die Gottlosen nichts im Ewgen Himmels Zelt.

75. Das köstlichste Grab.
Kein Grab ist köstlicher biß heute zu gewesen /
Als was von Lazari deß armen wird gelesen:
Und doch verlang’ ichs nicht: ich wünsche mir allein
Jn meines Heylands Schoß tief einversenkt zu seyn.

76. Die Seel ist GOttes bild.
Das Bildnüß GOttes ist der Seelen eingeprägt /
Wol dem der solche Müntz’ in reiner Leinwand trägt.

77. Der Rosenobel.
Wie Thöricht ist der Mensch / der Gold für GOtt erkiest:
Und weiß daß seine Seel ein Rosenobel ist.

78. Die Geistliche Sulamith.
GOtt ist mein Salomon, ich seine Sulamith,
Wenn ich jhn hertzlich Lieb’ / und Er sich mir entbiet.

79. Die geistliche Hochzeit.
Die Braut ist meine Seel; der Bräutgam GOttes-Sohn;
Der Priester Gottes Geist / und seiner Gottheit Thron
Jst der VermählungsOrt: der Wein der mich macht trunken /
Jst meines Bräutgams Blutt / die Speisen allzumal
Sind sein Vergöttet Fleisch / die Kammer und der Saal /
Und’s Bett’/ ist’s Vatters Schoß / in der wir seind versunken.

80. GOtt kan nicht alls Allein.
GOtt der die Welt gemacht und wider kan zunichten:
Kan nicht ohn meinen willn die Neugeburth ausrichten.

81. Der beste Wucherer.
Dem Wuchrer fall ich bey der jhm sovil erlauffen /
Daß er jhm kan ein Gutt im Himmelreich erkauffen.

82. Ein jeders von dem seinen.
Der Schiffmann redt vom Meer / der Jäger von den Hunden /
Der Geitzige von Gold / und ein Soldat von Wunden:
Mir weil ich bin Verliebt / wil anders nichts gebührn /
Als GOtt und seine Lieb im Munde stätts zuführn.

83. Der gröste Titel.
Wer meiner Seele wil den grösten Titel geben /
Der nenn sie GOttes Braut / sein Hertze / Schatz und Leben.

84. Von den Rosen.
Die Rosen seh ich gern: denn sie sind weiß und roth /
Und voller Dornen / wie mein Blutt-Bräutgam mein GOtt.

85. Du solt seyn Weiß und Roth.
Von Hertzen wünsch ich mir ein Hertze / HErr mein GOtt /
Jn deiner Unschuld weiß / von deinem Blutte roth.

86. Auch untern Dornen blühen.
Christ / so du Unverwelkt in Leyden Creutz und Pein /
Wie eine Rose blühst / wie seelig wirstu seyn!

87. Dich auffthun wie die Rose.
Dein Hertz empfähet GOtt mit alle seinem Gutt /
Wann es sich gegen jhm wie eine Ros’ aufthut.

88. Es muß Gecreutzigt seyn.
Freund wer in jener Welt wil lauter Rosen brechen /
Den müssen vor allhier die Dornen gnugsam stechen.

89. Die Schönheit.
Die Schönheit lieb’ ich sehr: doch nenn ich sie kaum schön /
Jm fall’ ich sie nicht stätts seh’ untern Dornen stehn.

90. Jetzt mustu blühen.
Blüh auf gefrorner Christ / der Mäy ist für der Thür:
Du bleibest ewig Todt / blühstu nicht jetzt und hier.

91. Die geheimbe Rose.
Die Ros’ ist meine Seel / der Dorn deß Fleischeslust /
Der Frühling Gottes gunst / sein Zorn ist Kält und Frost:
Jhr blühn ist guttes thun / den Dorn jhr Fleisch nicht achten /
Mit Tugenden sich ziehrn / und nach dem Himmel trachten:
Nimmt sie die Zeit wol wahr / und blüht weils Frühling ist /
So wird sie ewiglich für GOttes Ros’ erkiest.

92. Das edleste und schnödeste.
Nichts Edlers ist nach GOtt als meine Seel allein:
Wendt sie sich von jhm ab / so kan nichts schnöders seyn.

93. Das gröste Heiligthum.
Kein grösser Heiligthum kan man auf Erden finden /
Als einen keuschen Leib mit einer Seel ohn Sünden.

94. Das wehrteste.
Kein ding ist auf der Welt so hoch und wehrt zuachten /
Als Menschen die mit fleiß nach keiner Hochheit trachten.

95. Das Schädlichste.
Die Sünde weil sie GOtt erzörnt / und dich verletzt /
Wird billich schädlicher als Satan selbst geschätzt.

96. An den Sünder.
Der reichste Teuffel hat nicht einen Kieselstein:
Du bist des ärmbsten Sclav: kan auch was ärmers seyn?

97. Die glükseelige Sünden.
Glükseelig preiß ich dich und alle deine Sünden /
Wo sie nur endlich das / was Magdalene finden.

98. Sich nicht verstellen ist nicht sündigen.
Was ist nicht sündigen? du darffst nicht lange fragen:
Geh hin / es werdens dir die stummen Blumen sagen.

99. Ein reines Hertz schaut GOtt.
Der Adler siht getrost grad in die Sonn hinein:
Und du inn Ewgen blitz / im fall dein Hertz ist rein.

100. Die Sanfftmut besitzt das Erdreich.
Du strebst so embsiglich nach einem Fleklein Erden:
Durch Sanfftmut köntestu der gantzen Erbherr werden.

The following is the German text of the Cherubinischer Wandersmann by Johannes Scheffler / Angelus Silesius.

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101. Das lebendige Todtengrab.
Mensch ist dein Antlitz schön / und deine Seele bleich /
So bistu lebendig den Todtengräbern gleich.

102. Der Weg zum Schöpffer.
Du armer sterblicher / ach bleib doch nicht so kleben /
Ann Farben dieser Welt / und jhrem schnöden Leben:
Die Schönheit deß geschöpffs ist nur ein blosser steg /
Der unß zum Schöpffer selbst / dem schönsten zeigt den Weg.

103. Gerechtigkeit macht Seelig.
Wer seelig werden wil / der muß mit weisser Seiden /
So zierlich als er kan / sein Leib und Seel bekleiden.

104. Grabschrifft einer heiligen Seelen.
Hier ligt die grosse Braut / der Menschheit Christi Lohn /
Der GOttheit Ehr und Ruhm / deß heilgen Geistes Thron.

105. Wie man GOttes Huld erlangt.
Jm munde Hönigseim / im Hertzen trage Gold /
Jnn Augen lautres Licht / so wird dir Christus hold.

106. An den Sünder.
Ach Sünder traue nicht / weil du die Magdalen
Befridigt und getrost von unsrem HErrn sihst gehn:
Du bist ihr noch nicht gleich: wiltu deß Trosts geniessen /
So lege dich zuvor wie sie zu seinen Füssen.

107. Ein unbeflekter Mensch ist über die Engel.
Ein Engel seyn ist viel; Noch mehr ein Mensch auf Erden /
Und nicht mit jhrem wust und Koth besudelt werden.

108. Der Volkomne ist nie frölich.
Mensch / ein Volkomner Christ hat niemals rechte freud
Auf diser Welt: warumb? Er stirbet allezeit.

109. Der Leib ist Ehren werth.
Halt deinen Leib in Ehrn / er ist ein edler Schrein /
Jn dem das Bildnüß GOtts sol aufbehalten seyn.

110. Der Seelige Sünder.
Kein Sünder ist so wol und seelig je gestorben /
Als der deß HErren gunst wie Magdalen erworben.

111. Das Menschliche Hertze.
GOtt / Teuffel / Welt / und alls wil in mein Hertz hinein:
Es muß ja wunder schön und grosses Adels seyn!

112. Das Hertz ist unermeßlich.
Ein Hertze welches sich vergnügt mit ort und Zeit /
Erkennet warlich nicht sein’ unermäßlichkeit.

113. Der Tempel GOttes.
Jch bin der Tempel GOtts / und meines Hertzens schrein
Jsts allerheiligste / wann er ist leer und rein.

114. Die Uberformung.
Dann wird das Thier ein Mensch / der Mensch ein Englisch wesen /
Und dieses GOtt / wann wir Vollkömmlich seynd genesen.

115. Du must zuvor das seyn.
Mensch sol GOtt und sein Lamm dein Ewger Tempel seyn /
So mustu jhm zuvor dein Hertz zu einem weihn.

116. Der geistliche Opfferzeug.
Mein Hertz ist ein Altar / mein will’ ists Opffer-Gutt /
Der Prister meine Seel / die Liebe Feur und Glutt.

117. Der Ekstein ist das beste.
Den Goldstein suchet man / und läst den Ekkestein /
Durch den man ewig reich / gesund / und klug kan seyn!

118. Der weisen Stein ist in dir.
Mensch geh nur in dich selbst. Denn nach dem Stein der weisen /
Darf man nicht allererst in frembde Lande reisen.

119. Der Ekstein macht was ewig wehrt.
Der Goldstein machet Gold das mit der Welt vergeht:
Der Ekstein einen Bau der ewiglich besteht.

120. Die beste Tingirung.
Den halt ich im Tingirn für Meister und bewehrt /
Der GOtt zu Lieb sein Hertz ins feinste Gold verkehrt.

121. Wir habens besser als die Engel.
Den Engeln geht es wol; noch besser uns auff Erden:
Denn keiner jhrs Geschlechts kan GOtts Gemahlin werden.

122. Das gröste Wunderwerk.
Kein grösser Wunderwerk hat man noch nie gefunden:
Als daß sich GOtt mit Koth (dem Menschen) hat verbunden.

123. GOtt geht doch etwas ab.
Man sagt / GOtt mangelt nichts / Er darff nicht unsrer gaben:
Jsts wahr / was wil Er dann mein armes Hertze haben?

124. Die geistliche Drachenstürtzung.
Wann du auß dir Verjagst die Sünd und jhr getümmel /
So wirfft St. Michael den Drachen auß dem Himmel.

125. Die Hoffart und Demut.
Die Hoffart wird gehast / die Demut wird geliebt:
Und doch ist kaum ein Mensch der sie für jener übt.

126. Der Weg zur Heiligkeit.
Der allernächste Weg zur wahren Heiligkeit /
Jst Demut auf dem Pfad der keuschen Reinigkeit.

127. Der Ewge Sabbath in der Zeit.
Ein Mensch der sich in sich in GOtt versamblen kan /
Der hebt schon in der Zeit den Ewgen Sabbath an.

128. Sich selbst regiern ist Königlich.
Ein Mensch der seine Kräfft’ und Sinne kan regiern;
Der mag mit guttem recht den Königs Titel führn.

129. Der grade Weg zum Leben.
Wann du wilt grades Wegs ins Ewge Leben gehn /
So laß die Welt und dich zur linken Seiten stehn.

130. Der Mundtrank GOttes.
Der Trank den GOtt der HErr am allerliebsten trinkt /
Jst Wasser das für lieb auß meinen Augen dringt.

131. Das geheime Königreich.
Jch bin ein Königreich / mein Hertz das ist der Thron /
Die Seel ist Königin / der König GOttes Sohn.

132. Das Hertze.
Mein Hertze weil es stäts in GOtt gezogen steht /
Und jhn herwieder zeucht / ist Eisen und Magnet.

133. Von der H. Teresa.
Teresa wil sonst nichts als Leyden oder sterben:
Warumb? die Braut muß jhr den Bräutgam so erwerben.

134. Der liebste Mensch bey GOtt.
Der allerliebste Mensch den GOtt hat in der Zeit /
Jst der viel Creutz und Pein umb seinet willen leidt.

135. Ein Hertz umbschlisset GOtt.
Gar unaußmäßlich ist der Höchste wie wir wissen:
Und dannoch kan jhn gantz ein Menschlich Hertz umbschlissen!

136. Mittel zur Heiligkeit.
Dein Geist sey aufgespannt / dein Hertze leer und rein /
Demüttig deine Seel: so wirstu heilig seyn.

137. Die Lieb ist alle Tugenden.
Die Lieb ist nie allein / wer sich mit ihr beweibt /
Dem wird das gantze Chor der Jungfern einverleibt.

138. Die Lieb ist Todt.
Ach ach die Lieb ist todt! wie ist sie dann gestorben?
Für Frost / weil niemand sie geacht / ist sie verdorben.

139. Was man sucht das findt man.
Der Reiche suchet Gold / der arme suchet GOtt:
Gold find der arme Mensch warhafftig / jener Koth.

140. Das Königliche Leben.
Gib deinen willen GOtt: dann wer jhn aufgegeben /
Derselbe führt allein ein Königliches Leben.

141. Wir sollens GOtt wider seyn.
GOtt der bequämt sich unß / Er ist unß was wir wollen:
Weh unß / wann wir jhm auch nicht werden was wir sollen.

142. Jn Sanfftmuth wohnet GOtt.
Versänfftige dein Hertz. GOtt ist in starken Winden /
Jn Erdbewegungen / und Fewer / nicht zufinden.

143. Die Lampe muß recht brennen.
Ach Jungfrau schmücke dich / laß deine Lampe brennen:
Sonst wird der Bräutigam dich nicht für Braut erkennen.

144. Die Morgenröth’ und Seele.
Die Morgenröth’ ist schön / Noch schöner eine Seele /
Die GOttesstral durchleucht in jhres Leibes Höle.

145. GOtts süssester Geruch.
Der süsseste Geruch der GOtt so sehr beliebt /
Steigt auf vom Lob das jhm ein reines Hertze giebt.

146. Die Macht der Seelen.
Die Seel ist groß von Macht / GOtt selbst muß ihr gestehn /
Und kan jhr nimmermehr ohn jhren Willn entgehn.

147. GOtt wil alleine seyn.
Verschleuß GOtt in dein Hertz / laß keinen andern drein /
So muß er stäts bey dir und dein gefangner seyn.

148. GOtt ist mein Punct und Kreiß.
GOtt ist mein mittelpunct wenn ich Jhn in mich schlisse:
Mein Umbkreiß dann / wenn ich auß Lieb’ in jhn zerflisse.

149. Das Hochzeit Kleyd ist noth.
Der Himmel thut sich auf / der Bräutgam komt gegangen!
O Braut wie wiltu jhn ohns Hochzeit Kleyd embfangen!

150. Die Last unds Joch deß HErren.
Süß ist deß HErren joch / und sanffte seine Last.
Wol dir / wann du sie stäts auf deinen Achseln hast.

151. Der Heilige trauret nie.
Der Heilige kan nie im Geist betrübet seyn:
Warumb? er lobt GOtt stäts auch in der grösten Peyn.

152. Der Himmlische auf Erden.
Wer reines Hertzens ist / und Züchtig in Geberden /
Und hochverliebt in GOtt / ist Himmlisch auf der Erden.

153. Die Knechte Freunde und Kinder.
Die Knechte fürchten GOtt: die Freunde lieben jhn:
Die Kinder geben jhm jhr Hertz und allen Sin.

154. Vom S. Ignatius.
Wie daß Ignatius von Thieren wird zerrissen?
Er ist ein Weitzenkorn: GOtt wils gemahlen wissen.

155. Wegweiser zur Freuden.
Ein Hertze voller GOtt mit einem Leib voll Leyden /
Thut unß am besten kundt den Weg zur ewgen freuden.

156. Die Lieb ist über wissen.
Mit GOtt vereinigt seyn / und seinen Kuß genissen /
Jst besser als viel Ding ohn seine Liebe wissen.

157. S. Agneten Grabschrifft.
S. Agnes lieget hier / die Jungfrau und die Braut /
Die keinem andern Mann als Christo sich vertraut.
Doch / nein sie ligt nicht hier: wer sie wil sehen stehn /
Der muß so nah man kan zum Lämmlein GOttes gehn.

158. Die Jungfrauschafft muß fruchten.
GOtt liebt die Jungfrauschafft umb jhrer süssen Früchte.
Alleine läst Er sie nicht für sein Angesichte.

159. Die lieblichste Music.
Die lieblichste Music / die GOtt den Grim benimbt /
Entsteht wenn Hertz und Mund in jhm zusammen stimmt.

160. Die Lieb ist ewig.
Die Hoffnung höret auf. der Glaube kombt zum schauen /
Die Sprachen redt man nicht / und alles was wir bauen /
Vergehet mit der Zeit; die Liebe bleibt allein:
So last unß doch schon jetz auf sie befliessen seyn.

161. Was GOtt nicht kennet.
GOtt der sonst alles siht / und alles bringt ans Licht /
Kennt einen losen Mann und leere Jungfrau nicht.

162. Der Jrrwisch.
Wer ohne Liebe laufft / komt nicht ins Himmelreich:
Er springt bald hin bald her / ist einem Jrrwisch gleich.

163. Die geheime Widergeburt.
Auß Gott wird man gebohrn / in Christo stirbet man:
Und in dem heiligen Geist fäht man zu Leben an.

164. Die Lieb’ ists Glaubens Seele.
Der Glaub allein ist Todt / Er kan nicht eher Leben /
Biß daß ihm seine Seel die Liebe wird gegeben.

165. Des GOttverliebten Wunsch.
Drey wünsch’ ich mir zu seyn: erleucht wie Cherubim /
Geruhig wie ein Thron / entbrannt wie Seraphim.

166. Das Creutze.
Vor Zeiten war das Creutz die gröste Schmach und Hohn:
Nu trägts der Keiser selbst auf seinem Haupt und Kron!

167. Der Geitz ist manchmal gut.
Der Geitzhalß scharrt und kratzt umb zeitlichen Gewin:
Ach daß wir unß nicht so umb ewigen bemühn!

168. Die GOttheit.
Die GOttheit ist ein Brunn / auß jhr kombt alles her:
Und laufft auch wider hin / drumb ist sie auch ein Meer.

169. Die Busse.
Die Buß ist wie ein Strom / sie dämpfft mit ihren Wellen
Den grösten GOttes Zorn / und löscht das Feur der Höllen.

170. Vom Ewigen bewegen.
Du suchst mit solchem fleiß das ewige bewegen /
Und ich die Ewge ruh: woran ist mehr gelegen?

171. Ein Narr sucht vielerlei.
Der weise sucht nur eins / und zwar das höchste Gut:
Ein Narr nach vielerley / und kleinem streben thut.

172. Das edleste das gemeinste.
Je edeler ein ding / je mehr ist es gemein.
Das spüret man an GOtt und seiner Sonnenschein.

173. Das Merkmahl ist die Liebe.
Mensch wann du wilt im Volk die Freunde GOtts erfragen /
So schau nur welche Lieb’ in Hertz und Händen tragen.

174. Nur GOtt sey dein warumb.
Nicht du / noch Freund / noch Feind / nur GOttes Ehr allein /
Sol eintzig dein warumb / und end-ursache seyn.

175. Was GOtt von Ewigkeit gethan.
Was that GOtt vor der Zeit in seinem Ewgen thron?
Er liebete sich selbst / und zeugte seinen Sohn.

176. Eins muß verlassen seyn.
Mensch anderst kans nicht seyn: du must’s Geschöpffe lassen /
Wo du den Schöpffer selbst gedänkest zu umbfassen.

177. Die lange Marter.
Es ist den Märtyrern gar herrlich wol gelungen /
Daß sie durch kurtzen Tod zu GOtt sind eingedrungen:
Wir werden fort und fort die gantze Lebenszeit
Gemartert: Und von wem? von der begierlichkeit.

178. Wer reich im HErrn / den Lieb ich gern.
Den armen bin ich huld: doch lieb ich mehr die reichen /
Die keinem Fürstenthumb im Himmel dürffen weichen.

179. Vom Lieben.
Die Liebe diser Welt die endt sich mit betrüben:
Drumb sol mein Hertz allein die Ewge Schönheit lieben.

180. GOtt weiß jhm keinen Anfang.
Du fragst / wie lange GOtt gewest sey? umb bericht:
Ach schweig: es ist so lang’ / Er weiß es selber nicht.

181. Auch von GOtt.
GOtt ist noch nie gewest / und wird auch niemals seyn /
Und bleibt doch nach der Welt / war auch vor jhr allein.

182. Es muß gestritten seyn.
Streit hurtig dapffrer Mann / biß du erlangst die Kron.
Wer in dem Streit erligt / hat ewig Spott und Hohn.

183. Beharrligkeit ist Noth.
Das gröste das ein Mensch bedarff zur seeligkeit /
(Wo er im gutten steht) ist die beharrligkeit.

184. Du must dich noch gedulden.
Erwart’ es meine Seel: das Kleyd der Herrlichkeit
Wird keinem angethan in diser wüsten Zeit.

185. Der Weißheit Anfang mittel und Ende.
Die Furcht deß HErren ist der Weißheit anbeginn /
Jhr End’ ist seine Lieb / jhr mittel kluger Sinn.

186. Haß und Liebe.
Das gutte Lieb’ ich hoch / dem bösen bin ich feind:
Schau ob nicht Lieb und Haß wol bey einander seynd?

187. Man solle auffs höchste bringen.
Mein thun geht nur dahin / daß ich noch mög auf Erden
Maria / und ihr Kind der Sohn des höchsten werden.

188. Das Wort wird noch gebohrn.
Fürwahr das Ewge Wort wird heute noch gebohrn /
Wo da? da wo du dich in dir hast selbst verlohrn.

189. Johannes an der Brust.
Ach wer Johannes ist / der ligt nach aller Lust
Jn seines Meisters Schoß und süssen JEsus Brust!

190. Vom Sünder und Geiste GOttes.
Der Geist deß HErrn erfüllt den gantzen Erdenkreiß:
Wo ist der Sünder dann / der jhn nicht fühlt noch weiß?

191. GOtt liebt man nie zuviel.
Wer GOtt recht lieben wil / der thu’s ohn maß und Ziehl /
Er ist so süß und gutt / man liebt jhn nie zu viel.

192. Drey Worte sind erschröklich.
Drey Worte schrökken mich: das Jmmer / Allezeit /
Und Ewig / seyn Verlohrn / Verdampt / Vermaledeit.

193. Die Liebe ist die beste.
Jch mag mich auf der Welt in keiner Kunst so üben /
Als wie ich meinen GOtt aufs innigste sol lieben.

194. Die Weißheit ist das beste Weib.
Begehrestu ein Weib / die prächtig reich und fein:
So nimb die Weißheit; nur sie wird dir alles seyn.

195. Die Welt ist von einer Jungfrau gemacht.
[Fußnote] Von einer Jungfrau ist die gantze Welt gemacht:
Durch eine Jungfrau wird sie neu und wiederbracht.

196. Die Weißheit und die Liebe.
Die Weißheit schauet GOtt / die Liebe küsset Jhn:
Ach daß ich nicht voll Lieb und voller Weißheit bin!

197. Die Weißheit ist GOttes Rath.
Wer die Geheimnüsse deß HErren gerne hat /
Der muß zur Weißheit gehn; sie ist geheimer Rath.

198. Auf Hoffnung säet man.
Man wirfft das Weitzenkorn auf Hoffnung in die Erden:
So muß das Himmelreich auch außgestreuet werden.

199. Die würkung der H. Dreyfaltigkeit.
Die Allmacht hält die Welt: die Weißheit die regiert;
Die Gütte segnet sie: wird hier nicht GOtt gespürt?

200. Der Weise redet wenig.
Ein Weiser / wann er redt was nutzet und behagt /
Ob es gleich wenig ist / hat viel genug gesagt.

The following is the German text of the Cherubinischer Wandersmann by Johannes Scheffler / Angelus Silesius.

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201. GOtt gibt gern grosse Gaben.
GOtt / weil Er groß ist / gibt am liebsten grosse Gaben:
Ach daß wir arme nur so kleine Hertzen haben!

202. Man kan auch GOtt verwunden.
GOtt wird von nichts verletzt / hat nie kein Leyd empfunden:
Und doch kan meine Seel Jhm gar das Hertz verwunden.

203. Der Mensch ist groß für GOtt.
Wie groß sind wir gesehn! die hohen Seraphim
Verdekken sich für GOtt: wir dürffen bloß zu Jhm.

204. Man achtt das Ewge nicht.
Ach weh! umb eitle Lust verschertzt man Gurt und Blutt:
Und umb die Ewige fast niemand werben thut!

205. Der allerverliebste der Allerheiligste.
Wer ist der heiligste? der mehr verliebet ist:
Die Liebe machts daß man für heilig wird erkiest.

206. Vom Gewissen.
Ein gutt Gewissen ruht / ein böses beist und billt:
Jst wie ein Kettenhund / der schwerlich wird gestillt.

207. Vom wissen.
Viel wissen ist zwar fein: doch gibts nicht solche Lust /
Als jhm von Kindheit an nichts böses seyn bewust.

208. Deß Weisen Goldmachung.
Der Weise machet Gold / verändert Ertz und Stein /
Wann er die Tugend pflantzt / und unß macht Englisch seyn.

209. GOtt ist mein Himmelbrodt.
Jch habe nichts so gern in meinem Mund als Gott:
Er schmäkt mir wie ich wil; Er ist mein Himmelbrodt.

210. Du must geübet werden.
Freund habe doch geduld: wer für dem HErrn sol stehn /
Der muß vor Viertzig Jahr in der Versuchung gehn.

211. Die Gliedmassen der Seelen.
Die Seel steht mit verstand / geht mit begierden fort /
Mit Andacht redet sie / kombt mit Verharrn ann Port.

212. Das Vieh lebt nach den Sinnen.
Wer nach den Sinnen lebt / den schätz ich für ein Vieh:
Wer aber Göttlich wird / dem beug ich meine Knie.

213. Die Weißheit ist ein Qual.
Die Weißheit ist ein Qual / je mehr man auß jhr trinkt /
Je mehr und mächtiger sie wieder treibt und springt.

214. Die Heiligen messen GOtt.
Wer gründt die tieffe GOtts? wer schätzt wie hoch Er flammt?
Wer mist Jhn lang und breit? die Heilgen allesambt. [Fußnote]

215. Der da war / ist und kommen wird / in Apocal.
Der Vater war zuvor / der Sohn ist noch zur Zeit /
Der heilge Geist wird seyn im Tag der Herrligkeit.

216. GOtt thut es alles selbst.
GOtt ist nur alles gar; Er stimmt die Seiten an
Er singt und spilt in unß: wie hast dann du’s gethan?

217. GOtt ist überall und nirgends.
Dänkt / überall ist GOtt der grosse Iehova.
Und ist doch weder hier / noch anderswo / noch da.

218. Jm Himmel ist kein Mann noch Weib.
Jm Himmel ist kein Mann noch Weib / was dann zuschauen?
Jungfräulich’ Engel sinds / und Englische Jungfrauen.

219. Wer viel verläst / empfäht viel.
Laß alles was du hast / auf daß du alles nimst /
Verschmäh die Welt / daß du sie Hundertfach bekömst.

220. Der Seelen höchster Stand.
Niemand hat seinen Stand so hoch und groß gemacht /
Als eine Seel die jhr Gemüth in Ruh gebracht.

221. Der Böse kan nicht ruhen.
O wunder! Alles laufft daß es zur ruh gelange!
Und einem bösen Mann ist bey derselben bange!

222. Deß Himmels und der Hölln geschrey.
Jm Himmel rufft man stäts O-Sanna in der höh:
Und in der Höllen nichts als Jammer Ach und Weh!

223. Dein Wille kan dir helffen.
Verzage nicht mein Kind / hastu nur gutten Willen /
So wird sich endlich wol dein Ungewitter stillen.

224. Die Jungfrau muß auch Mutter seyn.
Die Jungfrauschafft ist wehrt: doch muß sie Mutter werden:
Sonst ist sie wie ein Plan von Unbefruchter Erden.

225. Bedänk das künfftige.
Bey GOtt ist Ewge Lust / beym Teufel Ewge Peyn:
Ach Sünder dänke doch bey welchem du wirst seyn.

226. Allein und nicht Allein.
Jch fliehe zwar das Volk / bin aber nie Allein:
Denn weh! wie solte mir ohn meinen Heyland seyn?

227. Die dreyfache Zukunfft Christi.
Die Zukunfft unsres HErrn / war / ist / und wird geschehn /
Jm Fleisch / im Geist / und wann man jhn wird Herrlich sehn.

228. Die Augen der Seele.
Zwey Augen hat die Seel: eins schauet in die Zeit /
Das andre richtet sich hin in die Ewigkeit.

229. Der Haß seiner selbst.
Jch lieb und hasse mich / ich führe mit mir Kriege /
Jch brauche List und Macht / daß ich mich selbst besiege:
Jch schlag’ und tödte mich / ich mach’ es wie ich kan
Daß ich nicht ich mehr bin: rath was ich für ein Mann?

230. Der Glaube / Hoffnung / Liebe und Andacht.
Der Glaube greifft nach GOtt; die Hoffnung nimbt jhn wahr;
Die Lieb’ umbhalset Jhn: die Andacht ißt Jhn gar.

231. Das fein-Perlein.
Der HErr vergleicht sein Reich mit einem fein-Perlein /
Daß es sol wol bewahrt / und wehrt geschätzet seyn.

232. Miß dir doch ja nichts zu.
Freund so du etwas bist / so bleib doch ja nicht stehn:
Man muß auß einem Licht fort in das andre gehn.

233. Drey Feinde deß Menschen.
Drey Feinde hat der Mensch: sich / Belzebub und Welt:
Auß diesem wird der Erst am langsamsten gefällt.

234. Die Seel ists theureste.
Jch halte meine Seel fürs theurest’ auf der Erden:
Weil sie mit Gottesblutt erkaufft hat müssen werden.

235. Der Dreyfache Gottes Kuß.
Drey Stände küssen GOTT: die Mägde falln zun Füssen /
Die Jungfern nahen sich die milde Hand zuküssen /
Die Braut so gantz und gar von seiner Lieb ist Wund /
Die liegt an seiner Brust / und küst den Hönig Mund.

236. Deß Teuffels / Engels / Menschens / und Viehes Kennzeichen.
Die Teuffel lästern GOtt / das Vieh das acht jhn nicht /
Die Menschen lieben jhn / die Engel schaun sein Licht /
Stäts unverwendet an. Auß diesem kanstu kennen /
Wen du solt Engel / Mensch / Vieh / oder Teufel nennen.

237. Wer Christo gleich ist.
Wer ist dem HErren gleich? der seine Feinde liebt /
Für die Verfolger bitt / und gutts umb böses giebt.

238. Die innerliche Geburt Gottes.
Ach freude! GOtt wird Mensch / und ist auch schon gebohren!
Wo da? Jn mir: Er hat zur Mutter mich erkohren.
Wie gehet es dann zu? Maria ist die Seel /
Das Krippelein mein Hertz / der Leib der ist die Höl /
Die neu Gerechtigkeit sind Windeln und sind Binden:
Der Joseph Gottes Furcht: Die Kräffte deß Gemütts
Sind Engel die sich freun: Die Klarheit ist jhr Blitz:
Die keusche Sinnen sind die Hirten die jhn finden.

239. Deutung deß Nahmens JEsus.
Kein Nahm ist unter alln so hoch gebenedeit
Als JEsus: denn Er Jst Ein Schatz voll Seeligkeit.

240. Die Drey Geistliche Weisen.
Drey Weisen tragen GOtt in mir drey Gaben an:
Der Leib zerknirschungs Myrrhn / die Seele Gold der Liebe /
Der Geist den Weyherauch der Andacht wie er kan:
Ach daß ich jmmerdar so dreymal Weise bliebe!

241. Die geheime Seelenflucht.
Herodes ist der Feind; Der Joseph der Verstand /
Dem macht GOtt die Gefahr im Traum (im Geist) bekandt.
Die Welt ist Bethlehem / Egypten Einsamkeit:
Fleuch meine Seele fleuch / sonst stirbestu für Leyd.

242. Die Wunder Geburt.
Maria ist Crystall / jhr Sohn ist Himmlisch Licht:
Drumb dringt er gantz durch sie / und öffnet sie doch nicht.

243. Die wunderliche umbwechßlung.
Schaut wunder: GOttes Sohn wird jung in lauter Freuden /
Und muß mit lauter Angst von hinnen wieder scheiden:
Wir kommen auff die Welt mit Thränen / und vergehn
Mit Lachen / wo wir recht in seinem Geiste stehn.

244. Sey niemals sicher.
Ach Jungfrau sieh dich für: denn wann du Mutter worden /
So suchet straks der Feind dein Kindlein zuermorden.

245. Die unerhörte Verkehrung.
Es kehrt sich alles umb: die Burg ist in der Höle /
Die Krippe wird ein Thron / der Tag kombt in der Nacht /
Die Jungfrau bringt ein Kind: Ach Mensch biß auch bedacht /
Daß sich verkehre wol / dein Hertze Geist und Seele.

246. Von der Krippe.
Die Krippe halt’ ich nu für einen Kleinod-schrein /
Weil JEsus drinnen liegt / der mein Carfunkelstein.

247. Von der Jungfrawen Maria.
Das Weib umbgiebt den Mann / der Jungfrau wird vertraut
Der Held. Wie da? Sie ist das Brauttbett und auch Braut.

248. Die Perlen geburt.
Die Perle wird vom Thau in einer Muschel Höle
Gezeuget und gebohrn / und diß ist bald beweist
Wo du’s nicht glauben wilt: Der Thau ist GOttes-Geist /
Die Perle JEsus Christ / die Muschel meine Seele.

249. Der Jahrs Beschluß.
Es wird das alte Jahr / das sich nu schleust / gehalten
Als wanns vergangen wär’: und diß ist wahr mein Krist /
Wo du ein Neuer Mensch in GOtt geworden bist:
Jsts nicht; so lebstu noch wahrhafftig in dem alten.

Vierdtes Buch

1. GOtt wird waß Er nie war.
Der ungewordne GOtt wird mitten in der Zeit
Was Er nie ist gewest in aller Ewigkeit.

2. Der Schöpffer wird’s Geschöpffe.
Das Unerschaffene Licht wird ein erschaffnes Wesen:
Daß sein Geschöpffe nur durch selbes kan genesen.

3. An das JEsus Kind.
Jch habe dich mein Kind / du zarter Nazarener /
Den Lilgen offt vergleicht; Nu aber geh ichs an /
Daß jch dir viel zu kurtz und Unrecht hab gethan:
So viel du edler bist / so viel bistu auch schöner.

4. Das geheime Nazareth und geistliche Verkündigung.
Maria / Nazareth / und Gabriel der Both /
Jst meine Seel / mein Hertz / und neues Licht von Gott.
Mein Hertze zwar wann es ein Blumenthal geworden
Die Seele wann sie steht im keuschen Jungfern Orden
Und wohnt in diesem Thal: das neue Gnaden Licht /
Wann Gott sein Ewges Wort in jhrem Geiste spricht.

5. Von dem JEsus Kind an der Mutter Brüsten.
Wie schlecht ist Gottes Sohn bewirthet auf dem Heu:
Man siehet nichts umb jhn als lauter Armuthey:
Er achtets aber nicht / und läst jhm wol genügen /
Weil Er kan an der Brust der süssen Mutter liegen.

6. GOtt auf dem Stroh.
Je! daß jhm GOtt den Stall und’s Stroh hat außerkiest!
Es ziemet sich also weil Er ein Lämmlein ist.

7. Der Fall Evae ist Ursach daß GOtt Mensch worden.
Der Ewge GOttes Sohn kombt her in diese Wüsten /
Und nährt sich wie ein Kind an einer Jungfrau Brüsten.
Wer hat ihm dieses weh verursacht und gemacht?
Ein abgefallnes Weib hat jhn darzu gebracht.

8. Der Nahme JESUS.
Der Nahme JEsus ist ein außgegossnes Oele:
Er speiset / und Erleucht / und stillt das weh der Seele.

9. Das Unaußsprechliche.
Das Unaußsprechliche das man pflegt Gott zunennen /
Giebt sich in einem Wort zusprechen und zukennen.

10. Die volle Seeligkeit.
Der Mensch hat eher nicht vollkommne Seeligkeit;
Biß daß die Einheit hat verschlukt die Anderheit.

11. Mit schweigen Ehrt man GOtt.
Die Heilge Majestät (wiltu jhr Ehr erzeigen)
Wird allermeist geehrt mit heilgem stilleschweigen.

12. Jn Einem alles Heyl.
Jn einem steht mein Heil / in einem meine Ruh:
Drumb lauff ich mit Verlust viel dings dem Einen zu.

13. Die Eigenschafft der dreyen Stände.
Die Büsser flehn Gott an / die freyen danken jhm /
Die Bräute sind voll Lieb’ und Ruh wie Seraphim.

14. GOtt giebt das groß’ im kleinen.
Nimb was der HERR dir giebt / Er giebt das groß im kleinen /
Jn schlechten schlakken Gold / ob wirs zwar nicht vermeinen.

15. Uberschrifft der Heyligen Agatha.
Diß war die keusche Seel / die GOtt von freyer Hand
Geehrt hat / und erlöst ihr Volk und Vaterland.

16. Der Schnee in der Sonne.
Wie schöne gläntzt der Schnee wann jhn der Sonnenstrahlen
Mit Himmelischem Licht bestreichen und bemahlen!
So gläntzt auch deine Seel / so sie ist weiß wie Schnee:
Wann sie beschienen wird vom Aufgang auß der Höh.

17. Zu dem HErren JESU.
Jch nah mich HERR zu dir als meinem Sonneschein /
Der mich erleucht / erwärmt / und macht lebendig seyn.
Nahstu dich wiederumb zu mir als deiner Erden /
So wird mein Hertze bald zum schönsten Früling werden.

18. Der Tugend Ziel ist GOtt.
GOtt ist der Tugend Ziel / jhr antrieb / jhre Kron /
Jhr eintziges warumb / und ist auch all’ jhr Lohn.

19. Ein gutt Gewissen.
Was ist ein gutter Muth der wol mit GOtte steht?
Ein stättes frölich seyn / und ewiges Panket.

20. Die Verlust.
Mensch schau die Lust der Welt / die Endet sich mit Peyn:
Wie kanstu jhr dann auch so gantz ergeben seyn?

21. Der unerkandte GOtt.
Was GOtt ist weiß man nicht: Er ist nicht Licht / nicht Geist /
Nicht Wonnigkeit / nicht Eins / nicht was man Gottheit heist:
Nicht Weißheit / nicht Verstand / nicht Liebe / Wille / Gütte:
Kein Ding / kein Unding auch / kein Wesen / kein Gemütte:
Er ist was ich / und du / und keine Creatur /
Eh wir geworden sind was Er ist / nie erfuhr.

22. An S. Augustin.
Halt an mein Augustin: Eh du wirst Gott ergründen /
Wird man das gantze Meer in einem Grüblein finden.

23. Göttliche beschauung.
Das überlichte Licht schaut man in diesem Leben
Nicht besser / als wann man ins dunkle sich begeben.

24. Die Uberformung.
Du must den Leib in Geist / den Geist in GOtt versetzen /
Wann du dich / wie dein Wuntsch / vollkömlich wilt ergötzen.

25. Die GOttesschauer.
Was thun die schauer GOtts? sie thun das in der Zeit /
Was andre werden thun dort in der Ewigkeit.

26. Moses.
Dänkt Mosis Antlitz ward so gläntzend als die Sonne /
Da er das ewge Licht im dunckeln nur gesehn!
Was wird nicht nach der Zeit den Seeligen geschehn /
Wann sie GOtt werden schaun im Tag der ewgen Wonne?

27. Die Seeligen.
Was thun die seeligen / so man es sagen kan?
Sie schaun ohn unterlaß die ewge Schönheit an.

28. Die Heiligen und Gottlosen.
Die Heiligen sind GOtt ein lieblicher Geruch:
Die Bösen ein Gestank / ein abscheu / und ein Fluch.

29. Die Liebe.
Die Lieb ist wie der Tod: sie tödtet meine Sinnen /
Sie brichet mir das Hertz / und fährt den Geist von hinnen.

30. GOtt über alle Gaben.
Jch bitte dich mein GOtt zwar offt umb deine Gaben /
Doch wisse daß ich dich viel lieber selbst wil haben.
Drumb gieb mir was du wilt / es sey auch ewges Leben:
Giebstu mir dich nicht selbst / so hastu nichts gegeben.

31. Die glükseelige Musse.
Johannes an der Brust / MARIA bey den Füssen /
Thun alle zwey sonst nichts / als daß sie Gotts geniessen:
Wie wol sind sie daran! könt’ ich so müssig seyn /
Jch regete mich nicht / fiel’ auch der Himmel ein.

32. Eins jeden Element.
Jm Wasser lebt der Fisch / die Pflantzen in der Erden /
Der Vogel in der Lufft / die Sonn im Firmament:
Der Salamander muß im Feur erhalten werden:
Jm Hertzen JESU ich / als meinem Element.

33. Das Paradeiß auf Erden.
Du suchst das Paradeiß / und wüntschest hin zukommen /
Wo du von allem Leid und Unfried bist entnommen.
Befriedige dein Hertz / und mach es Rein und weiß:
So bistu selbst noch hier dasselbe Paradeiß.

34. GOtt lieben geht vor alles.
Laß einen alle Lust der gantzen Welt geniessen /
Und einen dreymal mehr als Salmon wuste wissen:
Laß einen Schöner seyn als Davids Absalon.
Gieb einen der mehr stärk’ und Macht hat als Simson:
Und einen der mehr Gold als Croesus hat zuzeigen /
Und noch der alles kan wie Alexander beugen:
Ja der diß alles ist: So sag ich doch gantz frey:
Daß auch ein schlechter Mann der GOtt liebt besser sey.

35. Die tieffe / höhe / breite / und länge GOttes.
Durch Weißheit ist GOtt tieff / Breit durch Barmhertzigkeit /
Durch Allmacht ist er hoch / lang durch die Ewigkeit.

36. Beschauligkeit.
Sey rein / schweig / weich’ und steig auf in die Dunkelheit /
So kommstu über alls zur GOtts beschauligkeit.

37. Bescheidenheit.
Das Richtscheid deß Gemütts ist die Bescheidenheit:
Wer sich nach jhr nicht mißt / der fehlt der Tugend weit.

38. GOtt nichts und alles.
GOtt ist ein Geist / ein Feur / ein Wesen und ein Licht:
Und ist doch wiederumb auch dieses alles nicht.

39. Der Gelassene ist schon Seelig.
Ein Mensch der Gott sich läst in allen fälln und weisen /
Den kan man warlich schon im Leibe seelig preisen.

40. Die Braut GOttes.
Die Braut deß Ewgen Gotts kan jede Seele werden:
Wo sie nur seinem Geist sich unterwirfft auf Erden.

41. Das Abendmahl deß Lambs.
Das Lamm das hat sein Mahl zur Abendszeit bestimt:
Warumb? weil man darauf zur Ewgen ruhe kömmt.

42. Maria.
Maria wird genennt ein Thron und Gotts Gezelt /
Ein’ Arche / Burg / Thurn / Hauß / ein Brunn / Baum / Garten / spiegel.
Ein Meer / ein Stern / der Mon / die Morgenröth / ein Hügel:
Wie kan sie alles seyn? sie ist ein’ andre Welt.

43. Der Jünger den GOtt liebt.
Ein Mensch der gantz und gar sich abwendt von der Welt /
Und seinen Leib und Seel dem HErren heilig hält /
Stirbt noch vertirbet nicht / ob man jhm gleich vergibt.
Fragstu warumb? er ist der Jünger den er liebt.

44. Roth und Weiß.
Roth von deß HErren Blut wie Sammet Röselein /
Durch Unschuld weiß wie Schnee sol deine Seele seyn.

45. Von Maria Magdalena an dem Creutze.
Wie daß die Magdalen das Creutze so umbschrenkt?
Es ist weil JESUS dran jhr Allerliebster hängt.

46. Auff die Wunden JESU.
Jch seh die Wunden an als offne Himmelspforten /
Und kan nunmehr hinein an fünff gewissen orten.
Wo komm ich aber straks bey meinem GOtt zustehn?
Jch wil durch Füß und Händ’ ins Hertz der Liebe gehn.

47. Dort geht es anderst zu.
Hier hingt das Lamb am Creutz dort sitzts auf GOttesthron /
Hier trägts den Dornen krantz dort eine Kaiserkron:
Hier ist es Unterthan / dort herscht es über alle:
Hier thuts den Mund nicht auf / dort redts mit hellem schalle:
Hier weints / und dorte Lachts: drumb tröste dich mein Christ /
Daß sich dein Creutz verkehrt / wo du diß Lamm nur bist.

48. Das Creutz.
Jch habe mir das Creutz für allem Schatz erkiest /
Weils meines Leibes Pflug und Seelen Anker ist.

49. Die Herrligkeit Christi in dieser Welt.
Der Scepter ist ein Rohr / ein Dornenpusch die Kron /
Die Nägel aller Schmuk / ein tödlich Creutz der Thron:
Sein Blutt ists Purpurkleid / die Mörder die Trabanten /
Das Hoffgesind ein Schaum von Buben und Scherganten:
Der Mundtrank bittre Gall / die Music Hohn und Spott.
Diß ist die Herrligkeit die hier hat unser GOtt!

50. Die Schädelstädt.
Jst diß die Schädelstädt? wie kombt es dann daß hier
Die [Fußnote]Roß’ und Lilge steht in unverwelckter Ziehr?
Und da der Lebensbaum? der Brunn mit den vier Flüssen?
Es ist das Paradiß: doch sey es was es wil:
Bey mir gilt diese städt unds Paradiß gleich viel.

51. Die Dornene Kron.
Die Dornen die das Haupt deß Herrn zerstechen gantz /
Sind meines Haubtes Kron und ewger Rosenkrantz:
Was auß den Wunden fleust ist meiner Wunden heil:
Wie wol wird mir sein Spott / und seine Pein zutheil!

52. Die Liebe hats erfunden.
Daß GOtt gecreutzigt wird! daß man jhn kan verwunden!
Daß Er die Schmach verträgt / die man jhm angethan!
Daß Er solch’ Angst aussteht! und daß Er sterben kan!
Verwundere dich nicht / die Liebe hats erfunden.

53. Umb einen Kuß ists GOtt zuthun.
Was wil doch GOttes Sohn daß Er ins Elend kömbt /
Und ein solch schweres Kreutz auf seine Schultern nimbt?
Ja daß Er biß inn Tod sich ängstet für und für?
Er suchet anders nichts als einen Kuß von dir.

54. Die Welt ist im Frühling gemacht.
Jm Früling ward die Welt Verneut / und wiederbracht:
Drumb sagstu recht daß sie im Früling ist gemacht.

55. Die Geistliche Aufferstehung.
Die Aufferstehung ist im Geiste schon geschehn:
Wenn du dich läst entwürkt von deinen Sünden sehn.

56. Die geheimbe Himmelfahrt.
Wann du dich über dich erhebst und läst GOtt walten:
So wird in deinem Geist die Himmelfahrt gehalten.

57. Die geistliche Trunkenheit.
Der Geist praust ja wie Most: die Jünger allesambt
Sind gleich den Trunkenen entzündt und angeflambt
Von seiner Hitz und Krafft: so bleibt es doch dabey /
Daß diese gantze Schaar voll süsses Weines sey.

58. Der verlohrne Groschen.
Die Seele GOttesbild ist der verlohrne Groschen /
Die Kertze himmlisch Licht / das durch den fall verloschen:
Die Weißheit ist das Weib die es aufs neu entzündt:
Wie seelig ist der Mensch den sie nu wider findt!

59. Das verlohrne Schaff.
Jch bin das arme Schaaff das sich verjrret hat /
Und nunmehr von sich selbst nicht kennt den rechten Pfad.
Wer zeigt mir dann den Weg / daß ich nicht gantz erliege?
O daß doch JEsus käm’ / und mich nach Hause trüge!

60. Der verlohrne Sohn.
Kehr umb verlohrner Sohn zu deinem Vatter GOtt:
Der Hunger bringt dich sonst (seyn’ Ungunst) gar inn Tod:
Hättstu gleich tausendmahl ihm diesen Schimpff gethan /
So du nur wiederkömbst / ich weiß Er nimbt dich an.

61. Die verlohrne und wider gefundene Drey.
Der Groschen / Sohn / unds Schaaff / bin ich mit Geist / Leib / Seele.
Verlohrn in frembdem Land / in einer Wüst’ und Höle.
Die heilge Dreyfalt kombt und sucht mich alle stunden:
Den Groschen findt der Geist / der Vatter nimbt den Sohn /
Der Hirte JEsu trägt das Schaaff mit sich davon.
Schau wie ich Dreyfach bin verlohren und gefunden!

62. Der Punct / die Linie und Fläche.
GOtt Vatter ist der Punct; auß Jhm fleust GOtt der Sohn
Die Linie: GOtt der Geist ist beider Fläch’ und Kron.

63. Vom reichen Mann.
Man wil dem reichen Mann kein tröpfflein Wasser geben /
Weil er das Maß mit Wein schon voll gemacht im Leben.

64. Auch von jhm.
Wie daß der reiche Mann den Armen jetzo kennt?
Er sieht wol daß sich hat das Blättlein umbgewendt.

65. Der arme Lazarus.
Wie ungleich ist der Tod! die Engel tragen jhn
Den armen Lazarum zur ewgen ruhe hin.
Der reiche da er stirbt wird voller Angst und Pein:
So gutt ists auff der Welt nie reich gewesen seyn!

66. Von Maria Magdalene.
Was dänkt doch Magdalen daß sie so offentlich
Dem HErrn zu Fusse fällt / und schuldig giebet sich?
Ach frage doch nicht erst: schau wie die Augen funken:
Du sihst wol daß sie ist von grosser Liebe trunken.

67. Martha und Maria.
Die Martha laufft und rennt daß sie den HErren speise /
Maria sitzet still; und hat doch solcher weise
Das beste theil erwöhlt: sie speiset jhn allein /
Die aber findt auch sich von jhm gespeiset seyn.

68. Von Maria Magdalene.
Maria kombt zum HErrn voll Leids und voller Schmertzen /
Sie bittet umb Genad / und thut doch jhren Mund
Mit keinem Wörtlein auf: wie macht sie’s ihm dann kundt?
Mit Jhrer Thränen fall und dem zerknirschten Hertzen.

69. Die Sünde.
Die Sünd’ ist anders nichts / als daß ein Mensch von GOtt
Sein Angesicht abwendt / und kehret sich zum Tod.

70. Der Mensch.
Das gröste Wunder ding ist doch der Mensch allein:
Er kan / nach dem ers macht / GOtt oder Teufel seyn.

71. Der Himmel allenthalben.
Jn GOtt lebt / schwebt / und regt sich alle Creatur:
Jsts wahr? was fragstu dann erst nach der Himmelspuhr?

72. Den Bräutgam wünscht die Braut.
Verwundete dich nicht daß ich nach GOtt verlange:
Der Braut ist allezeit nach ihrem Bräutgam bange.

73. Hier muß man Bürger werden.
Streb nach der Bürgerschafft deß Himmels hier auf Erden:
So kan er dir darnach dort nicht versaget werden.

74. Hütt dich für Sicherheit.
Laß dir vom Himmelreich nicht gar so sicher träumen /
Du sihst wol daß es auch die Jungfern selbst versäumen.

75. Das tröstlichste Wort.
Das allertröstlichste das ich an JEsu find’ /
Jst / wenn Er sprechen wird: kom benedeites Kind.

76. Trauben von Dornen.
Wer seinen neider liebt / und gutts vonn feinden spricht:
Sag ob derselbe nicht vonn Dornen Trauben bricht?

77. Das geistliche Sterben.
Stirb ehe du noch stirbst / damit du nicht darffst sterben /
Wann du nu sterben solst: sonst möchtestu verderben.

78. Die Hoffnung hält die Braut.
Die Hoffnung hält mich noch; sonst wär’ ich längst dahin:
Warumb? dieweil ich nicht bey meinem Bräutgam bin.

79. Der beste Freund und Feind.
Mein bester Freund mein Leib / der ist mein ärgster Feind:
Er bindt und hält mich auff / wie gut ers immer meint.
Jch haß’ und lieb jhn auch: und wann es kombt zum scheiden /
So reiß’ ich mich von jhm mit Freuden und mit Leiden.

80. Mit Lieb erlangt man Gnad.
Wann dich der Sünder fragt wie er sol Gnad erlangen /
So sage daß er GOtt zulieben an sol fangen.

81. Der Tod.
Der Tod bewegt mich nicht: ich komme nur durch jhn
Wo ich schon nach dem Geist mit dem Gemütte bin.

82. Die heilige Schrifft.
Gleich wie die Spinne saugt auß einer Rose Gifft:
Also wird auch verkehrt vom bösen Gottesschrifft!

83. Trompeten.
Trompeten hör’ ich gern: Mein Leib sol auß der Erden
Durch jhren Schall erweckt / und wieder meine werden.

84. Das Antlitz GOttes.
Das Antlitz GOttes sehn ist alle Seeligkeit;
Von dem verstossen seyn das höchste Hertzeleid.

85. Der Artzt hält sich zum Kranken.
Warumb pflegt doch der HErr mit Sündern umbzugehn?
Warumb ein trewer Artzt den Kranken beyzustehn?

86. S. Paulus.
Sanct Paulus wuste nichts als Christum und sein Leiden;
Da er doch war gewest im Paradiß der Freuden.
Wie kont jhm diß so gantz entfallen seyn? Er war
Jn den Gekreutzigten Verformet gantz und gar.

87. Die Liebe.
Die Liebe dieser Welt wil alls für sich allein.
Die Liebe GOttes macht dem Nächsten alls gemein:
Die wird ein jeder Mensch für Liebe wol erkennen /
Jen’ aber sol man Neid / und keine Liebe nennen.

88. Auß dem Hohen Lied.
Der König führt die Braut inn Keller selbst hinein /
Daß sie jhr mag erwöhln den allerbesten Wein.
So machts GOtt auch mit dir / wann du bist seine Braut /
Er hat nichts in sich selbst / das er dir nicht vertraut.

89. Kinder und Jungfrauen.
Jch liebe nichts so sehr als Kinder und Jungfrauen:
Warumb? im Himmel wird kein andres seyn zuschauen.

90. Die Tugend.
Die Tugend / spricht der weis’ / ist selbst jhr schönster Lohn.
Meint er nur zeitlichen / so halt’ ich nichts davon.

91. Die GOttliebende Einsamkeit.
Du sprichst Theophilus sey meisten-theils allein:
Macht sich der Adler auch den Vöglichen gemein?

92. Die Tagezeiten.
Jm Himmel ist der Tag / im Abgrund ist die Nacht /
Hier ist die Demmerung: wol dem ders recht betracht.

93. Von Johannes dem Täuffer.
Johannes aß fast nichts / er trug ein rauhes Kleid /
Saß in der Wüsteney die gantze Lebenszeit.
Er war so from: was fiel er GOtt so hart zu Fusse?
Die grösten Heiligen die thun die gröste Busse.

94. Die Welt.
Zu GOtt kombt man durch GOtt: zum Teufel durch die Welt;
Ach daß sich doch ein Mensch zu dieser Hure hält!

95. Das Ende krönt das Werck.
Das Ende krönt das Werck / das Leben ziehrt der Tod:
Wie herrlich stirbt der Mensch / der treu ist seinem Gott!

96. Die Figur ist Vergänglich.
Mensch die Figur der Welt vergehet mit der Zeit:
Was trotzstu dann so viel auf jhre Herrlichkeit?

97. Auf beiden seyn ist gut.
Den Himmel wüntsch’ ich mir / Lieb’ aber auch die Erden:
Denn auf derselbigen kan ich GOtt näher werden.

98. Von den Lilgen.
So offt ich Lilgen seh / so offt empfind’ ich Pein /
Und muß auch bald zugleich so offt voll Freuden seyn.
Die Pein entstehet mir / weil ich die Ziehr verlohrn /
Die ich im Paradiß von anbegin gehabt.
Die Frewde kombt daher / weil JEsus ist gebohrn
Der mich nu widerumb mit jhr aufs neu begabt.

99. Von S. Alexio.
Wie kan Alexius ein solches Hertz’ jhm fassen /
Daß er kan seine Braut den ersten Tag verlassen?
Er ist jhr Bräutgam nicht: Er hat sich selbst als Braut
Dem Ewgen Bräutigam verlobet / und Vertraut.

100. Der Büsser löscht das Feuer.
Du sprichst das Höllsche Feur wird nie gelöscht gesehn:
Und sih der Büsser löschts mit einem Augenthrän!

101. Vom Tode.
Der Tod ist doch noch gutt: könt’ jhn ein Höllhund haben /
Er liss’ im Augenblik sich Lebendig begraben.

102. Auch von jhm.
Man wünschet jhm den Tod / und fliehet jhn doch auch:
Jens ist der Ungeduld und diß der Zagheit brauch.

103. Das Leben und der Tod.
Kein Tod ist herrlicher als der ein Leben bringt:
Kein Leben edler / als das auß dem Tod entspringt.

104. Der Tod der Heiligen.
Der Tod der Heiligen ist wehrt geacht für GOtt:
Sag wo es dir bewust / was ist es für ein Tod?

105. Der Tod ist gut und böse.
So gut der Tod auch ist dem der im HErren stirbt /
So ungut ist er dem / der ausser jhm verdirbt.

106. Von den Märtyrern.
Der Märtrer Lebenslauff ist wenig aufgeschrieben;
Die Tugenden die man zur Leidenszeit gespürt /
Die Lobt und preist man nur / und sind statt jenes blieben:
Dieweil ein schöner Tod das gantze Leben ziehrt.

107. Die nützlichsten Gedancken.
Dänk an den Tod / mein Krist: was dänkstu anders viel?
Man denkt nichts nützlichers als wie man sterben wil.

108. Der Mensch ist dreymal Englisch.
Der Thronfürst ruht in GOtt; Jhn schaut der Cherubin;
Der Seraphin zerschmeltzt für lauter Lieb’ in Jhn.
Jch finde diese Drey in einer Seel allein:
So muß ein heilger Mensch ja dreyfach Englisch seyn!

109. Der Weise.
Der Weise suchet ruh / und fliehet das Getümmel:
Sein elend ist die Welt / sein Vaterland der Himmel.

110. Das Wolfeilste.
Wie wolfeil halt doch GOtt sein Reich unds Ewge Leben!
Er darffs dem Büssenden für einen Fußfall geben.

111. An den sich selbst Liebenden.
Narciß ersäuffet sich da er sich selbst wil Lieben.
Philautus lachestu? es ist von dir geschrieben.

112. Von dem Hertzen der heiligen Clara de Montefalco.
Hier ist der Speer und Schwamm / die Nägel / Säul und Kron /
Die Geisseln / und auch gar das Creutz mit GOttes Sohn:
Drey Kugeln eines halts: Es kan nicht anderst seyn /
Diß Hertz ist GOttesburg / und seines Leydens schreyn.

113. List wieder List.
Mit List hat unß der Feind gefället und bekriegt /
Mit List kan er von unß seyn wiederumb besiegt.

114. Ein Lamb bezwingt den Drachen.
Vertraue GOtt / der Drach wird leichtlich überwunden /
Hat ihn doch nur ein Lamm gefället und gebunden!

115. Die Nachreu kombt zu spät.
Da GOtt auf Erden gieng / ward Er fast nicht geacht:
Nu Er im Himmel ist beklagt Jhn jedermann
Daß jhm nicht grösser Ehr ist worden angethan.
So Thöricht ist die Welt / daß sie’s nicht vorbedacht!

116. Eins folgt und weicht dem andern.
Eins ist deß andren end’ / und auch sein anbegin.
Wenn GOtt gebohren wird / so stirbet Adam hin.

117. Die Welt unds Neu Jerusalem.
Die Welt scheint Kugelrund dieweil sie sol vergehn:
Gevierdt ist GOttes Stadt: drumb wird sie Ewig stehn.

118. Der Spiegel.
Der Spiegel zeiget dir dein äussres Angesicht:
Ach daß Er dir doch auch das jnnre zeiget nicht!

119. Das Faß muß reine seyn.
Wasch auß deinns Hertzensfaß: wann Häfen drinne seyn /
So geust GOtt nimmermehr dir seinen Wein darein.

120. Der Himmelspähende.
Ein Himmelspähender ist dem Geschöpffe tod /
Wie komts? Er lebt allein dem Schöpffer seinem GOtt.

121. Jm Himmel sind auch Thiere.
Man sagt es kan kein Thier zu GOIT dem HErrn eingehn:
Wer sind die Viere dann die nah bey Jhme stehn?

122. GOtt sieht nicht übersich.
GOtt sieht nicht übersich: drumb überheb dich nicht:
Du kömst sonst mit Gefahr auß seinem Angesicht.

123. Von der H. Martha an den Polypragmon.
Der HErr spricht Eins ist noth; und was die Martha thut
Das ist auch an sich selbst gar löblich / fein / und gutt:
Und dennoch strafft Er sie. Merks Polypragmon wol:
Daß man mit vielerlei sich nicht zerrütten sol.

124. Von GOtt.
GOtt ist ein solches Gutt / je mehr man Jhn empfindt:
Je mehr man Jhn begehrt / verlangt / und Lieb gewinnt.

125. Deß GOtts verliebten Pein.
Der GOttverliebte Mensch hat sonsten keine Pein /
Als daß er nicht kan bald bey GOtt dem Liebsten seyn.

126. Die unerforschliche Ursache.
GOtt ist Jhm selber alls / sein Himmel / seine Lust:
Warumb schuff Er dann unß? es ist uns nicht bewust.

127. Die Wohnung GOttes.
GOtt wohnet in sich selbst / sein Wesen ist sein Hauß:
Drumb gehet Er auch nie auß seiner GOttheit auß.

128. An den Weltliebenden.
Die Seele weil sie ist gemacht zur Ewigkeit /
Hat keine wahre Ruh inn Dingen dieser Zeit:
Drumb wunder ich mich sehr / daß du die Welt so liebst /
Und aufs zergängliche dich setzest und begiebst.

129. GOtt redt am wenigsten.
Niemandt redt weniger als GOtt ohn Zeit und ort:
Er spricht von Ewigkeit nur bloß Ein Eintzigs Wort.

130. Von der Eitelkeit.
Wend ab dein Angesicht vom glast der Eitelkeit:
Jemehr man jhn beschaut / jemehr wird man verleitt.
Jedoch kehrs wider hin: denn wer jhn nicht betracht /
Der ist schon halb von jhm gefällt und umbgebracht.

131. Von der Gerechtigkeit.
Gerechtigkeit ist weg! wohin? sie ist inn Himmel /
Warumb? sie traute sich nicht mehr bey dem Getümmel.
Was kont’ jhr dann geschehn? sie wäre von der Welt
Schon längst an ihren Ehrn geschwächet und gefällt.

132. Verlust und Gewinn.
Der Tod ist mein Gewinn / Verlust das lange Leben:
Und dennoch dank ich GOtt daß er mir diß gegeben.
Jch wachs’ und nehme zu / so lang ich hier noch bin:
Darumb ist auch gar wol das Leben mein Gewin.

133. Der Mensch ist eine Kohle.
Mensch du bist eine Kohl / GOtt ist dein Feur und Licht:
Du bist schwartz / finster / kalt / liegstu in Jhme nicht.

134. Die Krafft der zurukkehrung.
Wann du dich meine Seel zuruk hinein begiebst /
So wirstu was du warst / und was du Ehrst und Liebst.

135. Die Bach wird das Meer.
Hier flüss’ ich noch in GOtt als eine Bach der Zeit:
Dort bin ich selbst das Meer der ewgen Seeligkeit.

136. Der Strahl wird die Sonne.
Mein Geist / kombt er in GOtt / wird selbst die ewge Wonne:
Gleich wie der Strahl nichts ist als Sonn’ in seiner Sonne.

137. Das Fünklein im Feuer.
Wer kan das Fünkelein in seinem Feur erkennen?
Wer mich / wann ich in GOtt / ob ich es sey / benennen?

138. Die Liebe macht Beliebter.
Mit was macht sich die Braut beym Bräutgam mehr beliebt?
Mit Liebe wenn sie sich jhm mehr und mehr ergiebt.

139. Die glükseelige Ertrinkung.
Wenn du dein Schiffelein aufs Meer der GOttheit bringst:
Glükseelig bistu dann / so du darinn Ertrinkst.

140. Das edelste Gebette.
Das edelste Gebett ist wenn der Better sich
Jn das für dem er kniet verwandelt jnniglich.

141. Nichts ist süsser als Liebe.
Es ist doch keine Lust / und keine Seeligkeit /
Die übertreffen kan der Liebe süssigkeit!

142. Der Furcht und Liebe Würdigkeit.
Wer Gott liebt / schmäkt schon hier seins Geistes süssigkeit:
Wer aber Jhn nur fürcht / der ist davon noch weit.

143. Der allerlieblichste Thon.
Es kan in Ewigkeit kein Thon so Lieblich seyn /
Als wenn deß Menschen Hertz mit GOtt stimbt überein.

144. Die heilige Uberformung.
Die Ruhe deines Geists macht dich zu einem Thron /
Die Lieb zum Seraphin / der Fried zu Gottessohn.

145. Wir sind edeler als die Seraphine.
Mensch ich bin edeler als alle Seraphin /
Jch kan wol seyn was sie / sie nie was ich je bin.

146. Was der höchste Adel deß Menschen.
Mein höchster Adel ist / daß ich noch auff der Erden /
Ein König / Kaiser / Gott / und was ich wil / kan werden.

147. Die weite deß Menschen ist nicht zubeschreiben.
Wer ist der mir wie weit und breit ich bin zeigt an?
Weil der Unendliche (GOtt) in mir wandeln kan. [Fußnote]

148. Was die Seele erweitert.
Was macht deß Menschen Hertz und seine Seele weit?
Die Liebe GOttes giebt ihm die Beschaffenheit.

149. Was ohne Lieb ist Stinckt.
Mensch komstu ohne Lieb / so steh nur bald von fern:
Was nicht nach liebe reucht / das stinckt für GOtt dem HErrn.

150. Der höchste GOttesdienst.
Der Höchste GOttesdienst / ist GOtte gleiche werden:
Christförmig seyn an Lieb / am Leben und Geberden.

151. Die Wahre Weißheit.
Die Wahre Weißheit die dir zeigt die Himmelsthür /
Steht in Vereinigung und Feurger Liebsbegiehr.

152. Wie die Lieb die Sünden verzehrt.
Wie du den Flachs unds Werk im Feuer sichst verschwinden.
So brennen auch hinweg durch Liebe deine Sünden.

153. Das Meer in einem Tröpfflein.
Sag an wie geht es zu / wenn in ein Tröpffelein
Jn mich / das gantze Meer Gott gantz und gar fleust ein?

154. GOtt ist allenthalben gantz.
O Wesen dem nichts gleich! GOtt ist gantz ausser mir /
Und inner mir auch gantz / gantz dort / und gantz auch hier.

155. Wie Gott im Menschen.
Mehr als die Seel im Leib / Verstand in dem Gemütte /
Jst GOttes Wesenheit in dir und deiner Hütte.

156. Noch darvon.
GOtt ist noch mehr in mir / als wann das gantze Meer
Jn einem kleinen Schwamm gantz und beisammen wär.

157. GOtt ist in und umb mich.
Jch bin der Gottheit Faß in welchs sie sich ergeust /
Sie ist mein tieffes Meer das mich insich beschleust.

158. Das grosse ist im kleinen verborgen.
Der Umbkraiß ist im Punckt / im Saamen liegt die Frucht /
GOtt in der Welt: wie Klug ist der jhn drinne sucht!

159. Alles ist allem.
Wie sah S. Benedict die Welt in einem strahl?
Es ist (weistu’s noch nicht?) in allem alls zumahl.

160. GOtt ist überall Herrlich.
Kein Stäublein ist so schlecht / kein Stöpffchin ist so klein:
Der Weise sihet GOtt gantz herrlich drinne seyn.

161. Alles in einem.
Jn einem Senffkörnlein / so du’s verstehen wilt /
Jst aller oberern und untrern dinge Bild.

162. Eins ist im andren.
Das Ey ist in der Henn / die Henn ist in dem Ey:
Die zwey im Eins / und auch das Eines in der Zwey.

163. Alles komt auß dem verborgenen.
Wer hatte das vermeint! auß Finsternüß komts Licht /
Das Leben auß dem Tod / das etwas auß dem Nicht.

164. Das Conterfect GOttes.
Jch weiß GOtts Conterfect: Er hat sich Abgebildt /
Jn seinen Creaturn / wo du’s erkennen wilt.

165. GOtt schafft die Welt noch.
GOtt schafft die Welt annoch: komt dir diß Fremde für?
So wiss’ es ist bey jhm kein Vor noch nach / wie hier.

166. Die Ruh und Würkung GOttes.
GOtt hat sich nie bemüht / auch nie geruht / das merk:
Sein Wirken ist sein ruhn / und seine Ruh sein Werk.

167. Deß Kristen Joch ist leichte.
Krist es kan ja dein Joch dir nie beschwerlich seyn:
Denn GOtt und seine Lieb die spannt sich mit dir ein.

168. Das Unbeständigste
Nichts Unbeständigers im wol seyn und im Schmertz /
Jst / dänke hin und her / als / Mensch dein eigen Hertz.

169. Die Klugheit wird gelobt.
Verwirff nicht was du hast: Ein Kauffman der sein Geld
Wol anzulegen weiß / den lobet alle Welt.

170. Artzney der Kranken Liebe.
Ein Hertz das Krank für Lieb / wird eher nicht gesund /
Biß es GOtt gantz und gar durchstochen und verwundt.

171. Die Liebe ist zerschmeltzende.
Die Liebe schmeltzt das Hertz / und machts wie Wachs zerfliessen:
Erfahr es wo du wilt die süsse Würkung wissen.

172. Der Adel deß geruhigen Hertzen.
Mein Hertze wenns GOtt ruht / ists Braut Bett seines Sohns:
Wanns dann sein Geist bewegt / die sänffte Salomons.

173. Der höchste Friede.
Der höchste Friede den die Seele kan geniessen /
Jst sich aufs möglichst’ eins mit GOttes willen wissen.

174. Der Uberfluß der seeligen.
GOtt schenkt den seeligen so überflüssig ein /
Daß sie mehr in dem Trank / als der in jhnen / seyn.

175. Die wunderbahrlichste Heyrath.
Schaut doch die Heyrath an! der Herr der Herrligkeit
Hat eines Sclaven Magd deß Menschen Seel gefreit!

176. Die Hochzeit deß Lammes.
Wenn ich zu GOtt eingeh / und küss’ ihn mit begier /
Dann ist es daß das Lamb die Hochzeit hält in mir.

177. Verwunderung über der Gemeinschafft GOttes.
Es ist erstaunungs voll / daß ich Staub / Asch und Koth /
So freundlich und gemein mich machen darf mit GOtt!

178. Was die Creatur gegen GOtt.
Was ist ein Stäubelein in Anschauung der Welt?
Und was bin ich / wenn man Gott gegen dir mich hält?

179. Wie GOtt so hertzlich liebt.
GOtt liebt so hertzlich dich; Er würde sich betrüben /
Jm fall es möglich wär / daß du Jhn nicht wilt lieben.

180. Der Tag und Morgenröth der Seelen.
Der Seelen Morgenröth ist GOtt in dieser Zeit:
Jhr Mittag wird er seyn im Stand der Herrlichkeit.

181. Vom Seeligen.
Die seelge Seele weiß nichts mehr von Anderheit:
Sie ist ein Licht mit GOtt und eine Herrlichkeit.

182. Gleichnüß der Freud in GOtt.
Freund was der Hönig dir ist gegen Koth und wust:
Das ist die Freud in GOtt auch gegens Fleischeslust.

183. Was du willst ist alles in dir.
Mensch alles was du wilt / ist schon zu vor in dir:
Es lieget nur an dem daß du’s nicht würkst herfür.

184. Das wunderlichste Geheimnüß.
Mensch kein Geheimnüß kan so wunderbahrlich seyn:
Als daß die heilige Seel mit GOtt ein Einges ein.

185. Wie die Creatur in GOtt.
Wie du das Feur im Kieß / den Baum im Kern sichst seyn:
So bild dir das Geschöpff in Gott dem Schöpffer ein.

186. Nichts ist jhm selber.
Der Regen fällt nicht ihm / die Sonne scheint nicht jhr:
Du auch bist anderen geschaffen / und nicht dir.

187. Man soll den Geber nehmen.
Mensch laß die Gaben GOtts / und eyl Jhm selbsten zu:
Wo du ann Gaben bleibst / so kömstu nicht zur Ruh.

188. Wer der Freudigste Mensch ist.
Kein Mensch ist freudiger als der zu aller Stund
Von Gott und seiner Lieb entzündt wird und verwundt.

189. Der Sünder ist nie gantz frölich.
Die Sünder ob sie gleich in lauter Freude leben /
So muß doch jhre Seel in grösten Furchten schweben.

190. Das Kreutz offenbahrt was verborgen.
Jn Trost und süssigkeit kennstu dich selbst nicht Krist:
Das Kreutze zeigt dir erst wer du im jnnern bist.

191. Wie man alles auf einmal läst.
Freund wenn du auf Einmal die gantze Welt wilt lassen /
So schau nur daß du kanst die eygne Liebe hassen.

192. Der weiseste Mensch.
Kein Mensch kan weiser seyn / als der das Ewge Gutt
Für allem andren liebt und sucht mit gantzem Mutt.

193. Das geruffe der Creaturen.
Mensch alles schreyt dich an / und predigt dir von GOtt /
Hörstu nicht daß es rufft lieb jhn / so bistu todt.

194. Was GOtt am liebsten thut.
Das liebste Werck das GOtt so jnniglich liegt an /
Jst daß er seinen Sohn in dir gebehren kan.

195. Der wesentliche Danck.
Der wesentlichste Danck den GOtt liebt wie sein Leben /
Jst wenn du dich bereitst daß Er sich selbst kan geben.

196. Der Heiligen gröste Arbeit.
Der Heilgen gröstes Werck und arbeit auf der erden
Jst GOtt gelassen seyn und jhm gemeiner werden.

197. Was GOtt vom Menschen fordert.
GOtt fordert nichts von dir alß daß du ihm solt ruhn:
Thustu diß / so wird Er das andere selber thun.

198. Was die geistliche Ruh ist.
Die Ruh die GOtt begehrt / die ist von sünden rein /
Begihr- und willenlos / gelassen innig seyn.

199. Wie das Hertze muß beschaffen seyn.
Christ wo der Ewge GOtt dein Hertz sol nehmen ein /
So muß kein bildnüß drinn / alß seines Sohnes seyn.

200. Wie man die Zeit verkürtzt.
Mensch wenn dir auf der Welt zu lang wird weil und zeit;
So kehr dich nur zu GOtt ins Nun der Ewigkeit.

201. Warumb die Seele ewig.

GOtt ist die Ewge Sonn’ / ich bin ein strahl von jhme:
Drumb ist mirs von natur / daß ich mich ewig rühme.

202. Der Strahl ohne die Sonne.

Der Strahl ist nichts wenn er sich von der Sonn abbricht;
Du gleichfalls / lästu GOtt dein wesentliches licht.

203. Wie man sucht so findet man.

Du findest wie du suchst: Wie du auch klopffest an /
Und bittest / so wird dir geschenckt und auffgethan.

204. Wer nicht von GOtt geschieden kan werden.

Wen GOtt zu seinem Sohn gebohren hat auff erden /
Der Mensch kan nimmermehr von GOTT geschieden werden.

205. Der punct der Seeligkeit.

Der Punct der Seeligkeit besteht in dem allein.
Daß man muß wesentlich auß GOtt gebohren seyn.

206. Jn wem der Sohn GOttes gebohren ist.

Wem alle ding ein ding und lauter Friede sind /
Jn dem ist wahrlich schon gebohrn das Jungfraun Kind.

207. Kennzeichen deß Sohns GOtts.

Wer stäts in GOtte bleibt / verliebt / gelassen ist:
Der Mensch wird allermeist für GOttes Sohn erkiest.

208. Nach der zeit ist keine würckung.

Mensch würcke weil du kanst dein Heil und Seeligkeit:
Das würcken höret auf mit endung dieser zeit.

209. Wer zuviel glaubt.

Es ist zwar wahr daß Gott dich seelig machen wil:
Glaubstu Er wils ohn dich / so glaubestu zu viel.

210. Was die Armuth deß Geistes ist.

Die Armuth unsres Geists besteht in innigkeit /
Da man sich aller ding’ und seiner selbst verzeiht.

211. Der ärmeste der Freyeste.

Der Armuth eigenthum ist freyheit allermeist:
Drumb ist kein Mensch so frey / als der recht arm im Geist.

212. Armuth ist das wesen aller Tugenden.

Die laster sind bestrickt / die Tugenden gehn frey:
Sag ob die Armuth nicht jhr aller wesen sey?

213. Der Alleredleste Mensch.

Der Alleredelste den man ersinnen kan /
Jst ein gantz lauterer und wahrer armer Man.

214. Der herrliche Tod.

Christ / der ist herrlich todt / der allem abgestorben /
Und jhm dadurch den Geist der armuth hat erworben.

215. Die zeit begreifft nicht die ewigkeit.

So lange dir mein Freund im sinn liegt ort und zeit:
So faßstu nicht was GOtt ist und die ewigkeit.

216. Die empfängliche Seel.

Die Seel die Jungfrau ist / und nichts als GOtt empfängt /
Kan GOttes schwanger seyn / so offt sie dran gedänckt.

217. Der aufgespannte Geist.

Der Geist der allezeit in GOtt steht aufgericht /
Empfängt ohn underlaß in sich das ewge licht.

218. Kennzeichen der Braut GOttes.

Die Braut verliebet sich inn Bräutigam allein:
Liebstu was neben GOtt / schau wie du Braut kanst seyn.

219. Das wandelnde gezelt GOttes.

Die Seel in der GOtt wohnt / die ist (O Seeligkeit!)
Ein wandelndes Gezelt der ewgen Herrligkeit.

220. GOtt versorgt alle Creaturen.

GOtt der versorget alls / und doch ohn alle müh /
Ein’ jede Creatur bedenckt er spat und früh.

221. Auch das kleinste Würmelein.

Kein Würmlein ist so tief verborgen in der Erden /
GOtt ordnets daß ihm da kan seine Speyse werden.

222. GOtt ist die allvorsichtigkeit leichte.

Mensch glaubstu GOtts deß Herrn allgegenwärtigkeit /
So siehestu wie leicht Jhm die vorsichtigkeit.

223. GOtt soll der Seelen bekandt seyn.

Ein HErr in seinem Hauß / ein Fürst in seinem Land:
Jn jhrem Erbtheil GOtt sol seyn die Seel bekandt.

224. Wie man zur Einigkeit gelangt.

Wenn sich der Mensch entzieht der mannigfaltigkeit /
Und kehrt sich ein zu GOtt / kombt er zur Einigkeit.

225. Der Lustgarten GOttes.

Die ewge Lustbarkeit sehnt sich in mir zu seyn:
Warumb? ich bin (O hört!) jhr Blum- und Würtzgärtlein.

226. Die Majestät deß Menschen.

Jch bin (O Majestät!) ein Sohn der Ewigkeit /
Ein König von natur / ein Thron der Herrligkeit.

227. Wer auß Adelichem Geblütte.

Der so auß GOtt gebohrn / sein Fleisch hat und Gemütte:
Fürwahr er ist allein auß adlichem Geblütte.

228. GOtt sieht die ankunfft an.

Die ankunfft hilfft doch viel: Weil Christus gnug gethan /
So sieht GOtt sein Verdienst und Adel in unß an.

229. Wer GOtt dient ist hoch Adelich.

Mir dient die gantze Welt: Jch aber dien’ allein
Der ewgen Majestät: Wie edel muß ich seyn!

Fünfftes Buch
Geistreicher Sinn- und Schluß-reimen.

1. Alles muß wider in Eins.

Alls kombt auß einem her / und muß in Eines ein:
Wo es nicht wil gezweyt / und in der vielheit seyn.

2. Wie die zahlen auß dem Eins / so die Geschöpffe auß GOtt.

Die zahlen alle gar sind auß dem Eins geflossen;
Und die Geschöpff zumahl auß GOTT dem Einß entsprossen.

3. GOtt ist in allen wie die Einheit inn Zahlen.

Gleich wie die Einheit ist in einer jeden Zahl;
So ist auch GOtt der Ein’ inn Dingen überall.

4. Nichts kan ohn das Eins bestehn.

Wie all’ und jede zahln ohns eines nicht bestehn;
So müssen die Geschöpff ohn GOtt das Eins vergehn.

5. Die Nulle gilt vornen an nichts.

Das Nichts die Creatur / wenn sichs Gott vorgesetzt /
Gilt nichts: steht’s hinter Jhm / dann wird es erst geschätzt

6. Jm Eins ist alles Eins.

Jm Eins ist alles Eins: kehrt zwey zu ruck hinein /
So ist es wesentlich mit jhm ein einges Ein.

7. Alle Heiligen sind ein Heiliger.

Die Heilgen alle sind ein Heiliger allein:
Weil sie ein Hertz / Geist / Sinn / in einem Leibe seyn.

8. Die geheime Kronenzahl.

Zehn ist die Kronenzahl; sie wird aus eins und nichts:
Wenn GOtt und Creatur zusammen kommn / geschichts.

9. Es muß ein jeder Christus seyn.

Der wahre GOttes Sohn ist Christus nur allein:
Doch muß ein jeder Christ derselbe Christus seyn.

10. GOttes Pallast.

GOtt ist Jhm selbst sein Thron / der Himmel ist sein Saal /
Der Vorhoffs Paradeiß / der Erdkreiß ist der Stal.

11. Die Sünd’ ist allein das übel.

Kein übel ist alß Sünd’: und wären keine Sünden /
So wär’ in ewigkeit kein übel auch zu finden.

12. Ein wachendes Auge siehet.

Das licht der Herrligkeit scheint mitten in der Nacht /
Wer kan es sehn? Ein Hertz das Augen hat und wacht.

13. Das jrrdische Gutt ist ein Mist.

Das jrrdsche Gutt ist Mist; die Armen sind der Akker:
Wer’s außführt und zerstreut / geneusts zur Erndte wakker.

14. Der außgang geschieht umb den eingang.

Kein außgang der geschieht / als umb deß eingangs willen:
Mein Hertz entschüttet sich / daß es GOtt an sol füllen.

15. Verdamnüß ist im wesen.

Könt’ ein Verdambter gleich im höchsten Himmel seyn:
So fehlet’ er doch stäts die Höll / und ihre Peyn.

16. Durch dich entwird GOtt nichts.

Mensch wöhle was du wilt Verdamnüß oder Ruh:
Eß gehet GOtt durch dich nichts ab und auch nichts zu.

17. Das gröste Wunder.

Der Wunder hat es viel / kein grössers kan ich sehen /
Als daß das auferstehn deß Fleisches wird geschehen.

18. Die geistliche Jahrszeiten.

Der Winter ist die Sünd / die Busse Frülingszeit /
Der Sommer Gnadenstand / der Herbst vollkommenheit.

19. Auch von demselben.

Jm Winter ist man todt / im Früling steht man auf /
Jm Sommer und im Herbst verbringt man seinen lauf.

20. Der steiffe Felsenstein.

Ein tugendthaffter Mensch ist wie ein Felsenstein:
Es stürme wie es wil / er fället doch nicht ein.

21. Der Sünd’ und Tugend eigenschafft.

Die Busse rüchet wol / die Sünden alle stincken:
Die Tugenden gehn recht / die Laster aber hincken.

22. Die Keuschheit bleibt verschlossen.

Die Keuschheit ist ein Schloß das niemand auf kan schliessen.
Was sie im innern ist / das mag kein fremder wissen.

23. Die zeit die ist nicht schnell.

Man sagt die Zeit ist schnell: wer hat sie sehen fliegen?
Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begrieffe liegen!

24. GOtt sieht man nicht mit Augen.

Wann du denkst GOtt zu schaun / bild dir nichts sinnlichs ein:
Das schaun wird inner uns / nicht außerhalb uns seyn.

25. Was das beste an der Seeligkeit.

Was an der Seeligkeit mein Hertz fürs best’ erkiest /
Jst daß sie wesentlich / und nicht von aussen ist.

26. GOtt wird wie wir.

GOtt gibt dir wie du nimbst / du selbst schenkst auß und ein /
Er wird dir wie du wilt / wie nach dem faß der Wein.

27. Die Wegescheide zur Ewigkeit.

Die Wegescheid’ ist hier: Wo lenkstu dich nu hin?
Zur Lincken ist verlust / zur Rechten ist gewien.

28. Was GOtt den Tag durch thut.

Des Morgens geht GOtt auß / zu mittag schläffet er /
Deß Nachts ist er erwacht / reist Abends ohn beschwehr.

29. Man muß die Tieffe auf der Höhe betrachten.

Ein ungrund ist zwar Gott / doch wem er sich soll zeigen /
Der muß biß auf die Spitz der ewgen Berge steigen.

30. Der Teuffel der ist gut.

Der Teuffel ist so gutt dem wesen nach als du.
Waß gehet jhm dann ab? Gestorbner will’ und ruh.

31. Die ichheit und verläugnung.

Der ichheit ist GOtt feind / verläugnung ist er hold:
Er schätzt sie beyde so / wie du den Koth unds Gold.

32. Der eigene Wille stürtzt alles.

Auch Christus / wär’ in jhm ein kleiner eigner Wille /
Wie seelig er auch ist / Mensch glaube mir er fielle.

33. Wenn GOtt am liebsten bey uns ist.

GOtt dessen wollust ist bey dir O Mensch zu seyn /
Kehrt / wenn du nicht daheim / am liebsten bey dir ein.

34. GOtt liebt nichts als sich.

GOtt hat sich selbst so lieb / bleibt jhm so zugethan;
Daß er auch nimmermehr was anders lieben kan.

35. GOtt kan mehr viel als wenig.

Nichts ist das GOtt nicht kan. Hör Spötter auf zulachen.
Er kan zwar keinen GOtt / wol aber Götter machen.

36. Viel Götter / und nur einer. 1. Cor. 8. 5.

Ein einger GOtt / und viel / wie stimbt diß über ein?
Gar schöne: Weil sie all’ in einem Einer seyn.

37. GOtt schaut auf den Grund.

GOtt schätzt nicht was du guts / nur wie du es gethan:
Er schaut die Früchte nicht / nur Kern und Wurtzel an.

38. GOtt bricht vonn Disteln Feigen.

GOtt list vonn Dornen Wein / vonn Disteln bricht er Feigen /
Wenn er dein sündigs Hertz zur Busse komt zu neigen.

39. Die Seeligen sind nie satt.

Die Seelgen dürffen sich daß sie nie satt sind freun!
Es muß ein süsser Durst / und lieber Hunger seyn!

40. Christus ist ein Felß.

Wer sich an Christum stöst / (er ist ein Felßenstein)
Zerschöllt: wer jhn ergreifft / kan ewig sicher seyn.

41. Je mehr erkandnüß je weniger verstandnüß.

Je mehr du GOtt erkennst / je mehr wirstu bekennen /
Daß du je weniger Jhn / was er ist / kanst nennen.

42. GOtt muß sich selber lieben.

GOtt ist das höchste Gutt / er muß jhm selbst gefallen /
Sich selber auf sich kehrn / sich lieben / ehrn / für allen.

43. Wie GOtt so sehr gerecht.

Schau GOtt ist so gerecht: Wär’ etwas über jhn /
Er ehrt’ es mehr als sich / und kniete für dem hin.

44. GOtt liebt sich nicht als sich.

GOtt liebt sich nicht als sich / nur als das Höchste gut /
Drumb schau / daß er auch selbst / was er befihlet / thut.

45. Die Laster scheinen nur.

Die Laster gehn bekleidt / die Tugend stehet Bloß /
Die ist warhafftiglich / jen’ aber scheinen groß.

46. Du bist der erste Sünder.

Schweig Sünder / schreyhe nicht dir Ev’ und Adam an:
Wärn sie nicht vorgefalln / du hättest’s selbst gethan.

47. Der Geistliche Feuerzeug.

Mein Hertz ists Feuerzeug / der Zunder gutter Wille:
Schlägt GOtt ein Fünklein drein / so brennts und leuchts die völle.

48. Eins kans nicht ohn das andre.

Zwey müssen es vollziehn: ich kans nicht ohne GOtt /
Und GOtt nicht ohne mich: daß ich entgeh dem Tod.

49. Die schönste Weißheit.

Mensch steig nicht allzu hoch / bild dir nichts übrigs ein:
Die schönste Weißheit ist nicht gar zu weise seyn.

50. GOtt ist nicht tugendhafft.

GOtt ist nicht tugendhaft: Auß jhm kombt tugend her /
Wie auß der Sonn die Strahln / und Wasser auß dem Meer.

51. Nach GOtt ist alles gebildet.

GOtt ist von anbegin der Bildner aller dinge /
Und auch jhr Muster selbst. Drumb ist ja keins geringe.

52. Du must der Himmel seyn.

Jnn Himmel komst du nicht / (laß nur von dem getümmel)
Du seyst dann selbst zuvor ein lebendiger Himmel.

53. Die ewige Erwählung.

GOtt wählt dich wie du bist: Böß ist bey jhm verlohrn /
Gut ist von ewigkeit zum Leben außerkohrn.

54. Der Tugenden und Laster beschaffenheit.

Die Tugend liegt in ruh / die laster stehn im streit:
Sie haben Pein in sich / jen’ aber Seeligkeit.

55. GOtt strafft nicht die Sünder.

GOtt strafft die Sünder nicht. Die Sünd’ ist selbst jhr Hohn /
Jhr Angst / Pein / Marter / Tod: Wie Tugend selbst jhr Lohn.

56. GOtte thut deine Verdamnüß nicht weh.

Der Sonne thuts nicht weh / wenn du von jhr dich kehrst /
Also auch GOtte nicht / wenn du in Abgrund fährst.

57. Wann du wilt / wirstu seelig.

GOtt läst dich jede zeit gar gern inn Himmel ein:
Es stehet nur bey dir ob du wilt seelig seyn.

58. Wie du bist / so wirstu gewürket.

Die Sonn erweicht das Wachß / und machet hart den Koth.
So wirkt auch GOtt nach dir das Leben und den Tod.

59. Herren gunst wehret jmmer.

Daß Herrn gunst ewiglich / und nicht nur kurtz bestehe /
Beweiß ich mit der gunst des Herren in der Höhe.

60. Der Weg zum Himmel.

Wenn du mein Pilger wilt inn Himmel dich erhöhen /
So mustu nahe zu / grad übern Kreutzweg gehen.

61. Alles ist vollkommen.

Mensch nichts ist unvolkommn: der Kieß gleicht dem Rubin:
Der Frosch ist ja so schön alß Engel Seraphin.

62. Des Menschen gröster Schatz.

Der gröste Schatz nach GOtt ist gutter will’ auf erden:
Jst alles gleich verlorn / Durch jhn kans wider werden.

63. Bey GOtt sind keine Jahre.

Für GOtt sind tausend Jahr wie ein vergangner Tag.
Darumb ist gar kein Jahr bey jhm / wers fassen mag.

64. Wir dienen uns / nicht GOtt.

Mensch / GOtt ist nichts gedient / mit fasten bethen wachen:
Du dienst mehr dir damit / weils dich kan heilig machen.

65. GOtt kan sich nicht verbergen.

GOtt kan sich nimmermehr verbergen wie du sprichst:
Es sey dann daß du auch für jhn ein Loch erdichst.

66. GOtt ist in unß selbst.

GOtt ist so nah bey dir mit seiner Gnad und Gütte /
Er schwebt dir wesentlich im Hertzen und Gemütte.

67. Wie weit der Weg inn Himmel.
Christ schätze dir die Reiß inn Himmel nicht so weit:
Der gantze Weg hinein ist keines Schrittes breit.

68. Der weise begehrt nicht inn Himmel.

Der Weise wann er stirbt / begehrt inn Himmel nicht:
Er ist zuvor darinn eh jhm das Hertze bricht.

69. Deß bösen und gutten Unterscheid.

Ein Jrrliecht ist der böß’: ein gutter Mensch ein stern:
Er brennet von sich selbst / der leuchtet von dem Herrn.

70. Man darff nicht viel zur Seeligkeit.

Christ du bedarffst / nicht viel zur ewgen Seeligkeit:
Es hülfft ein eintzigs Kraut das heist Gelassenheit.

71. Die Buß’ ist leicht zu thun.

Die Buß’ ist bald gethan / daß dich GOtt loß muß sagen /
Du darffst nur an die Brust wie jener Sünder schlagen.

72. Gott ist allem gleich nahe.

GOtt ist dem Belzebub nah wie dem Seraphim:
Es kehrt nur Belzebub den Rükken gegen jhm.

73. GOtt kan sich nicht entziehn.

GOtt kan sich nicht entziehn / er würket für und für.
Fühlstu nicht seine Krafft / so gib die Schuld nur dir.

74. Jn der Hölle ist keine Ewigkeit.

Betracht’ es eigendlich: bey GOtt ist Ewigkeit /
Beym Teuffel in der Höll da ist ein ewges leid.

75. Nichts besteht ohne genuß.

Nichts dauret ohn genuß. GOtt muß sich selbst geniessen:
Sein wesen würde sonst wie Graß verdorren müssen.

76. Wie die Gesellschafft / so der Geselle.

Zu wem du dich gesellst / deß wesen saufstu ein:
Bey Gotte wirstu Gott / beym Teuffel Teuffel seyn.

77. An den Sünder.

Du schreiest auf den Dieb / und schiltst jhn unverholen:
Schweig / du hast GOtt viel mehr alß er der Welt gestohlen.

78. Warumb wenig zur Thür deß Lebens eingehn.

Daß nach der Himmelthür so wenig Menschen greiffen!
Es wil jhm keiner dran den alten Balg abstreiffen.

79. Am Creutz am sichersten.

Man ligt am seeligsten in Leyden Creutz und Pein:
Wo aber sind die gern auf disem Bette seyn?

80. Die Armut ist am Reichsten.

Die Armuth ist ein Schatz dem keine Schätze gleichen.
Der ärmste Mensch im Geist hat mehr als alle Reichen.

81. Jm Reinen erscheinet GOtt.

Mensch dänkstu GOtt zuschaun / dort oder hier auf Erden:
So muß dein Hertz zu vor ein reiner Spiegel werden.

82. Am Creutz ist die lieb’ am Liebsten.

Sag wo die Liebe wird am liebesten gefunden?
Am Creutz / wenn sie umb deß geliebten willn gebunden.

83. Freud’ und Leid beysammen.

Ein Christ erfreuet sich in Leyden Creutz und Pein:
So kan ja freud’ und Leyd gar wol beysammen seyn!

84. Eins wissen hat den Preyß.

Viel wissen blähet auf: dem geb ich lob und preyß /
Der den Gekreutzigten in seiner Seele weiß.

85. Wer nichts weiß / ist geruhig.

Hätt’ Adam nie vom Baum der wissenschafften gessen /
Er wär’ im Paradeiß in ewger Ruh gesessen.

86. Der Schöpffer im Geschöpffe.

Die Schöpffung ist ein Buch; Wer’s weißlich lesen kan /
Dem wird darinn gar fein der Schöpffer kundt gethan.

87. Eins ist das beste Buch.

Viel Bücher viel beschwehr: Wer eines recht gelesen /
(Jch meine JEsum Christ) / ist ewiglich genesen.

88. Du must dich über setzen.

Der Leib muß sich inn Geist / der Geist inn Gott erheben /
Wo du in Jhm mein Mensch wilt ewig seelig leben.

89. Du must es hier erwerben.

Hier muß es seyn gethan: jch bilde mir nicht ein /
Daß der kein Reich erwirbt dort wird ein König seyn.

90. Nichts zeitlich ist in GOtt.

Ein Augenblik ist kurtz: Noch kan ich kühnlich sagen /
Daß GOtt so lange nicht gewest vor Zeit und Tagen.

91. Jn welchem Jahr die Welt erschaffen.

Da GOtt die Welt erschuf / waß schrieb man für ein Jahr?
Kein anders nicht alß das seins Urstands erstes war.

92. GOtt siht nichts zuvor.

[Fußnote] GOtt sihet nichts zuvor: Drumb leugstu wenn du jhn
Mit der Vorsehung mißt nach deinem blöden Sinn.

93. GOtt kan nicht zörnen.

GOtt zörnet nie mit unß / wir dichtens jhm nur an:
Unmöglich ist es jhm daß er je zörnen kan.

94. GOtt ist nicht beweglich.

Wer saget daß sich GOtt vom Sünder abewendt /
Der giebet klar ann Tag daß er GOtt noch nicht kennt. [Fußnote]

95. Was GOtt den Seeligen und Verdambten ist.

GOtt ist den Seeligen ein ewger freuden Gast /
Und den Verdammeten ein’ ewge überlast.

96. Das Höllische brennt nur.

Die Hölle schadt mir nichts / wär’ ich gleich stäts in jhr;
Daß dich jhr Feuer brennt / das lieget nur an dir.

97. Der weise klagt nur Sünde.

Der Weise wann er sol von Pein und Unglük sagen
Wird dir sonst über nichts als über Sünde klagen.

98. GOtt kan dem Willn nicht steuren.

Nichts stärkers ist als GOtt: doch kan er nicht verwehren / [Fußnote]
Daß ich nicht was ich wil sol wollen und begehren.

99. Was GOtt gern jsset.

GOtt jsst die Hertzen gern: Wiltu jhn stattlich speisen /
So richt’ ihm deines zu: Er wird es ewig preisen.

100. Wie GOtt das Hertz wil zubereitet haben.

Wie Kocht man Gott das Hertz? Es muß gestossen seyn /
Geprest / und stark verguldt: Sonst geht es jhm nicht ein.

The following is the German text of the Cherubinischer Wandersmann by Johannes Scheffler / Angelus Silesius.

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101. GOtt wil ein gantzes Hertze.
Christ mit dem halben theil wirstu Gott nicht begaben:
Er wil das Hertze gantz und nicht die helffte haben.

102. Warumb niemand vonn Engeln besessen wird.
Wie daß kein heilges Hertz vorm Engeln wird besessen?
Sie thuns nicht weil es GOtt für sich hat abgemessen.

103. GOtt ist nicht’s erstemahl am Creutz gestorben.
GOtt ist nicht’s erste mahl am Creutz getödtet worden:
Denn schau er ließ sich ja in Abel schon ermorden.

104. Christus ist gewesen / eh’ er war.
Daß Christus lang zuvor / eh daß er war gewesen /
Jst klar: Weil man jhn aß und tranck / daß man genesen.

105. Den Himmel kan man stehlen.
Wer heimblich guttes würckt / sein Geld außtheilt verholen /
Der hat das Himmelreich gar meisterlich gestohlen.

106. Das Leben muß dir selbst eingeschrieben seyn.
Mensch wird dein Hertze nicht das Buch deß Lebens seyn:
So wirstu nimmermehr zu Gott gelassen ein.

107. Christus gestern / heut / und Morgen.
Messias der ist heut / ist gestern / und ist Morgen /
Und biß in ewigkeit / entdekket und verborgen.

108. Der glaub’ allein ist ein holes Faß.
Der glaub’ / ohn lieb’ / allein / (wie ich mich wol besinne)
Jst wie ein holes Faß: Eß klingt und hat nichts drinne.

109. Wer Gott hat / hat alles mit jhm.
Bey GOtt ist alls und jeds: Wer neben Jhm trägt ein /
Der muß ein rechter Narr / und tummer Geitzhalß seyn.

110. Dem Schöpffer lauffen alle Geschöpffe nach.
Wenn du den Schöpffer hast / so laufft dir alles nach /
Mensch / Engel / Sonn und Mond / Lufft / Feuer / Erd / und Bach.

111. Ausser GOtt leben ist Todt seyn.
Mensch glaube diß gewiß: Wo du nicht lebst in GOtt /
Lebstu gleich tausend Jahr / du bist so lange todt.

112. Nicht alles gutte ist gut.
Nicht alles gut’ ist gut: Mensch überred dich nicht:
Waß nicht im Lieböl brent das ist ein falsches Licht.

113. Gewien ist verlust.
Der Reiche dieser Welt was hat er vor gewin?
Daß er muß mit verlust von seinem Reichthumb ziehn.

114. Nach Ehre streben ist thöricht.
Wie thöricht sind wir doch daß wir nach Ehre streben!
GOtt wil sie ja nur dem / der sie verschmähet / geben.

115. Erfahrung ist besser als wissenschafft.
Jß doch / waß redstu viel von krafft der Wurtzel Jesse:
Mir schmäkket nichts so gut als was ich selber esse.

116. Du must der erste im Himmel seyn.
Christ lauffe was du kanst / wiltu inn Himmel ein:
Es heist nicht stille stehn / du must der erste seyn.

117. Der Demütige wird nicht gericht.
Wer stäts in demut lebt / wird nie von GOtt Gericht:
Warumb? er richtet auch niemand und sündigt nicht.

118. GOtt ist nicht mehr barmhertzig als Gerecht.
Gott der wird nicht für Gott vom weisen Mann erkiest:
Wo er barmhertziger mehr als gerechter ist.

119. Die würckung deß heiligen Sacraments.
Das Brodt der Herr in uns wirkt wie der weisen stein:
Es machet uns zu Gold / wo wir geschmoltzen seyn.

120. Der mensch ist zwey Menschen.
Zwey Menschen sind in mir: Der eine wil was GOtt /
Der andre was die Welt der Teuffel und der Tod.

121. Nichts ist herrlicher als die Seele.
Solt’ auch was herrlichers alß meine Seele seyn /
Weil GOtt die herrligkeit sich selbst verwandelt drein?

122. Es sind nicht Heiligen.
Es können / wie du sprichst / nicht viel der Heilgen seyn.
Warumb? denn JEsus ist der Heilge ja allein.

123. Gleichnuß der H. Dreyeinigkeit.
GOtt Vatter ist der Brunn / der Quall der ist der Sohn /
Der heilge Geist der ist der strom so fleust davon.

124. Von GOtt wird mehr gelogen als war geredt.
Was du von GOtt verjahst / dasselb ist mehr erlogen /
Als wahr: weil du Jhn nur nach dem geschöpff erwogen.

125. Zeit ist edler alß Ewigkeit.
Die Zeit ist edeler alß tausend Ewigkeiten:
Jch kan mich hier dem Herrn / dort aber nicht bereiten.

126. Der Jchheit Tod stärckt in dir Gott.
So viel mein Jch in mir verschmachtet und abnimbt /
So viel deß Herren Jch darfür zu kräfften kömmbt.

127. Die Seel ist aber Zeit.
Die Seel ein ewger Geist ist über alle Zeit:
Sie lebt auch in der Welt schon in der Ewigkeit.

128. Der Seelen wird es nie Nacht.
Mich wundert daß du darffst den tag so sehr verlangen!
Die Sonn ist meiner Seel noch niemals untergangen.

129. Das jnnere bedarf Nicht deß äuseren.
Wer seine Sinnen hat ins innere gebracht /
Der hört was man nicht redt / und siehet in der Nacht.

130. Der geistliche Magnet und Stahl.
GOtt der ist ein Magnet / mein Hertz das ist der Stahl:
Eß kehrt sich stäts nach jhm / wenn ers berührt einmahl.

131. Der Mensch ist etwas grosses.
Der Mensch muß doch was seyn! GOtt niembt sein wesen an:
Umb aller Engel willn hätt’ er solchs nicht gethan.

132. Der gelassene leidet keinen schaden.
Wer nichts mit eigenthum besitzet in der Welt /
Der leidet nicht verlust wann jhm gleich’s Hauß einfällt.

133. Der Weise grämt sich nie.
Der Weise wird sich nie in Pein und Unglük grämen:
Er bitt GOtt nicht einmahl / daß ers von jhm soll nehmen. [Fußnote]

134. Ein König und ein knecht ist GOtt gerecht.
Mensch allererst bistu für GOtt geschikt und recht.
Wenn du zugleiche bist ein König und ein Knecht.

135. Vorbereitung macht weniger empfindligkeit.
Wie daß den Weisen nie betrübet Weh und Leid?
Er hat sich lang zuvor auf solchen Gast bereit.

136. Dem Weisen gilt alles gleiche.
Alls gilt dem Weisen gleich; er sitzt in ruh und stille:
Geht es nach seinem nicht / so gehts nach GOttes wille.

137. GOtt höret auch die Stummen.
Mensch wo du GOtt umb gnad nicht kanst mit worten ehren /
So steh nur stum für jhm / er wird dich schon erhören.

138. Wen GOtt nicht ewig verdammen kan.
Den Sünder / welcher sich nicht ewig wendt von GOtt /
Kan GOtt auch nicht verdammn zur ewgen Pein und Tod.

139. Das Alleradelichste.
Bin ich nicht adelich! die Engel dienen mir /
Der Schöpffer buhlt umb mich / und wart für meiner Thür.

140. Der Weise fehlt nie deß Ziehls.
Der Weise fehlet nie: er trifft allzeit das Ziehl;
Er hat ein augenmaß / das heisset wie GOtt wiel.

141. Der Welt thun ist ein Trauerspiel.
Freund gönn’ es doch der Welt / jhr gehts zwar wie sie wil:
Doch ist jhr gantzes thun nichts als ein Trauerspiel!

142. Jm Himmel mag man thun was man wil.
Mensch zähme doch ein kleins auf erden deinen willen:
Jm Himmel wirstu jhn wie du wirst wolln erfüllen.

143. Der Unempfindliche ist mehr als Englisch.
Wer in dem Fleische lebt / und fühlt nicht dessen pein:
Der muß schon auf der Welt weit mehr als Englisch seyn.

144. Die Jchheit schadt mehr als tausend Teuffel.
Mensch hütte dich für dir. Wirstu mit dir beladen /
Du wirst dir selber mehr als tausend Teuffel schaden.

145. Christus verursacht nur haß und streit.
Meinstu daß Christus dir bringt Fried und Einigkeit?
Nein wahrlich: wo er ist entstehet haß und streit!

146. Die Welt ist von Ewigkeit.
Weil GOtt der ewige die Welt schuf ausser zeit:
So ists ja Sonnen-klar daß sie von ewigkeit.

147. Jn GOtt ist alles gleiche.
Jn GOtt ist alles eins. Der minst im Himmelreich
Jst Christo unsrem Herrn und seiner Mutter gleich.

148. Jn der Ewigkeit geschieht alles zugleiche.
Dort in der Ewigkeit geschihet alls zugleich:
Es ist kein vor noch nach / wie hier im Zeitenreich.

149. Alle Menschen müssen ein Mensch werden.
Der vielheit ist GOtt feind; Drumb zieht er uns so ein:
Daß alle Menschen solln in Christo einer seyn.

150. Jm Himmel ist alles gemein.
Jm Himmel lebt man wol; Niemand hat was allein.
Was einer hat / das ist den Seelgen alln gemein.

151. Ein jeder geneust des andren Seeligkeit.
MArien Seeligkeit / und jhres Sohns deß süssen /
Werd’ ich so völliglich alß beyde selbst geniessen.

152. Was ein Heiliger hat / das ist der andern auch.
Was hier die Heiligen mit grosser müh erlangt /
Wird in der Seeligkeit mir alls umb sonst geschankt.

153. Ein jeder im Himmel freuet sich ob dem andern.
Der gröste Heilige wird sich so hoch erfreun
Ob mir; als sehr ob jhm ich werde frölich seyn.

154. Wer friede sucht muß vil übersehn.
Mensch wenn du so genau das deine wilt beschützen /
So wirstu nimmermehr im wahren friede sitzen.

155. Christus ist der erste und letzte Mensch.
Der erst’ und letzte Mensch ist Christus selbst allein /
Weil all’ auß jhm entstehn / in jhm beschlossen seyn.

156. Wer viel begehrt dem mangelt vil.
Wer gnugsam reich / hat alls. Wer viel begehrt und wil /
Der giebet zu verstehn daß jhm noch mangelt viel.

157. Der Reiche ist wahrhafftig arm.
Der Reiche wann er viel von seiner Armuth spricht /
So glaub es ihm nur gern: er leugt warhafftig nicht.

158. Die abgestorbenheit ist eine Wittib.
Die abgestorbenheit muß eine Wittib seyn;
Denn sie hat keinen Mann / und gehet stäts allein.

159. Das Leiden Christi ist noch nicht gar vollbracht.
Das Leiden Christi ist am Creutz nicht gar vollbracht:
Er leidet heute noch bey Tag und auch bey Nacht.

160. Der Mensch muß das Leiden Christi erfüllen.
Mensch du solst Paulus seyn / und in dir selbst erfüllen /
Was Christus nicht gethan / wo sich der zorn sol stillen.

161. Niemand liegt an der brust Christi als Johannes.
Kind bilde dir nicht ein / eh du Johannes bist /
Daß du ligst an der Brust deß Herren JEsu Christ.

162. Das Lob deß Sünders.
Das Lob das GOtt dem Herrn ein Ungerechter giebt /
Wird weniger von jhm als Hundsgebell geliebt.

163. GOtt hilfft dem grösten Sünder am liebsten.
Die Sünder liegen krank / jhr artzt ist JEsus Christ:
Am liebsten hilfft er dir wo du der gröste bist.

164. GOtt nimbt nur die Lämmer an.
GOtt wil daß alle solln zu seinem Sohne kommen:
Und dennoch werden nur die Lämmer angenommen.

165. Wer GOtt siehet.
GOtt ist ein ewger Blitz / wer kan jhn sehn und leben?
Wer sich in seinen Sohn sein Ebenbild begeben.

166. Wer böse bleibt / hat nichts an Christo.
Mensch bleibestu verbost / so ist dir nichts erworben:
GOtt ist nur für das Schaf nicht für den Bok gestorben.

167. Die Sünde bringt was Guttes.
Die Sünd bringt doch was gutts: Sie muß den Fromen dienen /
Daß sie viel edeler für GOtt dem Herren grünen.

168. Der Sünder thut nichts gut.
Mensch speise wen du wilt / zeuch tausend Armen an;
Wo du ein Sünder bist / du hast nicht wol gethan.

169. Wie man für die Majestät gehet.
Wer für der Majestät wil unerschrokken stehn /
Der muß gewaschen seyn / und tief gebukket gehn.

170. GOtt sind alle Werke gleich.
GOtt sind die Werke gleich / der Heilge wann er trinkt /
Gefället Jhm so wohl als wann er Beth und singt.

171. Die Tugenden hängen alle aneinander.
Die Tugenden sind so verknüpffet und verbunden /
Wer ein’ alleine hat der hat sie alle funden.

172. Alle Tugenden sind eine Tugend.
Schau alle Tugenden ist ein’ ohn unterscheid:
Wiltu den Nahmen hörn? sie heist Gerechtigkeit.

173. GOtt hat keine Gedanken.
Mensch GOtt gedänket nichts. Ja wärn in Jhm Gedanken
So könt’ Er hin und her / welchs Jhm nicht zusteht / wanken.

174. Was der Heilige thut / thut GOtt in jhm.
Gott thut im Heilgen selbst alls was der Heilge thut:
GOtt geht / steht / liegt / schläfft / wacht / ißt / trinkt / hat gutten Muth.

175. Das Gewissen ist ein Wegweiser.
Mensch wenn du jrre gehst so frage dein Gewissen:
Du wirst ohn alln Verzug die Strass’ erkennen müssen.

176 [fehlt]

177. Wer das Buch deß Lebens lieset.
Mensch wer dem HErren folgt in seinem Thun und lassen /
Der liest deß Lebens Buch / und kan die Meinung fassen.

178. Christus war was Er redte.
Was Christus auf der Welt geredt hat und gethan /
Das ist Er selbst gewest: wie ers auch zeiget an.

179. GOtt macht nichts Neues.
Gott macht kein neues Ding / obs uns zwar neue scheint:
Für Jhm ist ewiglich was man erst werden meint.

180. GOtt kombt nur in keusche Hertzen.
Den Bräutgam deiner Seel verlanget ein zu ziehen /
Blüh auf; er kommet nicht biß daß die Lilgen blühen.

181. Das allergeitzigste.
Wie Geitzig ist ein Hertz! wenn tausend Welten wären /
Es würde sie gesambt / und mehr darzu begehren.

182. Das Hertz muß auß dem Hertzen.
Schütt auß dein Hertz für GOtt: Er zeucht nicht bey dir ein /
Wenn er dein Hertze nicht sieht aussrem Hertzen seyn.

183. Deß Christen Natur.
Umb böses guttes thun / umb Schmach sich nicht entrüsten:
Vor undank dank ertheiln / ist die Natur der Kristen.

184. Ein Heiliger sicht sich im andern.
Ein jeder Heiliger wird sich in allen sehn:
Wann nicht all’ einer wärn / so könt es nicht geschehn.

185. Der Weise weil er nichts hat verliehrt nichts.
Der weise Mann ist nie umb einen Heller kommen:
Er hat nie nichts gehabt / man hat ihm nichts genommen.

186. Die Eigenheit ist alles übels Ursache.
Mittheilen schaffet Ruh. Bloß auß der Eigenheit
Entstehet alles Weh / Verfolgung Krieg und Streit.

187. Der gröste Trost nach GOtt.
Der gröste Trost nach GOtt dünkt mich im Himmel seyn:
Daß man einander gleich ins Hertze siht hinein.

188. Es sind viel Seeligkeiten.
Es sind viel Wohnungen / und auch viel Seeligkeiten:
Ach thätestu dich doch zu einer recht bereiten!

189. GOtt ist Ewig in seine Schönheit verliebt.
GOtt ist so überschön / daß Jhn auch selber gantz
Von Ewigkeit verzukt seins Angesichtes Glantz.

190. Die Seeligkeit in der Zeit.
Dem Heilgen geht nichts ab; er hat schon in der Zeit
An GOttes wollgefalln die gantze Seeligkeit.

191. Der Seeligen und Verdampten eigenschafft.
Der Seelgen Eigenschafft ist gantz nach GOtte leben:
Und der Verdampten art Jhm gäntzlich wiederstreben.

192. GOtt macht mit Hülffe der Creatur das beste.
Den ersten Adam den hat GOtt allein gemacht:
Den anderen hat er mit mir zu wege bracht.

193. GOtt liebet einen wie alle.
GOtt liebet mich so sehr als alles was auf Erden;
Wär’ er nicht Mensch gebohrn / er würde mirs noch werden.

194. Aller Heiligen Werke sind nur ein Werk.
Was alle Heilgen thun / das kan ein Mensch allein:
Ja! schau sie thun sonst nichts als GOtt gelassen seyn.

195. GOtt wird im müssig seyn gefunden.
GOtt wird viel eher dem der gäntzlich müssig sitzt;
Als dem der nach Jhm laufft daß Leib und Seele schwitzt.

196. GOtt hat alle Nahmen / und keinen.
Man kan den höchsten GOtt mit allen Nahmen nennen:
Man kan jhm widerumb nicht einen zuerkennen.

197. GOtt ist nichts und alles.
GOtt der ist nichts und alls ohn alle deuteley:
Dann nenn was das Er ist? auch was das Er nicht sey?

198. Christus ist unser Muster.
Mensch wenn du dich wilt GOTT zum Tempel auferbauen /
Mustu das rechte Maß an Christo dir abschauen.

199. Der Liebe gegenwurf
Der Liebe gegen-wurff ists höchste Gutt allein:
Liebt sie was ausser dem / so müßt sie Närrisch seyn.

200. Was man liebt / in das verwandelt man sich.
auß S. Augustino.
Mensch was du liebst in das wirstu verwandelt werden /
GOtt wirstu liebstu GOtt / und Erde liebstu Erden.

The following is the German text of the Cherubinischer Wandersmann by Johannes Scheffler / Angelus Silesius.

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201. Die wohlgeordnete Liebe.

Liebstu GOtt über dich / den Nächsten wie dein Leben /
Was sonst ist / unter dir: so liebstu recht und eben.

202. Die Vereinigung mit GOtt machet alles Edeler.

Krist alles was du thust / muß dir zu Gulde werden:
Wo dus Vereinigest mit Christi thun auf Erden.

203. Der Welt-Mensch ist Verblendt.

Mensch thu die Augen auf / der Himmel steht ja offen:
Du hast dich mit der Welt / wo dus nicht siehst besoffen.

204. GOtt ist güttiger als wir vermeinen.

GOtt ist so gut auf unß / daß ichs nicht sagen kan:
Begehrn wir Jhn gleich nicht / er bieth sich selber an.

205. Auf GOttes seiten ist kein Mangel.

GOtt wirkt ohn unterlaß: Er gösse tausend Freuden
Jn dich auf einmal ein / wo du Jhn köntest leyden.

206. GOtt kan sich keinem Demütigen entziehn.

GOtt könte sich auch gar den Teufeln nicht entziehn /
Wo sie nur umgekehrt für Jhn hin wolten knien.

207. Das gröste Werk.

Das allergröste Werk das du für GOtt kanst thun /
Jst ohn ein eintzigs Werk GOtt leiden und Gott ruhn.

208. Die Neue Creatur.

Mensch allererst bistu die neue Creatur /
Wenn Christi frömigkeit ist deines Geists Natur.

209. Das allerhöchste Leben.

Freund wo du’s wissen wilt / das allerhöchste Leben /
Jst abgeschieden seyn / und GOtt stehn übergeben.

210. Die Neue und alte Liebe.

Die Liebe wenn sie neu / praust wie ein junger Wein:
Je mehr sie alt und Klar / je stiller wird sie seyn.

211. Die Seraphische Liebe.

Die Liebe welche man Seraphisch pflegt zunennen /
Kan man kaum äuserlich weil sie so still ist kennen.

212. Der liebe Mittelpunct und Umbkreiß.

Der liebe Mittelpunct ist GOtt und auch jhr Kreiß.
Jn Jhm ruht sie / liebt alls in ihme gleicherweiß.

213. Der Thron GOttes ist im Friede.

Jn wem die Majestät sol ruhen wie inn Thronen /
Muß zu Jerusalem auf Sions Berge wohnen.

214. GOtt ist in allem alles.

Jn Christo ist GOtt GOtt / inn Engeln Englisch Bild /
Jnn Menschen Mensch / und alls in allen was du wilt.

215. GOtt thut alles in allem.

GOtt thut in allen alls. Er liebt inn Seraphinen /
Jnn Thronen herrschst Er / beschaut inn Cherubinen.

216. GOtt ist ein Brunn.

Gott gleicht sich einem Brunn / Er fleust gantz mildiglich
Herauß in sein Geschöpff / und bleibet doch in sich.

217. Jn GOtt schaut man alles auf einmahl.

Freund wann man Gott beschaut / schaut man auf einmahl an /
Was man sonst ewig nicht ohn jhn durchschauen kan.

218. Gott kan nichts böses wolln.

GOtt kan nichts böses wolln: wolt’ Er deß Sünders Tod /
Und unser Ungelük / Er wäre gar nicht Gott.

219. Der Mensch sol nicht ein Mensch bleiben.

Mensch bleib doch nicht ein Mensch: man muß aufs höchste kommen.
Bey Gotte werden nur die Götter angenommen.

220. Wie Gott gefunden wird.

Wer Gott recht finden wil / muß sich zuvor verliehrn /
Und biß in Ewigkeit nicht wieder sehn noch spürn.

221. Der Todte höret nicht.

Ein abgestorbner Mensch / ob man jhm übel spricht /
Bleibt unbewegt. Warumb? die Todten hören nicht.

222. Vor den Freuden muß man leyden.

Mensch wo du dich mit Gott im Himmel dänkst zu freun /
Mustu vor auf der Welt seins Tods gefährte seyn.

223. Wann der Mensch so gerecht wie Christus.

Wann du vollkommen Eins mit GOTT dem HErren bist /
So bistu so gerecht als unser Jesus Christ.

224. Dem Todten ist alles Tod.

Wenn du gestorben bist / so scheinet dir von Noth
Mein Mensch die gantze Welt unnd alls Geschöpffe Todt.

225. Die ungekreutzigten Kreutze.

Viel sind der Welt ein Kreutz / die Welt ist aber jhnen
Nicht dieses widerumb: weil sie die noch bedienen.

226. Die Natur der Heyligkeit.

Der Heyligkeit Natur ist lautre Lieb O Christ:
Je lauterer du liebst / je heyliger du bist.

227. Die Gleichheit.

Der Heilge nimbt es gleich: läst jhn GOtt liegen Krank /
Er saget Jhm so gern als vor Gesundheit dank.

228. Der Mensch stekt in einem Thier.

Kreuch doch herauß mein Mensch / du stekst in einem Thier /
Wo du darinnen bleibst / kombstu bey Gott nicht für.

229. Anmassung ist der Fall.

Mensch ist was guts in dir / so masse dichs nicht an.
So bald du dirs schreibst zu / so ist der Fall gethan.

230. Das böse ist deine.

Das gutte kommt auß Gott / drumb ists auch sein’ allein:
Das bös’ entsteht auß dir: das laß du deine seyn.

231. Wahre Liebe ist beständig.

Laß doch nicht ab von Gott / ob du solst elend seyn:
Wer ihn von Hertzen liebt / der liebt Jhn auch in Pein.

232. Das Schönste Ding.

Kein Ding ist hier noch dort / das schöner ist als ich:
Weil Gott die Schönheit selbst sich hat verliebt in mich.

233. Wenn der Mensch Gott ist.

Eh’ als ich ich noch war / da war ich Gott in Gott:
Drumb kan ichs wieder seyn wenn ich nur mir bin Todt.

234. Alles kehrt wieder in seinen Ursprung.

Der Leib von Erde her wird widerumb zur Erden:
Sag weil die Seel von Gott / ob sie nicht Gott wird werden?

235. Die Ewigkeit ist unß angebohrn.

Die Ewigkeit ist unß so jnnig und gemein:
Wir wolln gleich oder nicht / wir müssen Ewig seyn.

236. Eins hält das andere

Mein Geist der trägt den Leib / der Leib der trägt jhn wieder:
Läst eins vom andern ab / so falln sie beyde nieder.

237. Das Kreutze bringt Freud und Leid.

Das Kreutze bringet Pein / das Kreutze bringet Freud.
Pein einen Augenblik / und Freud in Ewigkeit.

238. Das mein und dein Verdammet.

Nichts anders stürtzet dich in Höllenschlund hinein /
Als das verhasste Wort (merks wol!) das mein unnd dein.

239. Gott hat kein Muster als sich selbst.

Fragstu warumb mich Gott nach seinem Bildnüß Machte?
Jch sag’ es war niemands der jhm ein anders brachte.

240. Wann der Mensch gäntzlich wiederbracht ist.

Wenn ist der Mensch zu Gott vollkommlich wiederbracht?
Wenn er das Muster ist darnach jhn Gott gemacht.

241. Der Liebe ist alles Unterthan.

Die Lieb beherrschet alls; auch die Dreyeinigkeit /
Jst selbst jhr Unterthan gewest von Ewigkeit.

242. Die Lieb ists höchste Gutt.

Es ist vom höchsten Gutt viel redens und Geschrey:
Jch schwere daß diß Gutt allein die Liebe sey.

243. Die Natur Gottes.

Die Lieb’ ist Gotts Natur / er kan nichts anders thun.
Drumb wo du Gott wilt seyn / Lieb auch in jedem nun.

244. Die Liebe macht auch Gott seelig.

Die Lieb beseeligt alls / auch Gott den Herrn darzu;
Hätt’ er die Liebe nicht / er sässe nicht in Ruh.

245. GOtt hat keinen eignern Nahmen als Liebe.

Kein Nahm ist welcher Gott recht eigen wär’ / allein
Die Liebe heist man Jhn: so werth ist sie und fein.

246. Gott wil was Er ist.

Gott ist die Liebe selbst / und thut auch nichts als lieben:
Drumb wil er auch daß wir die Liebe stäts solln üben.

247. Gott kan nichts hassen.

Mensch rede recht von Gott; Er hasst nicht seyn Geschöpffe:
(Unmöglich ist es jhm /) auch nicht die Teuffels Köpffe.

248. Dreyerley Schlaff.

Der Schlaff ist dreyerley; Der Sünder schläfft im Tod /
Der müd’ in der Natur / und der verliebt’ in Gott.

249. Die dreyerley Geburt.

Maria die gebiehrt den Sohn Gotts äusserlich /
Jch inner mir im Geist / Gott Vatter ewiglich.

250. Die geistliche und Ewge geburt sind eines.

Die geistliche Geburt / die sich in mir eräugt /
Jst eins mit der durch die den Sohn Gott Vatter zeugt.

251. Die Geburt Gottes wehret jmmer.

Gott zeuget seinen Sohn / und weil es ausser Zeit /
So wehret die Geburt auch biß in Ewigkeit.

252. Der Sohn GOttes wird in dir gebohren.

Mensch schikstu dich darzu / so zeugt Gott seinen Sohn /
All’ Augenblik in dir / gleich wie in seinem Thron.

253. Jedes ist in seinem Ursprung am besten.

Das Wasser in dem Brunn / die Ros’ auf ihrem stamm:
Am besten ist die Seel in Gott / im Feur die Flamm.

254. Die Seel ohne Gott.

Ein Hirtenloses Schaf / ein Cörper welcher Todt /
Ein Brunnen ohne qual / diß ist die Seel ohn Gott.

255. Auf wethun folgt wolthun.

Der Krieg gewinnt dir Frid / mit Streit erlangstu Freüd.
Verdamnuß deiner selbst bringt dir die Seeligkeit.

256. Zurükke sehn ist wieder Verlohren werden.

Wenn du auß Sodom gehst / und dem Gericht entfliehest /
So steht dein Heil darauf daß du nicht rukwerts siehest.

257. Das allersüsseste Leben.

Der Himmel auff der Welt / das allersüsste Leben /
Jst der beschauligkeit auß Liebe seyn ergeben.

258. Gott und die Seeligkeit ist ein Ding.

Die Seeligkeit ist Gott / und Gott die Seeligkeit:
Wär’ eins das ander nicht / ich lebte stets in Leid.

259. Gott wird ich / weil ich vor Er war.

Gott wird was ich itz bin / nimmt meine Menschheit an.
Weil ich vor Er gewest / drumb hat er es gethan.

260. Wie GOtt / HErr / Vatter / und Bräutigam.

Den Knechten ist Gott Herr / dir Vatter wo du Kind /
Mir ist Er Bräutigam / wenn er mich Jungfrau findt.

261. GOtt ist in allen Dingen / und doch keinem Gemein.

Das wesen Gottes macht sich keinem Ding gemein:
Und muß nothwendig doch auch in den Teuffeln seyn.

262. Die tieffe der Demut.

Die Demut senket sich in solchen Abgrund ein /
Daß sie sich schnöder schätzt als alle Teuffel seyn.

263. Die Hölle muß man schmekken.

Krist / einmal muß man doch im Schlund der Höllen seyn:
Gehstu nicht lebendig / so mustu Tod hinein.

264. Wenn Jesus ins Hertze gebildet wird.

Mensch wenn dein Hertz für Gott wie Wachs ist weich und rein:
So drukt der Heilge Geist das Bildnüß JEsu drein.

265. Wer von der Liebe Gottes gebunden.

Die Seel die nichts als Gott gedänkt zu allen stunden /
Die ist von seiner Lieb bestrikket und gebunden.

266. Das rechte Leben der Seele.

Dann lebt die Seele recht / wenn Gott jhr Geist unnd Leben
Sie gantz erfüllet hat / und sie Jhm Raum gegeben.

267. Wie die schule so die Lehre.

Jnn Schulen dieser Welt wird Gott unß nur beschrieben:
Jns Heilgen Geistes Schul lernt man Jhn schaun und lieben.

268. Man sol ohne Verdruß wirken.

Die Sonne scheint unnd wirkt ohn alln Verdruß unnd Pein:
So sol auch deiner Seel / im fall jhr recht ist seyn.

269. Wer Gott für bey / schaut Gott.

Braut / suchestu zu schaun deß Bräutgams Angesicht /
Geh Gott und alls Fürbey / so fehlet dir es nicht.

270. Alles Heyl von Gott.

Auß Liebe wird Gott ich / ich auß Genaden Er:
So kommt ja all mein Heyl nur bloß von jhme her.

271. Wenn du nicht Mensch bist / ist es Gott.

Wenn du nicht Mensch mehr bist / und dich verläugnet hast /
So ist Gott selber Mensch / und träget deine Last.

272. Das Antlitz Gottes ist seeligmachend.

Das Antlitz Gottes zeucht an sich wie Eisenstein:
Nur einen Blik es schaun macht ewig seelig seyn.

273. Wo Christus nicht wirkt da ist er nicht.

Freund wo nicht Christus wirkt / da ist er auch noch nicht /
Ob gleich der Mensch von jhm viel singet oder spricht.

274. Der Seelige auff der Welt.

Wer sich in Kreutz und Pein von Hertzengrund erfreut /
Der ist noch hier ein Kind der ewgen Seeligkeit.

275. Leiden ist nutzlicher als Freude.

Mensch wüstestu wie gut und nutzlich’s Leiden ist /
Du hattest’s dir vorlängst für aller Lust erkiest.

276. Der Heilige thut nicht nach den Gebotten.

Der Heilge was er thut / thut nichts nach dem Gebot:
Er thut es lauterlich auß Liebe gegen Gott.

277. Der Gerechte hat kein Gesetz.

Für bös’ ist das Gesetz: wär kein Gebot geschrieben /
Die Frommen würden doch Gott und den Nächsten lieben.

278. Der Geistliche Krebsgang.

Mensch senke dich herab / so steigestu hinauf.
Laß ab von deinem gehn / so fängt sich an dein Lauf.

279. Was im Orte der Welt vor der Welt gewest.

Eh Gott die Welt erschuf was war in diesem Ort?
Es war der Ort selb selbst / Gott und sein Ewges Wort.

280. Gott kan sich selbst nicht messen.

Gott ist so hoch und groß / wolt’ Er sich selber messen /
Er würd / ob er gleich Gott / deß Maßstabs zahl vergessen.

281. Das wunderlichste / beste / und Schönste an Gott.

Das wunderlichst’ an Gott ist die Vorsichtigkeit /
Langmüttigkeit das best’ und’s schönste grechtigkeit.

282. Gott ist wie die Sonne.

Gott ist der Sonne gleich: wer sich zu Jhme kehrt /
Der wird erleucht / und straks seins Angesichts gewehrt.

283. Warumb Gott ruh und Freude hat.

Weil Gott Dreyeinig ist / so hat Er ruh und Lust:
Ruh komt von Einheit her / Lust von der Dreyheit Brust.

284. Gott komt eh du jhn begehrest.

Wenn dich nach Gott verlangt / und wüntschst sein Kind zu seyn /
Jst Er schon vor in dir / und giebt dir solches ein.

285. Die Geistliche Turteldaube.

Jch bin die Turteldaub / die Welt ist meine Wüste /
Gott mein Gemahl ist weg: drumb sitz ich ohn geniste.

286. Die Einfalt muß witzig seyn.

Die Einfalt schätz’ ich hoch der Gott hat Witz beschert.
Die aber den nicht hat / ist nicht deß Nahmens wehrt.

287. Der Einfalt Eigenschafft.

Der Einfalt eigenschafft ist nichts von Schalkheit wissen /
Aufs gutte Bloß allein in Demutt seyn beflissen.

288. Der Weltlichen unnd Göttlichen Liebe Natur.

Die Welt-Lieb hat die Art daß sie sich abwerts neigt:
Der Göttlichen Natur ist daß sie aufwerts steigt.

289. Die Tugend ohne Liebe gilt nichts.

Die Tugend nakt und bloß kan nicht für Gott bestehn:
Sie muß mit Liebe seyn geschmükt / Dann ist sie schön.

290. Die Liebe ist Feuer und Wasser.

Die Lieb ist Flutt und Glutt: kan sie dein Hertz empfinden /
So löscht sie Gottes Zorn / unnd brennt hinweg die Sünden.

291. Die Würdigkeit komt von Liebe.

Ach lauf doch nicht nach witz und Weißheit über Meer:
Der Seelen Würdigkeit kombt bloß von Liebe her.

292. Die Schönheit komt von Liebe.

Die Schönheit komt von Lieb’; auch Gottes Angesicht
Hat seine Lieblichkeit von jhr: sonst gläntzt’ es nicht.

293. Der Liebe belohnen

Die Liebe hat Gott selbst zum wesentlichen Lohn /
Er bleibet ewiglich jhr Ruhm und Ehren Kron.

294. Weißheit ohne Liebe ist nichts.
Mensch wo du weise bist / und liebst nicht Gott darbey:
So sag ich daß ein Narr dir vorzuziehen sey.

295. Je liebender je Seeliger.

Das Maß der Seeligkeit mist dir die Liebe ein:
Je Völler du von Lieb / je Seelger wirstu seyn.

296. Die Liebe Gottes in unß / ist der Heilige Geist.

Die Liebe welche sich zu Gott in dir beweist /
Jst Gottes ewge Krafft / sein Feur und Heilger Geist.

297. Man kan Gott nicht lieben ohne Gott.

Mensch liebete sich Gott nicht selbst durch dich in dir /
Du köntest nimmermehr Jhn lieben nach gebühr.

298. Die Liebe hat keine Furcht.

Die Liebe fürcht sich nicht / sie kan auch nicht verderben:
Es müste Gott zuvor sambt seiner Gottheit sterben.

299. Wie die Person so das Verdienst.

Die Braut verdient sich mehr mit einem Kuß umb Gott /
Als alle Mittlinge mit Arbeit biß inn Tod.

300. Wer Gott recht liebet.

Mensch niemand liebt Gott recht als der sich selbst Veracht.
Schau ob du es auch so mit deiner Lieb gemacht.

301. Was das freundlichste nach Gott.
Das freundlichste nach Gott ist die verliebte Seele:
Drumb hat er seine Lust zu seyn in jhrer Höle.

302. Das Schnelleste.
Die Lieb ist’s schnellste Ding: Sie kan für sich allein
Jn einem Augenblik im höchsten Himmel seyn.

303. Kennzeichen der falschen Liebe.
Wiltu die falsche Lieb von wahrer unterscheiden /
So schau sie sucht sich selbst / und fället ab inn Leiden.

304. Das Kreutz probirt die liebe.
Jm Feuer wird das Gold obs reine sey probirt /
Und deine Lieb im Kreutz / wie lauter sie / gespürt.

305. Die Liebe Gottes ist wesentlich.
Die Liebe gegen Gott steht nicht in süssigkeit /
Süss ist ein zufall nur: sie steht in Wesenheit.

306. Ein unverwundtes Hertz ist ungesund.
Ein Hertze welches nicht von GOttes Lieb ist Wund:
Jst / ob es zwar nicht scheint / gantz Krank und ungesund.

307. Die Liebe ist GOtt gemeiner als Weißheit.
Die Liebe geht zu GOtt unangesagt hinein:
Verstand und hoher Witz / muß lang’ im Vorhof seyn.

308. Wie GOtt so allgemein.
Wie allgemein ist GOtt! Er hat der Bauer Magd
Die Kunst wie man jhn Küst / so wol als dir gesagt.

309. Das erfreulichste der Seelen.
Diß ist’s erfreulichste / wie meiner Seel fällt ein /
Daß sie wird jmmer Braut mit ewger Hochzeit seyn.

310. Was der Kuß GOttes ist.
Der Kuß deß Bräutgams GOtts / ist die Empfindlichkeit
Seins gnädgen Angesichts / und seiner süssigkeit.

311. Die Seele kan nichts ohne GOtt.
So schön die Laute sich auß eignen Kräfften schlägt /
So schön klingt auch die Seel die nicht der HERR bewegt.

312. Der guldene Begrief.
Der guldene Begrief durch den man alles kan /
Jst Liebe: Liebe nur / so hastu’s kurtz gethan.

313. Das Edleste Gemütte.
Kein Edleres Gemütt ist auf der gantzen Welt /
Als welchs mit GOtt vereint / für einen Wurm sich hält.

314. Barmhertzigkeit schleust den Himmel auf.
Kind mache dich gemein mit der Barmhertzigkeit:
Sie ist die Pförtnerinn im Schloß der Seeligkeit.

315. Verkleinerung erhebt.
Verkleinere dich selbst / so wirstu groß mein Christ /
Je schnöder du dich schätzst / je würdiger du bist.

316. Der Evangelische Hirte.
Der Hirt’ ist GOttes Sohn / die GOttheit ist die Wüste /
Jch bin das Schaf das Er für andren sucht’ und küste.

317. Die Früchte der Tugenden.
Die Demut die erhebt / die Armuth machet Reich /
Die Keuschheit Engelisch / die Liebe GOtte gleich.

318. Wie man inn Himmel sieht.
Man darf kein Ferngesicht inn Himmel einzusehen /
Kehr dich nur von der Welt / und schau: so wirds geschehen.

319. Die gröste Seeligkeit.
Die gröste Seeligkeit die ich mir kan ersinnen
Jst / daß man GOtt wie süss’ Er ist wird schmekken können.

320. Der nächste Weg zu GOtt.
Der nächste Weg zu GOtt ist durch der Liebe Thür:
Der Weg der wissenschafft bringt dich gar langsam für.

321. Worinn die Ruhe deß Gemüttes bestehe.
Die Ruhe deß Gemütts besteht in dem allein /
Daß es Vollkömmlich ist mit GOtt ein einges Ein.

322. Die Seeligkeit ist in dem höchsten Gutt.
Kein Mensch kan seelig seyn / als in dem höchsten Gutt:
Wie daß mans dann verläst / und’s kleine suchen thut?

323. Warumb GOtt ewigen Lohn giebt.
GOtt muß die Heiligen mit ewgem Lohn belohnen:
Weil sie jhm / wo Er wolt’ / auch ewig würden frohnen.

324. Die Krönende Tugend.
Die Tugend die dich Krönt mit ewger Seeligkeit /
(Ach halte sie doch fest!) ist die beharrligkeit.

325. Wenn die Himmelfahrt verhanden.
Wenn GOtt in dir gebohrn / gestorben / und erstanden:
So freue dich daß bald die Himmelfahrt verhanden.

326. Unterschiedliche Gelegenheit der Seele.
Deß Sünders Seele ligt / deß Büssers richt sich auf /
Und deß Gerechten steht geschikt zum Tugend lauf.

327. Warumb GOtt deß Regiments nicht müde wird.
GOtts und seins Geistesreich ist Liebe / Freude / Fride:
Drumb wird Er deß Regierns in Ewigkeit nicht müde.

328. GOtt betrübt die Sünde nicht.
GOtt thut die Sünde weh in dir als seinem Sohn:
Jn seiner GOttheit selbst / da fühlt Er nichts davon.

329. Die gantze Dreyfaltigkeit hilfft zur Seeligkeit.
Die Allmacht zeucht mich auf / die Weißheit weist mich an /
Die Gütte hilffet mir / daß ich inn Himmel kan.

330. Wenn man GOtt reden hört.
Wenn du an GOtt gedenkst / so hörstu Jhn in dir:
Schwiegstu / und wärest still’ / Er redte für und für.

331. Was GOtt nicht thut / gefällt jhm nicht.
GOtt muß der Anfang seyn / das Mittel und das Ende /
Wo Jhm gefallen solln die Werke deiner Hände.

332. Wo der Mensch hinkomt / wann er in GOtt vergeht.
Wenn ich in GOtt vergeh / so komm ich wider hin
Wo ich von Ewigkeit vor mir gewesen bin.

333. Deß Teuffels Schlacht Vieh.
Die Seele welche sich die Sünde läst ermorden /
Die ist (O grosser Spot!) deß Teuffels Schlacht Vieh worden.

334. GOtt schätzt die Werke nach dem wesen.
Mensch deß Gerechten Schlaf ist mehr bey Gott geacht /
Als was der Sünder Beht und singt die gantze Nacht.

335. Unterscheid der drey Lichter.
Das Licht der Herrligkeit lass’ ich die Sonne seyn /
Die Gnade gleicht den Strahln / Natur dem Widerschein.

336. Mit einem Auge muß man zihlen.
Die Seele welche GOtt das Hertze treffen wil /
Seh nur mit einem Aug / dem rechten / auf das zihl.

337. Das Geschöpff ist deß Schöpffers Trost.
Jch sein Geschöpffe bin deß Sohnes GOttes Kron /
Die Ruhe seines Geists / und seiner Leiden lohn.

338. Die Ewigkeit ist je länger je undurchschaulicher.
Das Meer der Ewigkeit je mehr’s der Geist beschifft
Je undurchschifflicher und weiter ers betrifft.

339. Die GOttheit gründet kein Geschöpffe.
Wie tief die Gottheit sey kan kein Geschöpff ergründen:
Jn ihren Abgrund muß auch Christi Seel verschwinden.

340. Auch GOtt muß sich verdienen.
Daß ich den höchsten GOtt zum Bräutgam angenommen /
Hat Er umb mich verdient / daß Er ist zu mir kommen.

341. Wo die Zeit am längsten.
Je weiter man von GOtt / je tieffer in der Zeit:
Drumb ist den Höllischen ein Tag ein’ Ewigkeit.

342. Wo man die Göttliche Höffligkeit lernt.
Kind wer in GOttes Hof gedänket zubestehn /
Der muß zum Heilgen Geist hier in die Schule gehn.

343. Das geistliche Orgelwerk.
GOtt ist ein Organist / wir sind das Orgelwerk /
Sein Geist bläst jedem ein / und gibt zum thon die stärk.

344. Die Armut ist im Geist.
Die Armut steht im Geist: ich kan ein Kaiser werden /
Und doch so Arm seyn als ein Heiliger auf Erden.

345. Wer inn Wunden Christi wohnt.
Der Geist der voller Freud’ in Leiden wird gefunden /
Und ruhe hat in Pein / der wohnt in Christi Wunden.

346. Den Kindern gebühret Milch.
Den Männern giebet GOtt zu trinken starken Wein:
Dieweil du noch ein Kind / flöst Er dir süsses ein.

347. Wer eine tieffe mit GOtt.
Der Geist / der nunmehr ist mit Gott ein Einges Ein /
Muß eben solcher Höh’ / und solcher tieffe seyn.

348. Wie Gott zumessen.
Unmeßlich ist zwar GOtt: jedoch kanstu Jhn messen /
Wo du mein Hertze mißt: denn’s ist von Jhm besessen.

349. Du must der Gnade Lufft machen.
Räum weg / und mache Lufft; das Fünklein ligt in dir:
Du flammest es leicht auf mit heilger Liebsbegiehr.

350. Du must dich selbst ermuntern.
Mein Christ du must dich selbst durch GOtt vom Schlaf erwekken:
Ermunterst du dich nicht / du bleibst im Traume stekken.

351. Jm jnnern sind alle Sinnen ein Sinn.
Die Sinnen sind im Geist all’ ein Sinn und gebrauch.
Wer GOtt beschaut / der schmäkt / fühlt / reucht / und hört Jhn auch.

352. Was das süsseste und seeligste.
Nichts süssers ist als GOtt ein Menschen Kind zusehn:
Nichts Seelgers als in sich fühln die Geburt geschehn.

353. Das Antlitz Gottes macht trunken.
Das Antlitz Gotts macht voll. Sähstu einmal sein Licht:
Du würdest trunken seyn von diesem Angesicht.

354. Ungekreutzigt komt niemand inn Himmel.
Christ flieh doch nicht das Kreutz; du must gekreutzigt seyn:
Du komst sonst nimmermehr ins Himmelreich hinein.

355. Woher die Ungleichheit der Heiligen.
GOtt wirkt nach der Natur: diß macht den unterscheid /
Daß dieser Heilige sich kränkt / der andre freut.

356. Das Vollkomne vertreibt das Un-Vollkomne.
Wenn das Vollkommne kömt / fällt’s Unvollkommne hin:
Das Menschliche vergeht / wenn ich vergöttet bin.

357. Wenn sich GOtt ins Hertz ergeust.
Mensch wenn dein Hertz ein Thal / muß GOtt sich drein ergiessen
Und zwar so mildiglich daß es muß überfliessen.

358. GOtt wird was Er wil.
GOtt ist ein Ewger Geist / der alls wird was Er wil /
Und bleibt doch wie Er ist Unformlich und ohn Ziehl.

359. Gleichnüß der H. Dreyfaltigkeit mit der Sonne.
GOTT Vatter ist der Leib / und GOtt der Sohn das Licht /
Die Strahln der heilge Geist / der beiden ist verpflicht.

360. Wenn man jhm den Tod deß HErren zueignet.
Freund / wenn ich selber mir absterbe hier und nu /
Dann eign’ ich mir den Tod deß Herren erst recht zu.

361. Die Gnade Gottes fleust allzeit auß.
Die Gnade fleust von Gott wie Wärmde von dem Feur.
Nahstu dich nur zu Jhm / sie komt dir bald zu Steur.

362. Die höchste Seeligkeit.
Die höchste Seeligkeit die mir GOtt selbst kan geben /
Jst daß er mich wie sich wird machen und erheben.

363. Deß Weisen verrichtung.
Ein Narr ist viel bemüht: deß Weisen gantzes thun /
Das zehnmal Edeler / ist Lieben / schauen / ruhn.

364. Wer in dem Wirken ruht.
Der Weise welcher sich hat übersich gebracht /
Der ruhet wenn er laufft und wirkt wenn er betrachte

365. Der Larven Mensch.
Ein Mensch der wie das Vieh in alle Lust außbricht /
Jst nur ein Larven Mensch: er scheint und ists doch nicht.

366. Das Lauttenspiel GOttes.
Ein Hertze das zu Grund GOtt still ist wie er wil /
Wird gern von Jhm berührt: es ist sein Lautenspil.

367. Wer auf alle Fälle geschikt ist.
Wer Gott so leicht entbehrn / als leicht empfangen kan /
Der ist auff allen Fall ein rechter Helden Mann.

368. Bey welchem GOtt gerne ist.
Mensch wenn du Gottes Geist bist wie dir deine Hand /
Macht die Dreyfaltigkeit sich gern mit dir bekandt.

369. Die Seele ausser jhrem Ursprung.
Ein fünklein aussrem Feur / ein tropffen aussrem Meer:
Was bistu doch O Mensch ohn deinen wiederkehr?

370. Jn GOtt ist alles.
Was deine Seel begehrt / bekommt sie alls in GOtt:
Nimbt sie es ausser Jhm / so wird es jhr zum Tod.

371. Wen Gott nicht loß kan bitten.
Mensch stirbstu ohne GOtt: es kan nicht anders seyn /
Bäth’ auch GOtt selbst für dich / du must in Pful hinein.

372. Die Braut sol wie der Bräutgamb seyn.
Jch muß verwundet seyn. Warumb? weil voller Wunden
Mein ewger Bräutigam der Heyland wird gefunden:
Was Nutzen bringt es dir? Es stehet gar nicht feyn:
Wenn Braut und Bräutigam einander ungleich seyn.

373. Das allerseeligste Hertze.
Ein reines Hertz schaut Gott / ein heilges schmäket Jhn:
Jn ein Verliebetes wil er zu Wohnen ziehn.
Wie seelig ist der Mensch der sich befleist und übt /
Daß jhm sein Hertze wird rein Heilig und verliebt!

374. Man überkömt mit meiden.
Freund meide was dir Lieb / fleuch was dein Sinn begehrt.
Du wirst sonst nimmermehr gesättigt und gewehrt.
Viel wären zum Genuß der ewgen Wollust kommen /
Wenn sie mit Zeittlicher sich hier nicht übernommen.

The following is the German text of the Cherubinischer Wandersmann by Johannes Scheffler / Angelus Silesius.

Sechstes Buch
Geistreicher Sinn- unnd Schlußreimen.

1. Wie Gott in der Heiligen Seele.
Fragstu wie Gott das Wort in einer Seele wohne?
So wisse wie das Licht der Sonnen in der Welt /
Und wie ein Bräutgam sich in seiner Kammer hält:
Und wie ein König sitzt in seinem Reich und Throne:
Ein Lehrer in der Schul / ein Vatter bey dem Sohne:
Und wie ein theurer Schatz in einem Akkerfeld:
Und wie ein lieber Gast in einem schönen Zelt:
Und wie ein Kleinod ist in einer guldnen Krone.
Wie eine Lilie in einem Blumenthal /
Und wie ein Seitenspiel bey einem Abendmahl:
Und wie ein Zimmet-öl in einer Lamp’ entzünden:
Und wie das Himmelbrodt in einem reinen Schrein:
Und wie ein Garten Brunn / und wie ein kahler Wein.
Sag ob er anderst wo so schöne wird gefunden?

2. An die Jungfrau Maria / die geheime Lilie.
Du Edle Lilie wer findet deines gleichen?
Solt’ er auch alles Feld im Paradeiß durchstreichen.
Du gläntzest wie der Schnee / wann jhn zu schöner Zeit
Der Himmel mit dem Gold deß Phaethons bespreit:
Für dir muß Sonn und Mond und alle Stern’ erbleichen.
Dein ansehn / deine Pracht ist schöner als das Kleid
Des Königs Salomons in seiner Herrligkeit /
Dir muß der klare Blitz der Seraphine weichen:
Dein Edeler Geruch erquikt die gantze Welt /
Und was sonst unsrem GOtt dem Herrn zu Fusse fällt.
Jn dir findt man allein die Schönheit der Jungfrauen /
Der Märterer bestand / und aller Heilgen Ziehr.
Drumb Edle Lilie komm und erquik mich hier /
Daß ich mög ewig dich und deinen Saamen schauen.

3. Die gefallne Seele.
Jch war ein Englisch Bild: nu bin ich gleich den Thieren.
Jch schwebt’ im Paradeiß in Lauter Frölichkeit:
Nu sitz’ ich auf der Erd’ in lauter Angst und Leid.
Es konte mich kein Grimm der untren Welt berühren:
Nu schmeltz’ ich fast für Hitz’ / und muß für Frost erfrieren /
Und fühle tausend Weh. Jch war ein Herr der Zeit:
Nu meistert sie mich selbst. Jch war mir selbst mein Kleid:
Nu muß ich mich auß Noth mit frembden Federn ziehren.
GOtt sah mich freundlich an und hieß mich liebes Kind:
Nu schrökket mich sein zorn und stöst mich weg die sünd.
Jch bin mit stäter Furcht erfüllet und umbgeben:
Jch schau mein Ungelük mit eignen Augen an:
Der Teuffel und der Tod die stehn mir nach dem Leben.
Ach ach ich arme Seel! Was hab ich doch gethan!

4. Der Gerechtfertigte Sünder.
Jch war deß Teuffels Sclav / unnd gieng in seinen Banden:
Jch war mit Sünden-Wust verstellt und bluttig roth:
Jn Wollust weltzt’ ich mich wie eine Sau im Koth:
Jch stank für Eitelkeit die häuffig war verhanden:
Jch war dem Abgrund nah / und fieng schon an zustranden.
Jch lebte wie ein Vieh / und fragte nicht nach GOtt /
Jch war ein Schatten Mensch / und noch lebendig Todt.
Nu bin ich widerumb in Christo auferstanden /
Und lebendig gemacht: die Ketten sind entzwey /
Der Teuffel ist verjagt / und ich bin loß und frey.
Jch suche GOtt allein mit eifrigem Gemütte /
Und gebe mich Jhm auf. Was Er mir jmmer thut /
Jn Zeit und Ewigkeit / das sprech’ ich alles gut.
Ach daß Er mich doch nur für mehrerm fall behütte!

5. Der Außspruch über die Verdambten.
Geht ihr Verfluchten geht / jhr Teuffels Rottgesellen /
Jhr Raben die jhr mich nie habt getränkt / gespeist /
Bekleidt / besucht / getröst / noch eingen Dienst geleist:
Geht in das Ewge Feur und in den Schlund der Höllen.
Empfahet euren Lohn in jhren grimmen Wellen /
Blitz / Donner / Pestilentz und alls was böse heist.
Geht und bleibt ewiglich von meinem Reich verweist.
Jhr werdt nu Heuln und schreihn / und wie die Hunde bellen /
Jn Durst unnd Hunger stehn: Eur Wurm der stirbet nicht /
Das Feuer löscht nicht auß das euch ist zugericht.
Jhr müsset ewiglich in Peinen sein gerochen /
Wie jhr verdienet habt: Denn was jhr habt gethan /
Den Gliedern meines Leibs / nehm ich mich selber an.
Geht jhr Verfluchten geht / das Urtheil ist gesprochen.

6. Uberschrifft der Verdamnuß.
Hier ist ein’ Ewge Nacht: man weiß von keinem lachen /
Ein Jammer Ach und Weh / ach ewig seyn verlohrn!
Wird immer fort geschriehn / und wärn wir nie gebohrn!
Beyneben hört man nichts als Donnern / Hageln / Krachen.
Man sieht den Basilischk mit Kröten / Schlangen / Drachen /
Und tausend ungeheur: Man ist für Kält’ erfrohrn /
Und schmeltzt für grosser Glutt: man schilt sich Narrn und Thorn.
Und kombt doch nimmermehr auß diesem Teufels rachen.
Man stirbt / und stirbt doch nie / man ligt im ewgen Tod /
Man wüttet / tobt und zörnt / man flucht und lästert GOtt.
Man beist und Hadert sich / man lebt wie Hund’ unnd Katzen:
Man muß sich ewiglich mit allen Teuffeln kratzen.
Man frisset Hüttenrauch / Pech / Schweffel / Teuffelsmist:
Ach Sünder thu doch Buss’ / eh du darinnen bist!

7. Der verdambte Ubelthäter.
Ach weh! wo bin ich nu? bey lauter höllschen Mohren /
Bey teufflischem Gesind: in Leviathans Schlund:
Jn einem feurgen Pful / der ohne Maß und grund!
Ach weh! verfluchter Tag in dem ich bin gebohren!
Jch war zur Seeligkeit ersehen und erkohren;
Der Himmel stund mir frey; ich wuste kurtz und rund
Was GOttes wille war: und hilt doch nicht den Bund!
Nu muß ich ewig sein verstossen und verlohren!
O du verfluchter Leib zu was hastu mich bracht!
O du verfluchte Seel was hastu mir gemacht!
Ach tausend Ach und Weh! Was hilfft mich nu mein Prangen /
Mein Geitz und böse Lust! Ach hätt ich guts gethan!
Nu ist die Reu zu spät / Gott nimbt sie nicht mehr an:
Jch bleib in Ewigkeit mit höllscher Qual umbfangen.

8. Der Spruch über die Seeligen.
Kombt jhr gesegneten / embfahet eure Kronen
Die jhr erworben habt durch meinen Lauf und Tod:
Kombt und besitzt das Reich der Herrligkeit mit GOtt:
Jch wil euch ewiglich für eure Gutthat lohnen.
Jhr habet mich getröst / und bey euch lassen wohnen /
Jhr habet mich gespeist / getränkt / besucht in Noth.
Bekleidet und bedekt nach meinem Liebsgeboth /
Nu solt jhr auch mit mir besitzen eure Thronen /
Und ewig triumphirn. Jhr sollet euch nu freun
Für eure Trew und Müh / und jmmer bey mir sein.
Denn was jhr habt gethan dem kleinsten auf der Erden /
Dasselb’ ist mir geschehn / und sol in Ewigkeit /
Mit allem was jhr nur euch wüntscht / vergolten werden.
Kombt und geniest mich selbst und alle Seeligkeit.

9. Uberschrifft der Seeligkeit.
Hier ist es jmmer Tag / hier scheint die Ewge Sonne /
Hier weiß man nicht von Weh / von Kummer Angst und Leid.
Man lebt in gantzer Lust und gantzer Seeligkeit.
Man sicht unnd höret nichts als lauter Freud unnd Wonne.
Man trinkt sich satt und Voll beym süssen JEsus-Bronne.
Man sitzt in stoltzer Ruh / man dänkt an keine Zeit /
Man leget niemals ab das Kleid der Herrlichkeit.
Hier rauschet wie ein Strom was vor nur tropffweiß ronne.
Hier schaut man GOttes glantz und süsses Angesicht /
Hier wird man überformt mit seiner GOttheit Licht.
Hier senkt man sich in Jhn / und giebt ihm tausend küsse.
Man liebt und wird geliebt / man schmekt jhn wie er ist.
Man singt sein Lob und alls worzu man ist erkiest.
Ach JEsu hilff mir doch damit auch ichs geniesse!

10. Der Abgeleibte Seelige.
O GOtt wie wol ist mir! mein Leiden ist verschwunden /
Die Schmertzen sind dahin / die Trübsal hat ein End’
Und alles Hertzeleid ist von mir abgewendt:
Jch bin nu Kärkerloß und seeliglich entbunden:
Jch habe Freudenreich gesiegt und überwunden:
Kein Feind berührt mich mehr / und was man böse nennt:
Es wird mit keinem Weh mein frölich seyn getrent.
Jch habe wahre Ruh / und wahre Lust gefunden.
Der Himmel lacht mich an / die Engel nehmen mich
Sambt allen Heiligen mit Freuden unter sich.
Jch bin so voller Trosts daß ich fast überfliesse:
Jch habe was ich wil / und wil was ich geniesse:
Jch habe nu genug: man führt mich wie ich bin
Zu meinem Bräutigam und süssen JEsu hin.

11. Der Seelige weise.
Wie Seelig ist der Mensch / der alle seine zeit
Mit anders nichts verbringt / als mit der Ewigkeit!
Der jung und alt allein betrachtet und beschaut
Der Weißheit Schloß / das GOtt sein Vater hat gebaut.
Der sich auf seinen Stab / das ewge Wort / aufstützt /
Und nicht / wie mancher Thor / im frembden sande sitzt.
Der nicht nach Hauß und Hoff / nach Gold und Silber sieht /
Noch seines Lebens zeit zu zehlen sich bemüht.
Jhn wird das blinde Glük nicht hin und her vexirn /
Noch etwann eitler Durst zu frembden Wassern führn.
Er weiß von keinem Zwang / er liebt nicht krämerey /
Er trachtet nicht darnach / daß er gesehen sey!
Er ist der Welt ein kind / die allernächste stadt
Jst ihm so viel bekand als die der Tagus hat.
Er schaut nur übersich / so frey er immer kan /
Sein rechtes Vaterland / den lieben Himmel an.
Sein alter rechnet er nicht nach der Jahre zahl /
Jn GOtt vollkommen seyn / das heist er Alt zumahl.
Die Sonne leuchtet ihm in seinen Aker ein /
Und wenns gleich abend wird / so bleibt ihm doch ihr Schein.
Er siht des Lebens Baum im Geist begierlich an /
Und geht mit allem fleiß zu ihm die nächste bahn.
Er kümmert sich umb nichts; was neben ihm geschieht /
Jst ihm so frembt und klar / als was ein blinder sieht /
Doch ist er stark und frisch / er scheuet keinen Feind /
Wenn gleich Welt / Teuffel / Fleisch / und mehr beisammen seind.
Ein ander lauffe hin / zerstrew sich mit der Welt /
Diß ist das Leben und die bahn / so mir gefällt.

12. Der geheime Hirsch und sein Bronn.
Der Hirsch der laufft und sucht ein kühles Brünnelein
Damit sein Hertz erquikt und ruhig möge seyn.
Die Seele die GOtt liebt / die eilet zu dem Bronnen /
Auß dem die süsse Bach deß Lebens kombt geronnen.
Der Bronn ist JEsus Christ / der unß mit seinem quall
Jm wahren Glauben tränkt / und stärkt für Sünden fall.
Bleibstu bey diesem quall / und trinkst offt auß dem Bronnen /
So hastu meine Seel gantz Seeliglich gewonnen.

13. Die Sündige Seele.
Ein außgebrandte Stadt / ein Schloß / das gantz zerstöhrt /
Ein Reich / das durch und durch zerrütt ist und entböhrt;
Ein Königliches Weib / die nu zur Sclavin worden /
Jst eine Seel / die sich die Sünde läst ermorden.

14. Die heilige Seele.
Ein Neus Jerusalem / ein außgebautes Schloß /
Ein Reich / das jedem Feind zu stark ist und zu groß /
Ein Mägdlein / die versetzt in der göttinnen Orden /
Jst Jungfrau deine Seel / die GOtts gemahlin worden.

15. Der Sohn führe des Vaters Nahmen.
Sag was unß endlich GOtt für einen Nahmen giebt /
Die er in seinem Sohn für Söhn’ aufnihmt und Liebt?
Fragstu und nenst ihn GOtt / so mustu ja bekennen /
Daß er unß anderst nicht alß Götter könne nennen.

16. Die geheime Auferstehung.
Durch Hoffart / Fleisches lust / und durch begiehr der Welt /
Hat Geist / Leib / Seel der Feind gestürtzet und gefällt /
Durch Demutt und Casteyn / und durch Allmosen geben /
Steht auf Geist / Leib und Seel zu einem neuen leben.

17. Eine Begierde löscht die andere auß.
Je mehr ein Mensch sich freut auf zeitlich Ehr und Gutt /
Je weniger hat er zu ewgen dingen mutt.
Jemehr hingegen er wartt auf die ewge dinge /
Jemehr und mehr wird ihm das Zeitliche geringe.

18. Die Ewigkeit wird für nichts geschätzt.
O Thorheit / umb die zeit wagt man sich biß inn Tod!
Und auf die Ewigkeit setzt man nur einen Spott!

19. Der gröste Narr.
Du schlägst umbs Zeitliche das Ewig’ in den wind:
Richt’ / ob die Welt auch wol einn grössern Narren findt?

20. Das zeitliche ist Rauch.
Alls zeitlich’ ist ein Rauch. Lästu es in dein Hauß /
So beist es dir fürwahr des Geistes Augen auß.

21. Das ewige sol man suchen.
Die Ehre dieser Welt vergeht in kurtzer zeit:
Ach suche doch die Ehr der ewgen Seeligkeit!

22. Einen Dunst umbfassen ist thöricht.
Wie thöricht thut der Mann / der einen Dunst umbfasst!
Wie thöricht / der du Freud an eitler Ehre hast!

23. Sich nicht erkennen macht eitles rennen.
Wie daß der Mensch so toll nach eitlen Ehren rennt?
Es kommet / weil er nicht sein’ Ehr in GOtt erkennt.

24. Was man in sich hat / sucht man nicht draussen.
Wer in sich Ehre hat / der sucht sie nicht von aussen.
Suchstu sie in der Welt / so hastu sie noch draussen.

25. Der Weise sucht keinen äusern Ehren Stand.
Der Weise strebet nicht nach äusrem Ehren stand:
Es ist ihm Ehr genug / daß er GOtt nah verwandt.

26. Der Weise ist voller Ehrn.
Der Weiß’ ist voller Ehrn. Wie da? er ist erkist /
Daß er der wahren Ehr (GOtts) ewger Tempel ist.

27. Der Sünder hat keine Ehre.
Der Sünder ist des Thiers und aller Teuffel stall:
Drumb fählts ihm doch ann Ehren / hätt’ er sie überall.

28. Ein reicher Sünder ein vergoldter Koth.
Mensch kein vergoldter Koth ist reich geehrt und schön:
Die Sünder auch / die gleich in lautrem Golde stehn.

29. Der Sünder wird zu Koth.
Der Heilge steiget auf / und wird ein GOtt in GOtt:
Der Sünder fällt herab und wird zu Mist und Koth.

30. Wer hochgeehrt wil seyn / muß GOtt werden.
Nichts ist geehrt wie GOtt im Himmel und auf Erden:
Streb / daß du wirst was er / wo du geehrt wilt werden.

31. Der Mensch muß das seinige thun.
Mein richte dich doch auf. Wie sol dich GOtt erheben /
Weil du mit gantzer macht bleibst an der Erde kleben.

32. Ein Wurm beschämet unß.
O spott! ein seiden Wurm der wirkt / biß er kan fliegen:
Und du bleibst / wie du bist / nur auf der Erde liegen!

33. Man muß sich verwandeln.
Mensch alls verwandelt sich. Wie kanst denn du allein
Ohn’ einge besserung das alte Fleisch Klotz seyn?

34. Wer das ewige Licht sieht.
Das Licht der ewigkeit / das leucht auch in der Nacht.
Wer sihts? der jenge Geist / ders heiliglich betrachte

35. Die zuekehr machet schaun.
Wiltu die Sonn und Mond am hellen Himmel sehn /
So mustu ihnn fürwahr ja nicht den Rüken drehn.

36. Das offne Auge sieht.
Ein offnes Auge sieht / thustu deins zue O Kind /
So bistu GOtt zu schawn muttwillig Maulwurffs blind.

37. Nichts leuchtet ohne die Sonne.
Rauh ist der Mond gestalt ohn seiner Sonne licht:
Rauh ohne deine Sonn dein seelen Angesicht.

38. So viel zukehr / so viel erleuchtung.
So viel der Monde sich zu seiner Sonne kehrt /
Zu deiner du; so viel werdt ihr eurs Lichts gewehrt.

39. Der geistliche Mond mit seiner Sonne.
Jch wil der Monde seyn / sey JESU du die Sonne /
So wird mein angesicht voll ewger Freud und Wonne.

40. Die Sonne muß erleuchten.
Die Sonne muß ihr Licht alln / die es woln gewehrn:
Der Teuffel würd’ erleucht / wolt’ er zu GOtt sich kehrn.

41. Wer die Sonne nicht merckt / der ist nicht.
Die Sonn erwärmet alls / ja auch den kältsten stein:
Fühlstu die wirkung nicht / so mustu nicht mehr seyn.

42. Wer nicht bewegt wird / gehört nicht zum gantzen.
Die Sonn erreget alls / macht alle sterne Tantzen /
Wirstu nicht auch bewegt / so g’hörstu nicht zum gantzen.

43. Wer vergeht / der ist nicht.
Der Sünder ist nicht mehr. Wie? seh ich ihn doch stehn!
Hättstu das rechte Licht / du sähest ihn vergehn.

44. Was verdirbt / wird zu nichts.
Was fort und fort verdirbt / das kan nicht stehn noch seyn /
Es eilt zum untergang und wird dem nichts gemein.

45. Eigensinnigkeit reist von GOtt ab.
Was nicht am Leibe bleibt / wird nicht vom Haubt geküst:
Merks eigensinniger / daß du nicht Christi bist.

46. Das abgesunderte hat nichts mit dem gantzen gemein.
Ein abgefallnes Laub / ein saures tröpfflein Wein /
Was hat es mit dem Baum / was mit dem Most gemein?

47. Es ist noch zeit zum Heil.
Kehr umb verirrtes Schaf / zeuch safft verdorrter Ast!
Du kanst wol kommn und ziehn / weil du den trieb noch hast.

48. Das beyspiel reitzet an.
Dein feld Herr geht vor an / er streit für dich mein Christ:
Jsts möglich daß du noch ein fauler Esel bist?

49. Das verächtlichste Aß.
Wer sich den Teuffel läst erschlagen und ermorden /
Der ist ein todter Hund des schnödsten schinders worden.

50. Der schändliche Gefangene.
Pfuy dich / daß dich ein Weib die nichtigkeit der Welt
Mit ihrem spinneweb so lang gefangen hält!

51. Die schnödste Dirne.
Mensch lästu dich dein Fleisch beherschn und nehmen ein /
So muß wol deine Seel die schnödste Dirne seyn.

52. Der schändliche Fall.
Halt auß Welt / Teuffel / Fleisch / du bist ja Christ ein Held:
Wie schändlich ists / wenn man für diesen Buben fällt.

53. Die siegreiche Waffen.
Der Teuffel durchs Gebeth / das Fleisch kan durch Casteyn /
Die Welt / wenn man sie läst / gar leicht bezwungen seyn.

54. Der sieg folgt erst hernach.
Christ niemand hat den sieg und dessen Trost embfunden /
Der nicht zuvor im streit den Feind hat überwunden.

55. Kein Kron ohn Kampff.
Ein Kampffplatz ist die Welt. Das Kräntzlein und die Kron
Trägt keiner / der nicht Kämpfft / mit Ruhm und Ehrn darvon.

56. Der erste Kriegt den Preiß.
Lauff nach dem Ehren preiß / du must der erste seyn /
Du trägest nichts davon / kriegstu ihn nicht allein.

57. Eins ist die Ehre.
Der Feld-Herr triumphirt / er hat die ehr allein:
Erhältst auch du die schlacht / so wird sie deine seyn.

58. Kurtzer streit / ewiger Triumph.
Wie kurtz ist doch der Streit! wie glüklich ist der Held /
Der ewig triumphirt den Teuffel / Fleisch / und Welt!

59. Man muß nach Ehren streben.
Die Ehr ist doch nicht nichts. Die nie nach Ehren streben /
Die kommen nie zur ruh / auch nicht im andren Leben.

60. Wo Ehr und Schande ist.
Der Himmel ist voll ruhm / voll Ehr und Herrligkeit;
Die Hölle voller spott / schmach und mühseeligkeit.

61. Nicht streiten wollen ist spöttlich.
Ein spott wird der Soldat des Feinds / für dem er zagt /
Ein spott des ewgen Feinds der Christ / der ihn nicht jagt.

62. Das beste ist zuerwählen.
Auf auf Soldat zum streit! dir wird ja lieber seyn
Die Ruhe nach dem sieg / als nach der ruh die Pein?

63. Deß Sünders Seele ist die Närrischte.
Du läst die ewge Lust und kiesest ewge Pein /
Kan auch was närrischers als deine Seele seyn?

64. Der gröste Narr.
Christ wenn du einen sihst so stark zur Höllen rennen /
Den magstu ohn bedacht den grösten Narren nennen.

65. Die zwey wunderliche Thoren.
Ach jammer / jener rennt / daß er in Abgrund kömt;
Und dieser regt sich kaum / daß er GOtts burg einnihmt!

66. Das zeitliche macht ungeschikt.
Ach mein / wie magstu doch die Welt so in dich sauffen?
Du wirst ja ungeschikt den Ehrn Krantz zuerlauffen!

67. Das weltliche Gutt beschwehrt.
Wirff das gebündle weg. Wer streiten sol und kriegen /
Dem muß kein sak voll Geld auf seinen Achseln liegen.

68. Der selbst Tadel.
Du lachst den Krieger auß / der sich mit raub beschwehrt:
Fürwahr mein Euclio du bist des lachens wehrt.

69. Kein ungeschikter Mensch kombt inn Himmel.
Geh Fast’ und zehr dich auß / die Himmels-Thür ist klein /
Wirstu nicht wol geschikt / du kömmest nicht hinein.

70. Stille stehn ist zurüke gehn.
Je Bruder geh doch fort / was bleibstu stille stehn?
Stehn auf dem wege GOtts heist man zurüke gehn.

71. Das gutte und üble zurüke gehn.
Wie wol geht der zurük / der von dem Feind weg fährt;
Wie übel / welcher Gott den rüken endlich kehrt!

72. Die Faulheit überkomt nicht den Himmel.
Ach Fauler reg dich doch! wie bleibstu immer liegen?
Fürwahr der Himmel wird dir nicht ins Maul einfliegen.

73. Man hat nichts umbsonst.
Mensch umb die Hölle muß der Sünder so viel leyden:
Wie sol dann GOtt umb nichts dir geben seine Freuden?

74. Gewalt nihmt den Himmel ein.
Gewalt geht über Recht. Wer nur gewalt kan üben /
Von dem wird auch die Thür des Himmels aufgetrieben.

75. Allein die überwindung beruhigt.
Freund streiten ist nicht gnug / du must auch überwinden /
Wo du wilt ewge Ruh und ewgen Frieden finden.

76. Die Welt erwählt das ärgste.
Gott reicht die kron der Ehrn / der Teuffel spott und Hohn.
Und dennoch greifft die Welt nicht nach der ehren Kron!

77. Der Sünder wil seinen Tod.
Ach Sünder ists dann wahr? du wilst dich eh verliehren /
Als ewiglich mit GOtt ein GOtt seyn und regieren?

78. Was verlohren seyn ist.
Was ist verlohren seyn? frag das verlohrne Lamm /
Frag die verlohrne Braut vom ewgen Bräutigam.

79. Die ewige verlohrenheit.
Das Schaf ist gäntzlich hin / das nie wird wieder funden;
Die Seel die GOtt nicht find / bleibt ewiglich verschwunden.

80. GOtt sucht nicht was ewig verlohrn.
Findt GOtt nicht was er sucht? er sucht in ewigkeit /
Nicht / was sich hat von ihm verlohren in der zeit.

81. GOtt find die Verdammten nicht.
GOtt kan schon ewiglich nicht die Verdammten finden;
Weil sie stäts durch ihrn willn für ihm inn Pful verschwinden.

82. Der Wille macht Verloren seyn.
Der Will macht dich verlohrn / der Will macht dich gefunden /
Der Will der macht dich frey / gefässelt und gebunden.

83. An den Geld suchenden.
O Narr was renstu so nach reichthum in der Welt /
Und weist doch / daß man wird dardurch inn Pful gefält?

84. Das gröste Reichthum und gewien.
Das gröste Reichthum ist nach keinem Reichthum streben /
Der grösseste Gewin / sich dessen gantz begeben.

85. Man thut nicht was man Lobt.
Man lobt den gutten Mann der ihm genügen läst;
Und frisset doch umb sich gleich wie der Krebs und Pest.

86. Wer alles verlanget / hat noch nichts.
Wer nichts verlangt hat alls. Wer alles thut verlangen /
Der hat in wahrheit noch nicht einen stiel empfangen.

87. Wer der Sonne und GOtte gleicht.
Wer alln sein gutt mittheilt / alln nutzt und alle Liebt /
Jst wie der Sonnen Licht / und GOtt der alln sich giebt.

88. Allmosen geben macht reich.
Der Arme / giebstu ihm / macht dich dem Reichen gleich:
Wie da? er trägt dir alls voran ins Himmelreich.

89. An den Kargen.
Pfuy dich du karger Filtz / GOtt hat dir alls gegeben;
Noch wenn Er zu dir komt / giebstu ihm kaum zuleben.

90. Der Reiche siehet GOtt nicht gern.
Der Arme Christ ist GOtt: doch sieht des reichen Hauß
Gemeiniglich nicht gern den GOtt gehn ein und auß.

91. Anderst geglaubt / anderst gethan.
Man glaubt es seelger seyn zu geben als zu nehmen;
Und doch wil man gar schlecht zum geben sich bequämen.

92. Thue was du dir gethan wilt.
Mensch weil du gerne siehst daß man dir Gaben giebt:
So mache doch auch dich im geben wol geübt.

93. Weise und Narrische sammlung.
Der Geitz-Halß ist ein Narr / er sammlet was vergeht:
Der Mild’ ein weiser Mann / er suchet was besteht.

94. Mildigkeit ist frey / Geitz gebunden.
Ein Milder breitt sich auß / ein Geitz-Halß krippt sich ein:
Der fäht schon an bestrikt / und jener frey zu seyn.

95. Wo der Schatz / da das Hertze.
Der Weise hat sein Hertz bey GOtt und in dem Himmel:
Der Geitzige beym Geld und in dem Weltgetümmel.

96. Der Weltsuchende zieht am Narren seil
Wo du auch kluge siehst sich umb die Welt bemühn /
So sage daß auch sie am Narren seile ziehn.

97. Das ewge hat schlächten verdrang.
Man sieht fast alle Welt mit Juden spissen lauffen;
Und doch umbs Himmelreich so wenig Leute kauffen!

98. Giefft wird für Zuker gelegt.
GOtt streuet zuker auff / der Teuffel gifft und galle:
Den Zuker läst man stehn und lekt die Gifft zum falle!

99. Des Weisen und Geitzigen gelt kammer.
Der Weiß ist klüglich reich; er hat das Gelt im kasten /
Der Geitzhalß im gemüth / drumb lästs ihn niemahls rasten.

100. Der Weise kombt den Dieben vor.
Der Weise wartet nicht / biß ihm was wird genommen:
Er nihmt ihm alles selbst / den Dieben vorzukommen.

101. Begierde benommen alles benommen.
Mensch nihm dir nur die Lieb und die begiehr der dinge /
So seind die dinge selbst benommen und geringe.

102. Das Auge und Hertze leiden nichts.
Das Hertz ist wie das Aug’ / ein eintzigs gränelein /
Wo du’s im Hertzen hast / verursacht dir schon Pein.

103. Beschwehrt komt niemand fort.
Der Schiffer wirfft im sturm die schwersten Wahren auß:
Meinstu mit Gold beschwehrt zu kommn ins Himmels Hauß?

104. Alles Weltliche muß weg.
Mensch würffestu nicht weg dein liebstes auf der Erden /
So kan dir nimmermehr des Himmels hafen werden.

105. Alles umb alles.
Die Seeligkeit ist alls. Wer alles wil erheben /
Der muß auch zuvoran hier alls umb alles geben.

106. Nichts gewinnt nichts.
Umb nichts gewind man nichts. Wo du nichts auf wilt setzen:
So wirstu dich fürwahr auch ewig nichts ergötzen.

107. Der thörichte verlust.
Mit hundert wil GOtt eins bezahln im ewgen Leben:
Wie thöricht seind wir doch / daß wir nicht alls hin geben!

108. Mit der Begierde hat man.
Freund schmeichle dir nicht viel: hastu noch die Begiehr /
So hastu noch die Welt und alle ding’ in dir.

109. Der sein selbst Sclave.
Du wilt nicht Sclave seyn; und doch ists wahr mein Christ /
Daß deiner selbst begiehr du vielmahl Sclave bist.

110. Die schnödeste Sclaverey.
Die schnödste Sclaverey ist gerne Sclave seyn.
Wie bildstu Sünden- Sclav dir denn was ehrlichs ein?

111. Die geistliche Hunds Hütte.
Nichts schändlichs / nichts gerings steigt in ein groß gemütte:
Hat deins an Sünden lust / so ists ein Hundes Hütte.

112. Die schmälichste Dienstbarkeit.
Das schmählichst’ ist die Sünd. Dänk Sünder was für schmach /
Der du als wie ein Hund ihr dienst / dir folget nach!

113. Der willige Betrogene.
Die Sünd ist voll Betrugs. Läst du dich sie regiern /
So lästu dich mit willn inn schlund der Höllen führn.

114. Der Stok-Knecht liebt den Stok.
Kein edler Geist ist gern gefangen und umbschränkt.
Du must ein Stok-Knecht seyn / wo dich dein Leib nicht kränkt.

115. Nachlässigkeit komt nicht zu GOtt.
Du sprichst / du wirst noch wohl GOTT sehen und sein Licht:
O Narr du siehst ihn nie / siehstu ihn heute nicht.

116. Nicht verlangen nicht embfangen.
Wer GOttes angesicht hier nicht sieht mit begier /
Der komt in ewigkeit darnach nicht bey ihm für.

117. Ohne Liebes pein ohne Liebe.
Verzug ursacht verdruß: fühlstu umb GOtt nicht Pein /
So glaub ich nicht dein Hertz in ihn entzünd zu seyn.

118. Die Liebe zeucht zum geliebten.
Die Lieb ist das gewicht: ists wahr daß wir GOtt Lieben /
So werden wir von ihr stets hin zu GOtt getrieben.

119. Das Göttliche und Ungöttliche gemütte.
Ein Göttliches gemütt steht stätts nach GOtt gericht:
Nichts Göttlichs ist an dir verlangt dich nach ihm nicht.

120. Nicht begehren ist nicht Lieben.
Du hast gern deinen Hund / der dir beliebt / bey dir:
Wie Liebestu denn GOtt mit lauter unbegier?

121. Nicht sterben wollen nicht Leben wollen.
Mensch stirbestu nicht gern / so wiltu nicht dein Leben:
Das Leben wird dir nicht als durch den Tod gegeben.

122. Die doppelte Thorheit.
Du renst in Tods gefahr schnöd’ Ehre zuerwerben;
Umb ewge Herrligkeit hörstu nicht gern vom Sterben.

123. Der Narr erkiest das ärgste.
Ein Narr ist / der den Stok fürs Kaisers Burg erkiest;
Der lieber in der Welt als in dem Himmel ist.

124. Erküsung benennung.
Ein Knecht ist gern im Stall / ein schwein hirt gern umb Schweine:
Wärstu ein edler Herr du wärest gern wo’s reine.

125. Was man ist das Liebt man.
Jeds Liebet was es ist / der Käfer seinen mist /
Den unflat liebestu weil du ein unflat bist.

126. Gesellschafft zeigt den Mann.
Die losung der gespan. Wers gern mit Narren hält /
Der ist kein kluger Mann: nicht groß / wer mit der Welt.

127. Der Liebe Todt und Pein.
GOtt ist mein einge Lieb: ihm nicht gemeine seyn
Jst meiner Seelen Todt / meins Hertzens einge Pein.

128. Wer zu GOTT wil / muß GOTT werden.
Werd GOtt wiltu zu GOtt: GOtt macht sich nicht gemein /
Wer nicht mit ihm wil GOtt und das was er ist seyn.

129. Wer wil wird GOtt gebohrn.
Von GOtt wird GOtt gebohrn: sol er dich den gebehrn /
So mustu ihm zuvor den Willn darzu gewehrn.

130. Nichts werden ist GOTT werden.
Nichts wird was zuvor ist: wirstu nicht vor zu nicht /
So wirstu nimmermehr gebohrn vom ewgen Licht.

131. Höchste Geburth / höchste Freude.
Die höchste Freud und Lust die GOtt mir kan gewehrn /
Jst daß er Ewig wird mich seinen Sohn gebehrn.

132. GOttes einige Seeligkeit.
Gebehrn ist Seelig seyn. GOtts einge Seeligkeit
Jst daß er seinen Sohn gebiehrt von Ewigkeit.

133. Wie man so Seelig als Gott wird.
GOtt ist das Seeligste. Wiltu so Seelig seyn /
So dring in die Geburth deß Sohnes GOttes ein.

134. Von Gott gebohren werden ist gäntzlich GOtt seyn.
GOtt zeuget nichts als GOTT: zeugt er dich seinen Sohn /
So wirstu GOtt in GOtt / Herr auf deß Herren Thron.

135. GOtt mit GOtt werden ist alles mit ihm seyn.
Wer GOtt mit GOtt gewird / ist mit ihm eine Freud /
Ein Ewge Majestät / ein Reich und Herrligkeit.

136. Ewge Ehre und Schande.
O Ehr O Seeligkeit / das Ewig seyn was GOtt!
Das was der Teuffel ist / O ewge Schand und Spott.

137. Der Narrische Unheilige.
Du wilt kein Heilger seyn / gleichwohl inn Himmel kommen.
O Narr / es werden nur die Heilgen eingenommen.

138. Der gröbste Baur.
Du schmückst dich wenn du solt nachs KayserHofe gehn /
Und dänckst O gröbster Baur / ohn Schmuck für GOtt zustehn!

139. Kein Höffling kein Himmling.
Mensch wirstu nicht gehöft unnd klebst am Kloß der Erden /
Wie sol der Himmel dir / der keinem Pflock wird / werden.

140. Wer nicht hasst hat nicht verlassen.
Du stäkst im falschen Wahn; kanstu die Welt nicht hassen /
Fürwahr du hast nicht sie / sie hat nur dich verlassen.

141. An den gezwungenen Creutzleidenden.
Mensch wer dem Creutz nicht kan entwerden und entgehn /
Der muß auch wiedern Willn daran gehaftet stehn.

142. An den Welt verlassenen.
Manch ding thut man auß Noth. Auch du verläst die Welt /
Weil dirs dein Hertze sagt / daß sie nichts von dir hält.

143. An den Hoffärtigen.
Es heist sich einen Wurm auß Demutt GOttes Sohn /
Du Wurm mist dir wohl zu auß Hoffart seinen Thron.

144. Die selbst Schätzung ist verwerflich.
Der Himmel schätzt sich nicht / ob er gleich alls ernährt:
Schätzst du dich selber hoch / so bistu wohl nichts wehrt.

145. Die seltzame Tugend.
GOtt spricht / wer sich versenckt der wird erhaben werden:
Und doch ist dieses thun das seltzamst’ auf der Erden!

146. Das Werck bewehrt den Meister.
Freund weil du sitzst und dänckst / bistu ein Mann voll Tugend:
Wenn du sie wircken solst / siehst du erst deine Jugend.

147. Traurigkeit bringt Freude.
Wer Heilge Traurigkeit hier hat zum Vesper Brodt /
Dem wart das Abendmahl / die ewge Freud in GOtt.

148. Wer hier satt wird / kan dort nicht essen.
Wie daß der Fraß nicht kommt zum ewgen Abendessen /
Er mag nicht weil er hier sich hat zu satt gefressen.

149. Den Trunckenpold kan GOtt nicht träncken.
GOtt wil den sättigen den hungert und den dürst /
Dir kan ers nimmer thun der du nie nüchtern wirst.

150. Nichts umbsonst.
Niemand hat was umbsonst / wie bildstu dir denn ein /
Daß auch das Himmelreich umbsonst wird deine seyn.

151. GOttes Kaufmanschafft.
GOtt treibet Kauffmanschafft / er bitht den Himmel feil.
Wie theuer giebt er ihn? umb einen Liebes-Pfeil.

152. GOtt ist unser Ziehl.
Was macht nicht GOtt auß sich! Er ist meins Hertzens Ziel /
Jch schüsse stets nach ihm / ich treff’ ihn wenn ich wil.

153. Das überunmöglichste ist möglich.
Du kanst mit deinem Pfeil die Sonne nicht erreichen /
Jch kan mit meinem wol die ewge Sonn bestreichen.

154. GOtt thut selbst alles.
GOtt legt den Pfeil selbst auf / GOtt spannet selbst den Bogen.
GOtt drücket selber ab: drumb ists so wol gezogen.

155. Je näher beym Ziel / je gewisser.
Je näher bey dem Ziehl / je näher beym Gewien;
Meinstu das Hertze GOtts / so thrit nur nahe hin.

156. Des Sünders Gebeth ist umbsonst.
Der Sünder ziehlt nach Gott / und wendt sich von ihm weg /
Wie sols denn möglich seyn / daß er berühr den Zweg?

157. Wie man sich zu GOtt kehrt.
Mit Heiliger Begihr / und nicht mit blossem bethen;
Mit Heilgem Lebenslauff komt man zu GOtt gethreten.

158. Der Geistliche Schütze-Zeug.
Das Hertz ist unser Rohr / die Liebe Kraut und Loth /
Der Zunder gutter Will: Zieh loß so triffstu GOtt.

159. Das Hertze muß scharff geladen seyn.
Ey lad doch recht und scharff / was paffstu in die Lufft?
Was blind geladen ist das heisset nur gepufft.

160. Es muß auß dem Hertzen gehn.
Das Mundloch giebt nicht Feur / im Fall du je wilt schüssen /
Mustu die Kammer ja zuvor geladen wissen.

161. Das Hertze muß geräumt und rein seyn.
Christ ist das Rohr nicht rein / die Kammer nicht geraumt /
Und du drückst gleichwol loß / so halt’ ich daß dir traumt.

162. Ein vergifftes Hertze treibt nicht in die Höhe.
Halt / du verletzest dich / das Gifft muß auß dem Rohr /
Sonst springts fürwahr entzwey und treibet nicht embpor.

163. Haß macht sich verhast.
Mensch wer mit Haß und Neid für Gott den Herrn wil threten /
Der wird ihm anders nichts als Haß und Neid erbethen.

164. Erlaß wie wir erlassen.
Was du dem nächsten wilt / das bithst du dir von Gott.
Wiltu nicht seyn gedeyn / so bithst du dir den Tod.

165. Gieb wie du begehrst.
Mensch du begehrst von GOtt das gantze Himmelreich:
Bitht man von dir ein Brodt / so wirstu Blaß und Bleich.

166. Wer das Himmelreich hat kan nicht Arm werden.
Das Reich Gotts ist in unß. Hastu schon hier auf Erden
Ein gantzes Reich in dir / was fürchstu arm zuwerden?

167. Wer wahrhafftig Reich.
Viel haben macht nicht Reich. Der ist ein reicher Mann /
Der alles was er hat ohn Leid verliehren kan.

168. Der Weise hat nichts im Kasten.
Ein weiser Mann hat nichts im Kasten oder Schreyn:
Was er verliehren kan / schätzt er nicht seine seyn.

169. Man muß seyn / was man nicht verlihren wil.
Der Weis’ ist was er hat. Wiltu das Feinperlein
Des Himmels nicht verliehrn / so mustu’s selber seyn.

170. Zweyerley seiner selbst verliehrung.
Jch kan mich selbst verliehen. Ja? böß ists wenn in tod /
Glückseelig Preiß ich dich / verliehrstu dich in GOtt.

171. Jm Meer werden alle tropffen Meer.
Das Tröpfflein wird das Meer / wenn es ins Meer gekommen:
Die Seele GOtt / wenn sie in GOtt ist aufgenommen.

172. Jm Meer kan man kein tröpfflein unterscheiden.
Wenn du das Tröpfflein wirst im grossen Meere nennen:
Denn wirstu meine Seel im grossen GOtt erkennen.

173. Jm Meer ist auch ein tröpfflein Meer.
Jm Meer ist alles Meer auchs kleinste Tröpffelein:
Sag welche Heilge Seel in GOtt nicht Gott wird sein.

174. Jm Meer seind viel eins.
Viel Körnlein seind ein Brodt / ein Meer viel tröpffelein;
So seind auch unser viel in GOtt ein einges ein.

175. Die Vereinigung mit Gott ist leicht.
Mensch du kanst dich mit Gott viel leichter eines sehn /
Als man ein aug’ auffthut / wil nur / so ists geschehn.

176. Gott verlangen macht Ruh und Pein.
Die Seele die nichts sucht als eins mit GOtt zuseyn:
Die lebt in steter Ruh / und hat doch stäte Pein.

177. Des Narren und Weisen Gemeinschafft.
Ein Narr ist gern zerstreut / ein Weiser gern allein:
Er machet sich mit alln / der nur mit GOtt gemein.

178. Mehr seind Todt als Lebendig.
Alls lebt und reget sich; doch zweiffl’ ich ob die Welt
Mehr der (GOtt) lebenden als Todten in sich hält.

179. Der Geitzigen und Weisen wirkung.
Der Geitzhalß muß darvon / läst anderen sein Geld;
Der Weise schickts für sich voran in jene Welt.

180. Eben von derselben.
Der Weise streuet auß für seine Freund in GOtt;
Der Geitzhalß sammlet ein fürn Teuffel und fürn Tod.

181. Der Narren und Weisen schätzung.
Der Narr hält sich vor Reich bey einem Sak voll Geld /
Der Weise schätzt sich arm auch bey der gantzen Welt.

182. Der Unglaube hägt den Geitz.
Wer giebt dem giebet GOtt mehr als der giebt und wil:
Was geitzt die Welt denn so? sie glaubet GOtt nit viel.

183. Der Weise sucht nichts.
Der weise suchet nichts / er hat den stillsten Orden:
Warumb? er ist in GOtt schon alles selber worden.

184. Alles verdirbt und was wir nit seind.
Christ werde was du suchst: wo du’s nicht selber bist /
So komstu nie zur Ruh / unds wird dir alls zu Mist.

185. Das Reichthum muß inner uns seyn.
Jn dir muß’s Reichthum seyn / was du nicht in dir hast /
Wärs auch die gantze Welt / ist dir nur eine Last.

186. GOtt ist das Reichthum.
GOtt ist das Reichthum gar / gnügt er dir in der Zeit /
So stehest du schon hier im Stand der Seeligkeit.

187. Der thumme Geitzhalß.
Hastu an GOtt nicht gnug / und suchst nicht ihn allein /
So mustu wol ein Thor und thummer Geitzhalß seyn.

188. Der thörichte suchende.
Suchstu was und vermeinst daß GOtt nicht alles sey /
So gehstu GOtt und alls in Ewigkeit fürbey.

189. Alles begehren ist nichts haben.
Mensch glaube diß gewiß / hastu nach allm Begihr /
So bistu bettel arm und hast noch nichts in dir.

190. Ausser GOtt ist alles nichts.
Mensch wem GOtt alles ist / dem ist sonst alles nichts:
Hastu nicht alls an GOtt / fürwahr im nichts gebrichts.

191. Welt verlassen wenig verlassen.
Die gantze Welt ist nichts: Du hast nicht viel veracht /
Wenn du gleich hast die Welt auß deinem Sinn gebracht.

192. Sich verlassen ist etwas verlassen.
Du selber must auß dir. Wenn du dich selbst wirst hassen /
Dann schätz ich dich / daß du erst etwas hast verlassen.

193. Man muß getödtet seyn.
Alls muß geschlachtet seyn. Schlachstu dich nicht für GOtt /
So schlachtet dich zu letzt fürn Feind der ewge Tod.

194. Wirkung der Abtödtung und Lebens der selbstheit.
Durch tödtung deiner selbst wirstu Gotts Lamb darstellen /
Mit Leben bleibestu ein todter Hund der Höllen.

195. Viel Ixiones.
Ixion ist allein beschrihn auf allen Gassen:
Und sieh viel tausend seind die eine Wolk umbfassen!

196. An den Stöhrfriede.
Wenn du an einem Pflug wilt mit Ixion pflügen /
So wirstu auch mit ihm auf einem Rade liegen.

197. Wie die Arbeit / so der Lohn.
Freund wie die Arbeit ist / so ist auch drauf der Lohn:
Auf böse folgen Streich’ / auf gutte Preiß und Kron.

198. Eingezogenheit verhüttet viel.
Braut ists daß du nicht gern läst frembde Buhler für;
So halt die Fenster zue und steh nicht in der Thür.

199. Behuttsambkeit ist Noth.
Behuttsamkeit ist Noth. Viel wärn nicht umbgekommen /
Wenn sie der Sinnen Thür in bessre Hutt genommen.

200. Vermässenheit ist schädlich.
Vermiß dich Jungfrau nicht / wer in Gefahr sich giebt /
Der wird gemeiniglich gefähret und betrübt.
201. Sicherheit macht verliehrn.
Steh wache / fast’ und beth; in einer Sicherheit /
Hat mancher gar verlohrn das Schloß der Ewigkeit.

202. Drey dinge seind zuflihn.
Kind scheue / meide / fleuch den Wein / das Weib / die Nacht:
Sie haben manchen Mann umb Leib und Seele bracht.

203. Ein finsteres Hertze sieht nicht.
Gieb achtung auf das Feur. Wo nicht die Lampen brennen /
Wer wil den Bräutigam wenn er wird kommn erkennen.

204. Das Geistliche Losungs Wort.
Das Losungs Wort ist Lieb: hastu’s nicht eingenommen /
So darffstu nimmermehr ans Himmels Gräntzen kommen.

205. Die verlohrne Schildwacht.
Die Schildwach ist verlohrn / die sich in Schlaff versenkt:
Die Seel ist gäntzlich hin / die nie ann Feind gedänkt.

206. Man muß den Feind nicht auf den Leib lassen.
Freund wach und schau dich umb / der Teuffel geht stets runten /
Kommt er dir auf den Leib / so liegestu schon unten.

207. Der Teuffel wird leicht überwunden.
Christ biß nur nicht verzagt: mit wachen fasten bethen
Kanstu das gantze Heer der Teuffel unterthreten.

208. Die kluge und thörichte Schönheit.
Die kluge Jungfrau hat ihrn Schmuck in sich allein:
Die Thörin denkt sich schön in schönen Kleidern seyn.

209. Das äuserliche macht nicht wehrter.
Mensch alls was ausser dir / das gibt dir keinen wehrt.
Das Kleid macht keinen Mann / der Sattel macht kein Pferd.

210. Was man innwendig ist sucht man nicht auswendig.
Mann / wer in Tugenden von innen Reich und schön /
Der wird von aussen nicht nach Schmuck und Reichthum stehn.

211. Die Welt ist verblendt.
Wie daß die Welt so sehr nach eitlen Dingen rennt?
Verwunder dich nicht Freund / sie rast und ist verblend.

212. Anderst thun als glauben ist närrisch.
Christ bistu nicht ein Narr? du glaubst die Ewigkeit /
Und hängst mit Leib und Seel verblendet an der Zeit!

213. Dem kleinen ist alles kleine groß.
Kind wachs und werde groß: so lange du noch klein /
So lange dünckt dich alls was klein ist groß zuseyn.

214. Nichts ist groß als GOtt.
Nichts ist mir groß als GOtt. Ein Göttliches Gemütte
Schätzt auch den Himmel selbst für eine kleine Hütte.

215. Man muß sich von oben herab ansehn.
Du dünckst dich viel zu seyn: ach wärstu über dir /
Und schautest dich dann an / du sähst ein schlächtes Thier.

216. Jn der nähe sieht mans recht.
Mein nah dich doch zu GOtt / alls ist von ferne klein /
Thritstu hinzue / er wird bald groß genug dir seyn.

217. Das Ameiß Gemütte.
Die Erde scheint dir breit / ein klümplein groß mein Christ /
Ein Maulwurfs Hauff ein Berg / weil du ein Ameiß bist.

218. Nichts ist groß auf der Erde.
Zum Himmel ist die Erd’ ein eintzigs Stäubelein:
O Narr wie kan in ihr dann etwas grosses seyn?

219. Nichts beschaut nichts geschätzt.
Wie daß die Welt nichts schätzt die schönen Himmels Auen?
man schätzt nichts unbeschaut / es mangelt am beschauen.

220. Auß dem beschaun entsteht die Liebe.
Die Liebe folgt aufs schaun. Schau an die ewge dinge /
So liebstu sie als bald und hälst sonst alls geringe.

221. Die Welt sol man nicht anschaun.
Wend ab dein Angesicht / die Welt nur angeblikt /
Hat manches edles Blut verzaubert und berükt.

222. Die Welt muß beschaut seyn.
Kehr hin dein Angesicht / und schau die eitle Welt /
Wer sie nicht recht betracht / der wird fürwahr gefällt.

223. Die Welt muß belacht und beweint werden.
Fürwahr wer diese Welt recht nihmt in Augenschein /
Muß bald Democritus / bald Heraclitus seyn.

224. Die Kinder weinen umb die token.
Du lachest daß das Kind umb seine Token weint /
Umb die du dich betrübst / sag obs nicht Token seind?

225. Den Weisen nihmt man nichts als Token.
Der Weise lacht darzu wenn man ihn alls genommen.
Warumb? er ist umb nichts als nur umb Token kommen.

226. Rechte Schätzung bringt kein Leid.
Christ wer die Dinge weiß nach ihrem Wehrt zuschätzen
Wird umb kein Zeitliches sich in Betrübnuß setzen.

227. Der Weisen Kränkung.
Der Weiß’ ist stäts in Freud / er wird von nichts betrübt.
Diß einge kränkt ihn nur daß GOtt nicht wird geliebt.

228. GOttes Schmiede Feuer.
Der Eifer ist ein Feur / brent er umbs Nächsten Heil /
So schmiedet GOtt darbey / der Liebe Donnerkeil.

229. Der Weise hat alles gemein.
Der Weise was er hat / hat alls mit alln gemein /
Wie da? er schätzet alls / sich selbst auch nicht für sein.

230. Des Weisen und Narren Werk.
Des Weisen gantzes Werk / ist daß er werde GOtt:
Der Narr bemühet sich biß er wird Erd und Koth.

231. Deß Weisen Adel.
Des Weisen Adel ist sein Göttliches Gemütte /
Sein tugendhafter Lauff / sein Christliches Geblütte.

232. Des Weisen ahnen.
Des Weisen ahnen seind Gott Vater / Sohn und Geist:
Von denen schreibt er sich / wenn er sein Ankunfft preist.

233. Die geheime Adeliche Geburth.
Auß GOtt bin ich gebohrn / erzeugt in seinem Sohn /
Geheiliget im Geist / diß ist mein adels Kron!

234. Würkung der H. Dreifaltigkeit.
Der Sohn erlöset unß / der Geist der macht unß leben /
Deß Vaters Allmacht wird uns die Vergöttung geben.

235. Noch von dieser.
Jn Christo sterben wir / stehn auf im Heilgen Geist /
Jm Vater werden wir für Kinder Gotts gepreist.

236. Nichts höhers ist als GOttes Sohn seyn.
GOtts Sohn ist GOtt mit Gott / regiert auf einem Thron /
Nichts höhers ist als ich / wenn ich bin dieser Sohn.

237. Wie man Gottes Tochter / Mutter und Braut wird.
GOtts Tochter / Mutter / Braut kan jede Seele werden /
Die Gott zum Vater / Sohn und Bräutgam nihmt auff Erden.

238. Der Kuß der Gottheit.
GOtt küst sich in sich selbst / sein Kuß der ist sein Geist /
Der Sohn ist den er küst / der Vater ders geleist.

239. Seufftzer zu GOtt.
Gott ist ein starcker Strom / der hinnihmt Geist und Sinn /
Ach daß ich noch nicht gar von ihm verschwemmet bin.

240. Allein der Weise ist Reich.
Allein der Weiß ist Reich? die Tugenden in GOtt /
Die er stat goldes hat / nihmt ihm auch nicht der Tod.

241. Der Weise stirbt nicht.
Der Weise stirbt nicht mehr? er ist zuvor schon Tod:
Todt aller Eitelkeit / Todt allem was nicht GOtt.

242. Der Weise ist nie allein.
Der Weiß ist nie allein / geht er gleich ohne dich:
So hat er doch den Herrn der dinge (GOtt) mit sich.

243. Der Weise ist alleine Gott gemein.
Groß ist deß Weisen mutt / er machet sich allein /
Dem Herrn der Herrligkeit so viel er kan gemein.

244. Man muß sich erkühnen.
Erkühn dich junger Christ: wer sich nicht wil erheben /
Der bleibt wol wie ein Wurm am Erde klosse kleben.

245. Die Liebe macht kühn.
Die Liebe macht uns kühn / wer Gott den Herrn wil küssen /
Der fället ihm nur bloß mit seiner Lieb zu füssen.

246. Die Liebe durchdringt das innerste.
Die Lieb durchdringet alls; ins innerste Gemach /
Welchs Gott für alln verschleust / geht ihm die liebe nach.

247. Die Beschauligkeit ist Seeligkeit.
Glükseelig ist wer steht auf der beschauer Bahn /
Er sähet schon allhier das Seelge Leben an.

248. GOtt nicht sehn ist nichts sehn.
Du reisest vielerlei zu sehn und außzuspähn:
Hastu nicht GOtt erblikt / so hastu nichts gesehn.

249. Die seeligste Wissenschafft.
Glükseelig ist der Mensch der nichts als JEsum weiß /
Unseelig wer sonst allm und diesem nicht giebt Preiß.

250. Was glükseelig seyn ist.
Glükseelig seyn ist nicht viel Ehr und Gutt genissen /
Es ist viel Tugenden in seiner Seele wissen.

251. An den Sonderling.
Die Meinungen seind Sand / ein Narr der bauet drein /
Du baust auf Meinungen / wie kanstu weise sein?

252. Die Heiligen seind keinem klugen tod.
Du sprichst die Heiligen seind Tod zu unsrer Noth:
Der weise Mann der spricht den Narren seind sie Tod.

253. Allein der Catholische Christ ist weise.
Miß dir nicht Weißheit zue / wie klug du dir auch bist:
Niemand ist Weiß in Gott als ein Catholischer Christ.

254. Der Weise nihmt nichts als von Gott.
Der Weiß ist hoch gesinnt / wird ihm was zuegesand /
So nihmt ers niemahls an als nur von Gottes Hand.

255. Der Weise sündigt nicht.
Der Weise sündigt nicht / die richtige Vernunfft /
Nach der er wirkt / hält ihn in der gerechten Zunfft.

256. Der Weise irret nie.
Der Weise geht nie irr / er hängt auf jeder Bahn /
Der Ewgen Wahrheit (GOtt) mit allen kräfften an.

257. Wer Weise ist.
Der ist der Weise Mann / der sich und GOtt wol kennt
Wem dieses Licht gebricht / ist unweiß’ und verblend.

258. Wie man Weise Wird.
Mensch wiltu Weise seyn / wilt Gott und dich erkennen /
So mustu vor in dir die Welt begihr verbrennen.

259. Was deß Menschen Weißheit ist.
Deß Menschen Weißheit ist Gottseelig seyn auf Erden /
Gleichförmig GOttes Sohn an Sitten und Gebehrden.

260. Rein macht GOtt Gemein.
Nichts unreins komt zu Gott! bistu nicht fünkel rein
Von aller Creatur / so wirst ihm nie gemein.

261. Die Warheit macht Weise seyn.
Die Wahrheit giebt das seyn: wer sie nicht recht erkennt /
Der wird mit keinem recht ein Weiser Mann genennt.

262. Die Welt ist ein Sandkorn.
Wie daß denn bey der Welt GOtt nicht geschaut kan seyn?
Sie kränkt das Auge stets / sie ist ein Sandkörnlein.

263. Beschluß.
Freund es ist auch genug. Jm fall du mehr wilt lesen /
So geh und werde selbst die Schrifft und selbst das Wesen.

ENDE